Home

Index

Johannes B. Kerner am 06.06.2003

B. Salesch: Es gibt mehrere Tabuthemen, vor allen Dingen muss es nachmittags... ich bin um 3 dran, von 3 bis 4. Es muss um diese Uhrzeit sendefähig sein und ich muss diesen Fall innerhalb von einer halben Stunde - oder wenn man 'nen Stunden-Fall macht - innerhalb von einer Stunde verhandeln können. Das ist schonmal die erste Grenze; und dann z.B. wenn es um sexuellen Mißbrauch von Kindern geht bin ich hoch zurückhaltend, oder wenn...

Kerner: Warum? Es kommt doch im richtigen Leben auch vor...

B. Salesch: Natürlich, aber ich habe in dieser halben Stunde.... ich hab' ja nur eine ganz verkürzte Verhandlung; und manche Dinge eignen sich nicht dafür so verkürzt dargestellt zu werden und man muss auch sehen, es ist auch eine Unterhaltungssendung ja. D.h. ich muss auch schauen, krieg' ich das spannend hin. Und manche Themen - finde ich - eigenen sich nicht so sehr für Spannung, auch wenn es im Interesse ist. Das kann man irgendwo anders behandeln.

Kerner: Und wie isses bei z.B. Frau Herz. Haben Sie Tabuthemen? Sagen Sie, sowas würd' ich auf keinen Fall machen!

R. Herz: Ich glaub' gar nicht, dass es darum geht um Tabuthemen. Es geht mir darum, dass man Dinge vermittelt, die wir.... wie z.B. in diesem Fall den wir gerade den Ausschnitt an Rassismus haben, da geht's mir sehr darum, mir liegt daran äh klar zu machen wo Grenzen zu setzten sind. Mir liegt sehr daran - ich bin Jugendrichterin schon seit vielen... schon seit Jahrzehnten - und mir liegt viel daran zu vermitteln, dass das Jugendgericht ein Gericht ist wo man Verständnis für das Heranwachsen von Menschen hat und wo man damit umgehen kann mit diesen Problemen wo man das versteht und nicht negiert und nicht äh äh kleinkocht, sondern im Gegenteil den Menschen ernst nimmt, für voll nimmt, sich ihn anhört. Also mir geht's eigentlich eher um das Positive da raus..äh.... wichtige Theman aufzugreifen. Das ist eigentlich das Erfreuliche wenn man schon im Fernsehen ist, dass man Dinge annimmt und vermitteln kann, die man vielleicht sonst nur 2, 3 Leuten vermitteln kann weil sonst kein Mensch im Gerichtssaal sitzt.

Kerner: Herr Neumann, wenn Sie gewußt hätten, zu frühen Zeiten schon, welche Marktanteile - das ist ja die Währung im Fernsehen mit der abgerechnet wird - welche Marktanteile man einfahren kann mit 'nen paar Prügelszenen, mit Verlesen einer Todesnachricht, mit äh mit der Darstellung anderer schwerer Fälle, hätten Sie dann gesagt, na dann mach' ich auch lieber die harte Nummer anstatt Pferdeäpfel in der Gaststätte ?

G. Neumann: Also ich hätt's im Zweifel nicht gemacht, weil das nicht meinem Verständnis entspricht und ich mein' auch - und darum sollte man auch bemüht sein, oder ich war's ja weil das für uns ausgelaufen ist - dass wir das Richterbild nicht verzerren, sondern dass wir auch ein positives Richterbild vermitteln. Denn wie hier schon gesagt worden ist, es ist praktisch niemand in den Gerichtssälen, der das mitbekommt und ich glaube wir können das von unserem Berufsstand wirklich sagen, der hätte das auch verdient dass er da positiv und jedenfalls richtig dargestellt wird. Und das viele Getümmel, finde ich, das verbiegt schon einiges und es gibt auch Kollegen die sich darüber beschweren, dass sie sagen es ist in den Gerichtssälen anders geworden. Ähm wir haben da so Punkte, dass bei mir z.B. niemand die Mütze aufbehalten darf, Hände in den Taschen, all sowas. Das andere, aber jetzt läuft das doch die Jugendrichter ...

Kerner: Sie meinen jetzt im Gerichtssaal, Hände aus den Taschen, Kaugummi raus...

