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Johannes B. Kerner am 06.06.2003

R. Herz: Ich versteh' eigentlich Ihren Einwand nicht ganz, weil Sie sagen: die machen ihren
(zu GM) Job wir unseren. Im Grunde - was wir machen, wir verhandeln Fälle, die fiktional sind, jedenfalls basieren sie häufig - oder fast immer auf richtige Geschichten aus dem Leben. Aber es geht ja nicht nur um den Unterschied zwischen Unterhaltung und Echtem, sondern in beiden Fällen wird ja was transportiert was Justiz bedeuten könnte. Und was heißt das eigentlich, dass der Erfolg so groß ist, heißt dass, dass die Fernsehanstalten, die Medien auch offensichtlich den richtigen Riecher hatten, dass die Leute interessiert daran sind zu sehen, was es an Streitigkeiten - also was skandalisiert, was ist Skandale in unserer Gesellschaft und wie kann das reingerollt werden, wie kann ein....

Kerner: Also Sie brauchen schon noch das Gefäß am Ende; das Urteil; die Leitlinie; die Moral einer Geschichte oder wie immer man das auch nennt.

R. Herz: Nicht nur das Urteil, sondern auch eine staatliche Autorität. Wir sind die dritte Gewalt im Staat....

Kerner: Die Fernsehshows, die Fernsehgerichtsshows sind ja schon die vierte Instanz kann man schon sagen.

B. Salesch: Das sagen die Medien ja gerne von sich...

R. Herz: Jaa, aber was ich meine ist sozusagen doch schon irgendwie am gleichen Strang stricken oder ziehen, weil die Justiz ja eigentlich fast unsichtbar ist für das Publikum. Es gibt ja fast kein Menschen in den Gerichtssälen und die Auswahl der Fälle, die nach außen dringen, die kommen ja auch über Medien; über Zeitungsjournalisten oder über Fernsehen oder sonstwas.

Kerner: Es gibt schon - wie ich das finde - eine extreme Darstellung. Also eine Verknappung des wirklichen Lebens. Gerade aus Ihrer Sendung - fällt mir gerade ein - haben wir einen Ausschnitt, da geht's um eine sehr drastische Form von Rassismus.

Einspieler mit Bildern von "Das Jugendgericht"
Dabei ging es um einen uniformierten dunkelhäutigen Bundeswehrsoldaten, der von
seinen Kameraden, wegen seiner Hautfarbe, diskriminiert und entsprechend beschimpft wurde.

Kerner: Gibt's sowas im wirklichen Gericht? Sie hatten die Situation ja wirklich im Griff gehabt.

R. Herz: Natürlich, natürlich

Kerner: Das gibt's im wirklichen Gericht????

G. Mackenroth: Also äh, das gibt es sicher nicht in der Häufung. Äh und der - ich sag' mal der richtige wahre Richter im richtigen Gerichtssaal würde eigentlich schon - im Interesse des Schutzes dieses anderen Beteiligten - sofort einschreiten. Androhung von Ordnungsgeld bishin zur Ordnungshaft.

Kerner: Das hat sie doch gemacht...
R. Herz: Das hab' ich doch gemacht...

G. Mackenroth: Ja aber, aber Herr Kerner, erstmal läßt sie ihn ausreden, damit der Zuschauer durch die Überraschung sozusagen wieder bei der Stange gehalten wird. Das ist ja der Trick bei der ganzen Sache. Bei uns würden wir sofort, also sowie das erste Wort äh äh da fällt äh.... das gibt's einfach nicht.

Kerner: Also "Nigger" und was da jetzt so in der gestellten Geschichte.....

R. Herz: Ja aber Herr Mackenroth, aber Sie sind ja genauso Richter wie ich. Beim ersten Mal denkt man... "Vielleicht hat er sich vertan"... erst beim zweiten Mal schreitet man.... Beim ersten Piepser, wenn jemand das erste Piep sagt im Gericht, gleich überfällt man ihn ja nicht. Außerdem isses ja auch ein Gericht, das eine Öffentlichkeit... ähm jeder hat ein Anspruch sich zu äußern. Es ist ja nur dann... man schreitet ja nur dann ein, wenn's wirklich die Rechte oder die Würde eines Anderen verletzt.

