Home

Index

Johannes B. Kerner am 06.06.2003

R. Herz: Ähm, so ähnlich. Also man hat's mir nicht vorgegeben, sondern das Angebot gemacht.

Kerner: Wo, bei welchem Gericht waren Sie vorher?

R. Herz: In Köln beim Jugendschöffengericht. D.h. Jugendrichterin war ich schon sehr sehr lange und dann kam das Angebot und ich hab - genau wie Herr Hold - gesagt... das bin ich doch gar nicht, sowas kann ich doch gar nicht machen, das ist einfach nicht meine Welt. Aber dann hab' ich mich damit auseinandergesetzt und mir ist klar - uns allen ist klar, die hier sitzen - das Medium, also das Massenmedium, das Fernsehen ein ganz ganz wichtiger Mediator ist um Wissen, um Kultur zu transportieren.

Kerner: War das, was Sie gereizt hat an der Geschichte - also unabhängig von so angemehmen Nebenerscheinungen wie hoffentlich ein bisschen mehr Geld als im Richterjob oder so was.

R. Herz: Ja gut, das hat ja auch Nachteile.... ähm...

Kerner: Mehr Geld hat Nachteile???

R. Herz: Nein, nein, es ist anders. Das ist einer der Vorteile, dass man.... also ich bin jemand der für Neues offen ist. Ich hab' ja auch andere Dinge in meinem Leben gemacht, auch obwohl ich von Anfang an Richterin war, aber ich... äh

Kerner: ... als Gastprofessorin z.B., gelehrt an anderen Universitäten und auch im Ausland, also insofern ein bewegtes juristisches Leben. Bis dahin schon gelebt.....
Herr Neumann Sie haben das erst angefangen, als Sie mit Ihrem Job aufgehört haben. Also als Sie nicht mehr Richter waren. Hätten Sie sich vorstellen können zu aktiven Richterzeiten - nebenbei 'ne Sendung zu machen wie "Streit um Drei"?

G. Neumann: Ich glaube kaum.... nein...

Kerner: Warum nicht?

G. Neumann: ... nein, also solange ich im aktiven Dienst war, war mir das vorrangig oder wäre mir das vorrangig gewesen äh und ansonsten dann später als ich dann so'n Amtsgericht hinter mir hatte, hätt' ich das auch nicht gerne alleine gelassen für länger. Also das wär' wohl kaum für mich in Frage gekommen, außerdem isses ja - ich hab' das auch schon an öffentlicher Stelle gesagt - 'n bisschen Justizkaspertheater. Man wird ja auch in der Szenerie nur zur Hälfte gesehen.

Kerner: Meinen Sie sich selbst auch, oder nur die Anderen ?

G. Neumann: Ich auch, ich hab' es von mir selbst als erstes gesagt, dass meine Kinder immer die Befürchtung haben, der macht da den Justizkasper und macht sich lächerlich, so und ähm und dann schwenk' ich auch mal um, um auf den Gegensatz zu kommen. Wir haben ja von Anfang an Zivilrecht bei "Streit um Drei" gemacht und...

Kerner: Vielleicht können Sie in wenigen Worten das nochmal erklären den Unterschied, weil das ist ja....

G. Neumann: ... ja, das ist ein Streit unter Bürgern untereinander, das sag' ich jetzt mal ganz einfach. In erster Linie um Geld; Nachbarschaftsstreitigkeiten sind bekannt als Zeichen für dieses Genre, will ich einmal sagen. So und...

Kerner: Im Strafrecht gibt es eine Strafverfolgung einer Behörde...

R. Herz: Der Staat klagt einen Menschen an...

G. Neumann: Der Staatsanwalt ist eine Verfolgungsbehörde, so wie man sie kennt. Unsere Zielsetzung - jedenfalls meine: Zivilrecht ist überhaupt nicht transparent für die Öffentlichkeit, weil ins Auge fällt immer nur das Strafrecht und die Sensation und so..

Kerner: ... weil da gibt's Vergewaltigung und Mord und so...

G. Neumann: Richtig. Hier geht's aber letztlich um Kleinigkeiten, da hat man natürlich auch mal den Vorteil, dass man schmunzeln kann. Und das war auch natürlich ein Prädikat für uns.

Einspieler mit Bildern von "Streit um Drei"
Dabei ging es um einen Gast, der mit Pferdeäpfel in einem Lokal umsich schmiss...

Kerner: Also das ist dann so die ruhigere Variante, da geht es um Pferdeäpfel werfen in einer Gaststätte. Damit würden Sie ja bei Sat1 nicht mal auf Sendung kommen.

G. Neumann: Das darf ich aber mal aufgreifen. Wir haben natürlich Zivilprozess stilisiert, weil man sonst ihn nicht darstellen kann. Weil heute sitzen da 20, 30 Anwälte rum und warten drauf, dass die Sache eben schnell am Richtertisch besprochen wird. Die Naturalparteien - wie wir sie nennen - die kommen ja nicht; aber die brauchten wir.

Kerner: Herr Mackenroth, sind das alles Justizkasper?

G. Mackenroth: Nein, das sind Kollegen, Kolleginnen, äh aber virtuelle Kollegen im Moment und das ist auch in Ordnung. Ich freu' mich für die Vier, dass sie in ihrem Leben die Chance gehabt haben mal was ganz besonderes und extraordinäres zu machen und es geht bei der Kritik an den Gerichtsshows ja auch nicht darum den wirklichen Erfolg der Sendung runter zu reden und den Millionen ihre Nachmittagsunterhaltung zu nehmen. Es geht mir darum zu sagen: das ist der eine Job, und wir auf den Gerichten und den Staatsanwaltschaften machen unseren eigenen oder machen 'n anderen Job, das hat miteinander nicht unbedingt was zu tun.