G. Neumann: .. ja, ja... die Jugendrichter berichten ja doch und die sind aufsässig und die Eltern, die schreien ewig dazwischen.... gefällt mir übrigens bei Ihnen (zu Frau Herz) überhaupt nicht, dass das Publikum dabei ist, wenn die Jugendhilfeberichte erörtert werden, das muss ganz falsch pädagogisch ankommen. Und das andere ist, wissen Sie und das steht nunmal im Gesetz drin, dass unerwachsene Personen vom Richter aus der Verhandlung zu entfernen sind, wenn die Inhalte danach sind; abgesehen vom Ausschluß der Öffentlichkeit....

R. Herz: Gut, also....

G. Neumann: ....darf ich mal eben zu Ende... Danke.

Kerner: Sie meinen, dass keine Kinder da rumsitzen wenn von Dingen gesprochen wird, die von Kindern nicht gehört werden sollen?

G. Neumann: Gut, das ist ja schnell gemacht im eigentlichen Saal, aber die Kinder sitzen ja draußen an der Glotze, es ist ja Kinderzeit und das ist die große Gefahr. Und da, finde ich, muss gebremst werden und wird nicht genug gebremst für meinen Geschmack.

B. Salesch: Also es gibt keine einzige Beanstandung des Jugendschutzes um das ganz klar zu sagen und da muss man sehr aufpassen was und wie man's tut. Und ich denke - wir machen jedenfalls Strafrecht und man kann Strafrecht und Zivilrecht einfach nicht miteinander vergleichen. Ich hab' das erste Jahr Zivilrecht gemacht, es interessiert den Zuschauer auch nur, wenn ich ehrlich bin, mäßig. Mich persönlich auch.

Kerner: Da waren die Quoten schlechter.

B. Salesch: Natürlich, natürlich. Wir konnten versuchen was wir wollten, aber es ging genauso wie ihm (zeigt auf Herrn Neumann), d.h. also Zivilrecht. Wem gerhört jetzt die Schrankwand; und was ist zu reparieren ist überschaubar ja; und das ist im Strafrecht, wir haben doch... was gibt's im Fernsehen: Krimis, ähm Polizeiserien, diese Geschichten und das ist eben strafrechtinteressiert und deshalb find' ich's auch so wichtig, dass man Strafrecht auch - und das ist Fiktion was wir machen - interessant und unterhaltend gesalten, und dass da nebenbei noch sehr viel positives übrigens für die Justiz rausfällt ist 'ne andere Geschichte. Ich war z.B. eingeladen vor 4 Wochen bei der Deutschen Richterakademie zum Thema Medien uns Justiz und es waren dort bei der Tagung überwiegend Pressesprecher der verschiedenen Bundesländer von Staatsanwaltschaft und Gerichten. Und ich hab' schon gemerkt, als ich dahin kam, also es prallte einem so die unausgesprochenen Vorurteile... naja so das kenn' ich ja so...

Kerner: Diese Gerichtskasper-Geschichte...

B. Salesch: ...ja so genau! Na da hab' ich gesagt: nur die Ruhe! Da hab' ich ein paar Sachen mitgebracht, konnten sie aussuchen, was sie selber sehen wollten, ich hatte schlichtweg einfach nur Zahlen rübergegeben, Berichte rübergegeben und dann Fazit hinterher, nachdem einmal klar war dass das Fernsehen Unterhaltung ist und nicht die Aufgabe hat den Justizalltag 1:1 abzubilden, dann bröckelte die Front und man ein Oberstaatsanwalt aus Bayern sagte dann zum Schluss zusammenfassend für die große Gruppe: Vielen Dank! Wir sehen die Sache jetzt total anders. Das ist eine gute Geschichte und das war Fazit von der Deutschen Richterakademie.

Kerner: Frau Salesch, sagen Sie: wie viel Prozent sind Sie - wenn Sie da vorne sitzen - Schauspielerin und wie viel Prozent Richterin?

B. Salesch: 100% Richterin.

Kerner: Und überhaupt nicht Schauspielerin. Das passt aber nicht zu den fiktionalen Fällen.

B. Salesch: Doch! Doch! Weil ich kann ja nur mein Berufsbild oder nur zeigen wie ich bin und eine Schauspielerin schlüpft in verschieden Rollen. Davor hab' ich hohen Respekt. Ich spiele mich immer nur selber.