G. Mackenroth: Das war ja hier aber doch deutlich der Fall.

R. Herz: Ja, deswegen hab' ich's ja auch gemacht. Aber im wahren Leben tut's man ja auch.

A. Hold: Muss ich sie vielleicht jetzt ma in Schutz nehmen. Das ist jetzt vielleicht nicht so eine ganz typische Situation, ich meine dass wir in der Regel schon auch zeigen was wir uns nicht bieten lassen. Und das ist ja auch eher ein positiver Aspekt und man darf bei all dem auch nicht vergessen.... also ähm ich krieg' das sehr sehr häufig von Zuschauern mit, wenn man dann nach der Aufzeichnung ins Gespräch kommt, ähm dass die eigentlich verwundert sind, wie differenziert die Jusitz mit Opfern wie mit Angeklagten umgeht. Eben wie wenig man sich bieten laßt, wie schonend man z.B. mit Opfern umgeht, wie man mit Kindern umgeht, ja. Vieles was die Menschen vielleicht gar nicht erwarten, die einfach denken: die Justiz ist obrigkeitsmäßig, geht - natürlich, die Kollegen draußen die machen das jeden Tag richtig, die machen das so gut wie alle richtig, nur der Zuschauer, der vielleicht einmal im Leben ins Gericht kommt und sich dann komisch behandelt fühlt, weil sein Einspruch gegen 'nen Bußgeldbescheid verworfen wird, der kriegt das so net mit. Und die Zuschauer sind oft erstaunt darüber, wie menschlich es zugeht.

Kerner: Wo wir doch grad' sozusagen über die Realität in den Fernsehgerichtssälen reden, da gibt's ja einige schöne Beispiele und ich bin ja Laie und deshalb kann ich mich ja ganz einfach fragen ob das wirklich so stimmt. Da gibt's z.B. in Ihrer Sendung so eine Szene, da wird ein... da bekommen Sie per Fax eine ganz traurige Nachricht übermittelt und die lesen Sie dann vor.

Einspieler mit Bildern von "Ricbter Alexander Hold"
Darin wurde ein Fax vorgelesen indem stand, dass die kleine Lena - Tochter von der Angeklagten und angeblich entführten Mutter (Fr. Simmrath) - gerade im Krankenhaus verstorben ist. Die Emotionen von den Darstellern werden dabei auch deutlich gezeigt.

Kerner: Unabhängig von der schauspielerischen Leistung, die mich nach wie vor beeindruckt...

A. Hold: Laien, das sind Laien, das darf man nicht vergessen... ich kann mich auch noch gut an den Fall erinnern.

Kerner: Ja, ja gut, dass Sie's nochmal sagen... ähm gibt's das wirklich, dass dann so'n Fax da reingereicht wird und dann sagen Sie 'Ihre Tochter ist gestorben'? Oder ist das vom Drehbruch geschrieben?

A. Hold: Natürlich ist das vom Drehbuch geschrieben. Wir befinden uns ja in einem Fernsehspiel, das ist jedem klar; das ist auch dem Zuschauer klar, denke ich. Hier ging's um 'nen Fall wo der Vater eben die Tochter schwer verletzt haben soll und sie lag sehr sehr schwer verletzt im Krankenhaus und natürlich kann sowas vorkommen. Es kommt nicht jeden Tag vor in der Justiz - ich hab' jetzt auch ungefähr 800 Fälle abgedreht und es war jetzt ein einziges Mal, dass sowas vorkommt, aber es kommt auch während der Gerichtsverhandlung bei der Justiz mal 'n Anruf mit 'ner seltsamen Nachricht.

B. Salesch: Ich, ich will nur...

Kerner: Frau Salesch Entschuldigung, nur weil es zu dem Fall gehört. Es steht mir nicht an Sie...

B. Salesch: Es ist ja schließlich Ihre Sendung Herr Kerner.

Kerner: Ich hab' Sie ja zu dem Reden eingeladen, deshalb unterbreche ich Sie so ungern, nur weil es dazugehört und nur weil die Leute möglicherweise denken könnten das Lesen dieses Faxes sei schon der Höhepunkt der Geschichte gewesen.... Nein, das geht natürlich noch weiter, genau in der Geschichte... Fortsetzung der Geschichte, bitte....

Einspieler mit Bildern von "Ricbter Alexander Hold" - Zweiter Teil
Diesmal sah man eine tätliche Auseinandersetzung zweier Zeugen und das Dazwischengehen des Gerichtsdieners Herrn Seelhoff, sowie des Rechtsanwalts Herrn Lenßen, worauf dann der Vorsitzende umgehend den beiden Streithähnen ein Ordnungsgeld auferlegte.