Kerner: Naja gut, das ist eine klare Forumulierung. Dann sagen Sie, das sind nicht Justizkasper sondern zur Zeit Schauspieler.

G. Mackenroth: So ist das. Temporäre Schauspieler, virtuelle Kollegen, wie man das nennen will äh.. find ich also völlig ehrenhaft und da ist nix schlimmes dabei.

Kerner: Also wenn Sie so eine Kritik formulieren, dann ist doch der Hintergrund bestimmt, dass es irgend eine negative Folge gibt, seitdem es diese Sendung gibt. Hat sich da irgendwas im Gericht verändert?

G. Mackenroth: Was mich daran stört ist dieser gewisse Heilsbringereffekt, dass man also sagt: wir sind sozusagen die Schule für die tatsächliche Justiz, die kann bei uns nicht noch was abgucken und noch was lernen. Der Alltag auf den Gerichten hat sich ein bisschen verändert ja. Also ich hab' gerade vor 14 Tagen eine Vernehmung gemacht, hab' 'nen Zeugen vor mir gehabt und hab' den belehrt wie üblich 'Sie sind verpflichtet die Wahrheit zu sagen und wenn nicht, dann werden Sie bestraft....' dann fiel er mir rüde ins Wort und sagt: Sparen Sie sich das, ich guck jeden Tag Barbara Salesch. Da musste ich ihm sagen: Frau Salesch, die nette Kollegin, ist nicht in der Lage die Verfahrensordnung außer Kraft zu setzen, ich muss sie belehren, das steht im Gesetz und deswegen muss ich's nun weitermachen. Ähm, das ist so ein Effekt, den wir auffangen können, das ist unser täglich Brot, was halt ein bisschen schwieriger ist. Ich sag' ja gar nicht, dass das schlimm ist.

R. Herz: Aber was ist denn daran problematisch ?

A. Hold: Ach Sie meinen, wenn die Menschen mit einem gewissen Vorverständnis zur Justitz kommen; ja aber das ist ganz und gar nicht schädlich. Äh, also wenn sie nur so Kleinigkeiten wissen, was ist der Unterschied zwischen Zivil- und Strafrecht oder da gibt's einen Staatsanwalt, da gibt's keine Geschworenen wie in USA, was ja die Hälfte der Bevölkerung nach wie vor denkt. Also wenn man ein bisschen Vorverständnis dann hat, dann schadet das ja gar nicht. Und dass wir der Jusitz vorgebend was vorspielen, woran sich die anderen orientieren sollen, also ich mein das behauptet natürlich keiner von uns. Ich sag' auch nach wie vor, ich sag' immer schon, das Spannendste, das Lehrreichste aber wirklich auch das Spannendste ist, wenn die Menschen in die echten Gerichtssäle gehen und dann nachmittags zugucken. Nur das hat halt den Nachteil, man muss außer Haus gehen, man kann nicht umschalten wenn mal 'ne Verhandlung ausfällt, und ähm ja, es kann auch mal sein, dass es nicht Punkt 17.00 Uhr vorbei ist und's Bügelbrett mitbringen darf man auch nicht.

G. Mackenroth: Es hat noch einen richtigen Unterschied. Bei Ihnen schreibt jemand das Drehbuch und bei uns schreibt das Leben das Drehbuch. Also das ist schon ein bisschen was anderes.

Kerner: Also Sie sagen das hat mit dem wirklichen Leben eigentlich nix zu tun. Übrigens würd' den Erfolg ja auch nicht...... wir haben ja eingeladen weil's ein Phänomen ist und weil's so ein großer Erfolg ist um einfach drüber zu reden.

B. Salesch: Es hat schon was mit dem wirklichen Leben zu tun, aber es ist kein Abbild der Justitz 1:1. Das könnte man niemals tun und das würde auch keiner senden wollen und ich finde es für die Justiz auch gar nicht schlecht. Es sind zwei total verschiedene Sachen. Wenn ich in Hamburg verhandelt habe als Vorsitzende einer Strafkammer, dann hab' ich bestimmt nicht verhandelt, damit das Publikum einen Unterhaltungswert hatte, sondern ich habe mich schlichtweg um den Angeklagten und um die Zeugen gekümmert; sooo, dass mich der Angeklagte und die Zeugen verstanden haben. Häufig war Publikum hinten drin, viele Angehörige usw. Und dann ist es irgendwie wichtig - das war mir z.B. immer ein Anliegen - ähm, mit den Menschen so zu sprechen, dass sie einem verstehen; und das ist etwas sehr positives dieser Sendung. Ich glaube vorhin war mal die Frage des Erfolges, ähm ich glaube, dass die Landgerichtspräsidentin mich damals angesprochen hat - Frau Salesch es wäre schön, wenn Sie sich da mal bewerben würden - weil ich in Hamburg schon bekannt dafür war sehr einfach zu sprechen. Ich beherrsche die juristischen Begriffe ohne weiteres, d.h. also wenn ich unterrichte, meine Fachkollegen mit Sicherheit, nur juristische Begriffe. Aber der Alltag. Recht muss doch verständlich sein und ein Recht ist doch nur dann ein Recht, wenn es der Bürger versteht. Und man muss es umsetzen können in Alltagssprache; das ist manchmal etwas kompliziert und ich glaube, das ist der Erfolg dieser Sendung.

weiter