Kerner: Der Hintergrund der Frage war ein anderer. Wie ist das Gefühl bei den Berufskollegen eher verpönt zu sein und vom Publikum bejubelt zu werden.

B. Salesch: Es ist absolut falsch...

Kerner: Der Herr Mackenroth ist der Vorsitzende der verpönenden Organisation.

B. Salesch: ....ja das macht mir gar nichts... ich bin ....

G. Mackenroth: Nein, verpönen tun'wer schon gar nicht...

B. Salesch: ... ich bin ja, wir sind ja alle hier - nehm' ich an, wir beide mit Sicherheit - im Richterbund drin. Deshalb tret' ich doch nicht aus, nur weil Herr Macknroth in der Zwischenzeit sagt er hält nichts für... äh

Kerner: Er spricht von einer dieser Vereinigungen, es gibt ja andere auch noch. Das eine ist nicht gerade revolutionär... sagt man

B. Salesch: ... erstens das und zweitens hat er ja das mal als Werbung für die Justiz bezeichnet, ne?! Im Jahre 2001 war noch eine große Überschrift "Salesch & Co - Werbung für die Justiz" der Richterverein findet das gut. In der Zwischenzeit find er's nimmer so gut, naja.

A. Hold: Nein, also das muss man sagen. Mir liegt das Thema sehr am Herzen. Ich bin auch sehr viel unterwegs um darüber zu diskutieren. Und es haben im Grunde, so gut wie niemand von den Kollegen hat wirklich ein Problem damit, die können alle differenzieren und sagen dies ist das eine und dies ist das andere. Es sind nur Menschen die einen halt nur in 'ne Schublade gern reinpacken würden, die dann sagen... phf das ist Theater oder sowas.....

Kerner: Ich als Fernsehmann finde das ja fernsehmäßig ganz toll und die Fernsehzuschauer, die jetzt zusehen und zuhören, die weden dafür großes Verständnis haben, weil die gucken ja möglicherweise auch diese Sendung. Vielleicht gibt's da einen großen Schnitt, aber dennoch gibt es den Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes der sagt, ja dann auch im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen, das hat mit uns nix zu tun, das sind Gerichtskasper - wenn ich das zitieren darf - und das ist nicht das wirkliche Leben. Haben Sie diese Sendungen denn wirklich alle mal gesehen?

G. Mackenroth: Der Kasper kommt nicht von mir... aber...

Kerner: ... aber der könnt' von Ihnen kommen.

G. Mackenroth: ... nööö, das würd' ich nicht so sagen. Ich hab' das vorhin ja schon gesagt...

Kerner: ... haben Sie die Sendungen denn nun jetzt alle mal gesehen???

G. Mackenroth: Ich hab' mir mal für'n Interview im Spiegel oder in einem Hamburger Nachrichtenmagazin einen Sonntag nachmittag mal 8 Kassetten angucken müssen. Das gehört zu meinen schlimmsten Erlebnissen. Das muss ich sagen. Also das war äh, äh das war nicht vergnügungssteuerpflichtig, äh hat mir nicht so besonders gut gefallen. Nun waren das vielleicht auch extreme Beispiele die da ausgewählt worden sind. Äh, eine Sache noch: Ihre Frage nach den Tabuthemen hat keiner beantwortet, wahrscheinlich aus gutem Grund.

B. Salesch: Doch, doch!!!!

Kerner: Ja, doch also.....

G. Mackenroth: Ja?? Das hab ich also nicht gehört

B. Salesch: Da hätten Sie müssen zuhören Herr Mackenroth, also ich hab mit Sicherheit gesagt was ich als Tabuthema nehm' und ich hab' ... eine Sache, die ich nicht verhandeln will, die brauch' ich nicht zu verhandeln. D.h. also ich hab' 2 oder 3 Sachen, die mir mal vorgelegt worden sind aber da habe ich gesagt.. laß' mal das geht mir z.B. zu sehr gegen die Kirche. Und vor allen Dingen finde ich auch ganz wichtig die Themen auszusuchen und vor allen.... das Entscheidende an dieser Sendung ist die Bandbreite und nicht eine Einzelsendung. Diese Sendung wird von den Menschen fast jeden Tag gesehen. Also man gehört zum Alltag und deshalb...