Kerner: Gern hätt' ich noch einen dritten Teil, aber das war's schon zumindest in dieser Angelegenheit. Gibt's denn sowas häufig?

A. Hold: Sie sehen ich hab' nichts angedroht, ich hab sofort verhängt. Ähm, sowas kommt natürlich so gut wie nie vor. Es kommen aber die skurilsten Sachen vor. Ich muss auch sagen, das ist ein Fall der fast 2 Jahre zurückliegt. Wir haben uns auch ein bisschen geändert. Es gab am Anfang die Tendenz, unsere zwei Sendungen (Blick zu Frau Herz) standen sich gegenüber und man hatte gedacht das kann gar nicht funktionieren, es muss einer den anderen übertrumpfen und wir haben ganz schnell gemerkt auch, dass der Zuschauer das gar nicht unbedingt will. Der Zuschauer will interessante, dichte Geschichten sehen, der will logische Sachen sehen, der will nicht unbedingt Randale haben...

R. Herz: ... außerdem passt das nicht zu uns ....

A. Hold: ... ja, ja, aber es kommen die irrsinnigsten Sachen vor. Also ich hatt' 'nen Fall, das ist jetzt nicht dasselbe, also ich hatt'....

Kerner: .....im wirklichen Leben?

A. Hold: Im wirklichen Leben, ja, ich hatt' 'nen Fall z.B. wo jemand reinkam mit 'nem Hund und sagt: 'dieser Angeklagte darf jetzt sofort mitgehen sonst laß ich den Hund los!' Ist jetzt nicht ganz so, aber immerhin, überlegt man sich auch, der Hund hatte das Szenario tönlich vertreten ja.

R. Herz: Bei mir ist schon mal eine Kugel bei mir vorbeigeflogen im Amtsgericht Köln. Also es gibt...

Kerner: Aus 'ner Waffe ?

R. Herz: Aus 'ner Waffe, aus dem Nachbarsaal, weil dort jemanden jemand anderes umbringen wollte im Gerichtssaal und das flog durch die Wand an meinem Kopf in meinem Saal vorbei.

Kerner: Jetzt weiß ich warum Sie ins Fernsehen wollten, weil's da so ruhig zugeht.

B. Salesch: Ja aber es ist wirklich so, einer meiner letzten Verhandlungen in Hamburg war in der Tat so, dass ich die Berufung verworfen habe und ich ließ den Angeklagten, der in Haft saß, noch mit seinem Verteidiger sprechen und plötzlich - ich merkte es am Gesicht - rastete er aus, veruchte zu fliehen, griff seine Frau an, sie schrie nur er hat 'ne Waffe oder sowas, auf dem Flur fielen 'se reihenweise in Ohnmacht. Ich versuchte noch irgendwelche Verstärkung zu holen und dann griff er noch eine weitere Frau an und nachdem er merkte er kommt nicht weiter, weil inzwischen hingen drei Vollzugsbeamte an ihm, ging er zum... also sprang er zum Fenster und ging mit dem Kopf durch die Scheibe und versuchte sich die Halsschlagader durchzuschneiden. Das ist eine ganz... das war 3 Wochen bevor ich aufgehört habe, äh also unterbrochen habe für's Fernsehen.

Kerner: .... und keine Kamera dabei...

B. Salesch: Gott sei Dank, Gott sei Dank, denn im echten Gerichtssaal dürfen wirklich keine Kameras dabei sein.

G. Mackenroth: Wir reden jetzt wie schön die wahre Justiz ist. Wir wollen doch über Ihre Sendungen reden finde ich.

B. Salesch: Natürlich, je nachdem was gerade gefragt wird.

A. Hold: Aber das ist eigentlich das schlimme an uns Juristen, dass wir alle nächtelang solche Geschichten aus aus der Justiz erzählen könnten....

B. Salesch: Ja klar, einer nach dem anderen...

A. Hold: ... und natürlich such wir uns jetzt nicht den Ladendiebstahl um 2 Mark 50 aus, aber in der Presse lesen Sie ja auch nur solche Fälle.

Kerner: Jetzt nochmal der Reihe nach. Was sind Tabuthemen zum Beispiel in solchen Sendungen. Man traut ja dem Fernsehen eigentlich alles zu und schon mal gar nicht, dass die halt machen vor irgendwelchen ganz spektakulären Sachen. Hat jeder von Ihnen da so eine Grenze und sagt: Bis hier hin und nicht weiter!?

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