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Johannes B. Kerner am 06.06.2003

Kerner: Dem Phänomen der Gerichtsshows auf Sat1 im Deutschen Fernsehen wollen
wir uns heute nähern. Wir haben die Moderatorinnen und Moderatoren dieser Sendungen eingeladen und zur Einstimmung sehen und hören Sie einfach mal selbst, was Sie möglicherweise nachmittags im Fernsehen verpassen:

Gerichtsshows im Deutschen Fernsehen... ein Phänomen. Jeder dritte deutsche Fernseher ist mittags auf Barbara Salesch & Co. eingeschaltet wenn es um Maschendrahtzäune, Knallerbsensträucher und um Ernsthaftes geht. Doch es gibt auch Kritik. Emotionales Theater, Verfälschung des Gerichtsalltags lauten die Vorwürfe. Machen die 6 TV-Gerichte die Justiz wirklich transparenter? Oder ist alles nur eine Weiterentwicklung der Trash-Talkshows?

Kerner: Gäste meiner heutigen Sendung sind die -das darf man glaub' ich sagen - Mutter aller Gerichtsshows, Moderatorin Barbara Salesch. Guten Abend Frau Salesch. Der "Streit um Drei"-Richter Guido Neumann. Hallo Herr Neumann. Die Fernseh-Richterin Frau Dr. Ruth Herz, guten Abend Frau Herz. Richter Alexander Hold ist zu Gast. Guten Abend Herr Hold. Und der Bundesvorsitzende des Deutschen Richterbundes Geert Mackenroth. Grüße Sie Herr Mackenroth.

Das was wir eben in der - zugegeben sehr kurzen - MAZ gesehen haben, war das ungefähr ein Überblick was in den Gerichtsshows passiert?

B. Salesch: Es war ein Ausschnitt, aber es war bestimmt nicht all das was passiert. Wir haben... äh nächste Woche verhandele ich den 1200 Fall. D.h. es ist Aktivität wie jetzt. Das ist ein Mädchen, das sich wirklich versucht zu wehren, dieser Ausbruch gegen den Angeklagten. Wir haben wirklich ganz tragische Fälle, die sowas von still sind. Das ist eine halbe Stunde wirklich schweigen und möchte' ich fast sagen schluchzen, auch beim Zuschauer. Je nachdem was man verhandelt.

Kerner: Wenn Sie sagen 1200 Fälle im Fernsehen verhandelt, wie viele haben Sie im richtigen Leben verhandelt.

B. Salesch: Hach, ich hab' sie nicht gezählt muss ich sagen.

Kerner: Aber mehr? Oder sind Sie im Fernsehen mittlerweile schon im Vorlauf?

B. Salesch: Nein, also bei 20 Berufsjahren da kommt was zusammen.

Kerner: Können Sie mit wenigen Worten versuchen zu erklären woran es liegt, dass solche Sendungen so einen Erfolg haben.

B. Salesch: Ich glaube das ist die Art und Weise wie man Recht präsentieren kann. Es ist eine Art Fortsetzung von früher "Das Fernsehgericht tagt" mit neuen Mitteln. Das war damals auch, ....echte Richter; hier jetzt auch. Und die bringen schon so eine Art besondere Atmosphäre hinein. D.h. vor allen Dingen am Schluss hat man auch das Urteil was üblicherweise in einem solchen Verfahren ergehen würde und man hat - jetzt Strafrecht nicht mit Zivilrecht bei uns .....

Kerner: Den Unterschied müssen wir ganz kurz mal erklären, weil am Anfang ging's um Zivilrecht, da ging's dann um Maschendrahtzäune um Streitereien zwischen zwei Menschen...

B. Salesch: Ach so, ja ... ja das war Schiedsgerichtsverfahren und das war absolut neu im Fernsehen damals. Auch Neuland. Es waren ja echte Fälle. Wir haben verhandelt häufig 1 1/2, 2 Stunden. Die Produktionsgesellschaft Filmpool hat also nur das Recht wenn man so will, diese Verhandlungen zu filmen. Es wurde dann zusammengeschnitten auf eine Viertelstunde um es dann irgendwo zu zeigen.

Kerner: Das ganze hatte einen realistischen Hintergrund.

B. Salesch: Es hatte einen realistischen Hintergrund. Es waren echte Fälle. Die Urteile wurden rechtskräftig und lagen dann hinterher, das ein oder andere, am Oberlandesgericht Köln vor und sind gehalten worden. Ich wäre nicht sehr glücklich gewesen, wenn man mir dort gesagt hätte... ja, da haste 'nen Fehler gemacht.