G. Mackenroth: Klares Argument... ganz klar...

B. Salesch: Nein, und deshalb muss man - junge wie alte Menschen schauen das - und man muss deshalb sehr verschiedene Fälle bringen und nur eben aufpassen, das man nicht alles bringen kann, das ist ganz einfach. Das ist nicht der Alltag.

R. Herz: Aber überhaupt, das ganze Thema, dass wir immer streiten zwischen ähm ob das die Wirklichkeit widerspiegelt oder nicht die Wirklichkeit widerspiegelt, das ist ja überhaupt nicht fragwürdig, denn man geht ja davon aus - und ich meine Sie Herr Mackenroth gehen ja auch davon aus, so scheint es mir - dass Sie von einer eigentlich recht idealisierten Vision, Version der Justiz - überhaupt der wirklichen Justiz - ausgehen. Denn Sie - wir wissen alle, dass auch in der Justiz es alle Sorten von Richter gibt, dass in der Justiz auch die Justiz, die Richter, auch von der Öffentlichkeit beeinflusst werden und umgekehrt. Also ich denk' nur an die Prozesse die, damals die schrecklichen Sachen, die in Rostock passierten und da wurden....

Kerner: Angriffe und/oder Übergriffe gegen Ausländer....

R. Herz: ....Angriffe auf Ausländerheime, dann wurde, da wurde... äh äh die Angeklagten kamen mit ganz milden Urteilen davon, bis die Medien darauf äh reagierten und sagten, das ist ja versuchter Mord in all diesen Fällen, wieso werden die Leute nur wegen - was weiß ich - Brandstiftung oder sonst was angeklagt. Und daraufhin sind die Justizurteile anders geworden. Also einmal gibt es eine Interdependenz, das ist also nicht dass es nicht zwei Welten gibt; und zum anderen ist das Bild der Justiz ja auch äh ist die Justiz ja auch angewiesen auf ein Bild und äh wir vermitteln....

G. Mackenroth: ... aber ein realistisches Bild und nicht so 'n virtuelles Bild. Wir wollen, wir brauchen... Sie haben völlig recht. Wir brauchen ein realischtisches Bild. Ein Wahrheits..... wir sind doch der Wahrheit verpflichtet.

R. Herz: Ja äh Moment mal: was ist realistisch? Sie gehen ja auch nicht im Gerichtsaal von Saal zu Saal und kontrollieren mal was Ihre Kollegen....

G. Mackenroth: Denk doch gar nicht dran, da hab' ich doch gar keine Zeit zu...

G. Neumann: Ansich gehört es zu seinen Aufgaben....

R. Herz: Jaaa, aber es ist doch ein Bild.... was die Sendungen jedenfalls vermitteln ist eine, eine Unantastbarkeit der Gerichte an sich, denn die Urteile sind nie, werden nie in Frage gestellt.....

G. Mackenroth: ... ja das ist schonmal schlecht. Das ist unrealistisch. Der Richter, die Richterin als gottähnliche Person wie in Ihren Sendungen das ist doch an der Realität völlig vorbei.

R. Herz: Herr Mackenroth, das ist wiederum äh also eine Kritik in der Kritik, denn äh wir sagen ja auch immer, dass man äh Berufung oder Revision oder was es ist, einlegen kann. Es ist ja nicht so...

Kerner: Bei äh heutzutage isses im Fernsehen ja so, es wird angerufen und man kann sagen: Schuldig oder nicht schuldig... Abstimmung per TED.

R. Herz: Es ist ja günstig wenn, jedenfalls für viele äh is ja egal.....äh... es ist ja eine gewisse Demokratisierung eine Transparens notwendig. Die Richter können da nicht immer so tun als würden sie selbstherrlich aggieren, im Stillen weil's kein Mensch sieht.

G. Mackenroth: Einverstanden, einverstanden...

Kerner: Halbgott in Schwarz, genau. Ähm Frau Salesch hab' ich das eben gefragt aber ich möchte an Sie auch die Frage stellen. Herr Hold z.B. Wieviel Prozent Richter? Wieviel Prozent Schauspieler? Isses bei Ihnen auch 100% Richter.

A. Hold: Kann ich ganz klar sagen: Ich kann nicht schauspielern. Ich bin kein Schauspieler und ich tu's auch nicht. Also ich stell' mich selbst dar.

Dritter Teil..

weiter