Kerner: In der Zwischenzeit ist es anders weil es ja geschriebene Fälle sind, fiktionale Geschichten, die erdacht werden. Nicht nur von Juristen sondern auch von Leuten die von der Fernsehunterhaltung in der Hauptsache kommen, damit's einfach ein bisschen spannender wird.

B. Salesch: Ja, ja klar, ja natürlich

Kerner: Herr Hold, als Sie zum erstenmal Gerichtsshows im Fernsehen gesehen haben, da waren Sie zwar schon Richter, aber Sie hatten ja noch keine Sendung dieser Art. Was haben Sie gedacht als Sie das gesehen haben?

A. Hold: Ich hab's eigentlich zum ersten Mal gesehen - die Frau Salesch - als auf mich jemand zugekommen ist, mich gefragt hat ob ich mir sowas vorstellen könne. Ich konnt's mir überhaupt nicht vorstellen natürlich. Ich hab' mich für sowas auch niemals beworben...

Kerner: Warum nicht? Warum konnten Sie sich das nicht vorstellen?

A.Hold: Weil ich keine Vorstellung davon hatte, weil ich's nie gesehen hatte. Also ich hatte ja die Sendungen gesehen die ja alle seit langem nicht mehr gesendet werden wie "Das Fernsehgericht tagt" und äh "Ehen vor Gericht" und diese ganze Sendungen eben. Aber das was in Sat1 lief, das hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen. Das muss ich mir erstmal angucken um festzustellen.... mh ja, pfh das könnt' ich mir eigentlich auch vorstellen.

Kerner: Haben Sie nicht im ersten Moment gedacht, das hat doch mit meinem Beruf eigentlich gar nichts zu tun?

A. Hold: Nee, das ist ja nicht so weit weg. Das ist ja gar nicht so weit weg von dem Beruf. Das Ritual der Gerichtsverhandlung läuft so ab wie's im echten Leben auch ist. Es geht manchmal etwas emotionaler zu. So geht's aber auch in manchen Gerichtssälen auch zu. Nur nicht so häufig natürlich. Natürlich das was wir im Fernsehen bringen ist nicht 1:1 das Abbild des Justizalltages. In dieser Masse natürlich nicht. Aber im Tatort sehen Sie ja auch nicht 50 Ladendiebstähle bis mal ein Mord kommt. Aber wir zeigen natürlich auch die spannenden Fälle, die sich der rauspicken würde, der ins Gericht geht um zuzuschauen.

Kerner: Was möglicherweise nicht jeder weiß, was aber jeder wissen sollte: In diesen Fällen sind Schauspieler, die als Zeugen oder Angeklagte da sind; diejenigen die diese Sendung moderieren - also Richter dieser Sendung - sind allesamt natürlich Juristen. Also Sie sind alle Richter von verschiedenen Gerichten. Der eine vom Landgericht, vom Amtsgericht und wie auch immer. D.h. Sie haben massig Berufsjahre auf dem Buckel.

B. Salesch: Ich denke das braucht man auch dafür.

Kerner: .... und brauchten einfachmal ein bisschen Abwechslung?

B. Salesch: Nee, das nicht, aber ich finde für diese Sendung braucht man Berufserfahrung um diese Sendung so zu machen. Es sind bei uns z.B. keine Schauspieler, sondern es sind Laien....

Kerner: Ist das jetzt besser oder schlechter?

B. Salesch: Äh anders. Es ist einfach anders. Sie haben... es ist mehr Improvisation dabei äh und sie haben kein festes Drehbuch. Manchmal reden sie sich auch wunderbar raus. Ich hab' gedacht wunderbar ich verurteile, müsste eigentlich reichen, der läßt sich aber was einfallen worauf selbst ich nicht gekommen wäre.... zack Freispruch. Also man muss schon....

Kerner: Also Sie meinen lügen vor Gericht lohnt sich...

B. Salesch: Äh, es gibt ja den Spruch, dass niergendwo soviel gelogen wird wie vor Gericht. Und ich fürchte, da ist was dran. Man versucht es. Es ist doch ganz klar, man versucht sich doch herauszureden und so gut dazustellen wie's geht.

Kerner: Diese Vorbereitung der Sendung werden wir intensiv besprechen, weil das ja ganz wichtig ist um einfach mal zu erkennen was auch der Erfolg der Sache ist. Vielleicht nochmal dieser Weg zum Fernsehen. Also der Weg einer Richterin wie z.B. bei Ihnen Frau Herz. Wie ist das bei Ihnen gelaufen? Da kam einfach jemand und hat gesagt 'Du gehst jetzt in die Glotze' ? Nein....

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