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Sendung vom
19. Dezember 2005



RB: Vor 6 Jahren flimmerte erstmals eine TV-Gerichtsshow über deutsche Bildschirme. Richterin Barbara Salesch sprach ihre Urteile vor laufenden Kameras und stellte damit das Nachmittagsprogramm auf den Kopf. Heute sind Fernsehgerichte nicht mehr aus dem TV-Alltag wegzudenken. Millionen Menschen sehen täglich zu, wenn Alexander Hold, Dr. Ruth Herz, Frank Engeland und Ulrich Wetzel in menschliche Abgründe blicken und über Schuld oder Unschuld entscheiden. Jeden Nachmittag sind sie Konkurrenten, doch heute Abend sind sie erstmals alle fünf friedlich vereint an einem Tisch. Tja, freut mich sehr, dass die geballte Justiz heute Abend hier bei mir ist. Herzlich Willkommen Barbara Salesch. Herzlich Willkommen Frau Herz, freut mich sehr, dass Sie da sind. Herr Hold, herzlich willkommen. Herr Wetzel, aus Hessen, schönen guten Abend. Und Herr Engeland, auch herzlich willkommen aus der Kölner Ecke. Jetzt kann hier nichts mehr schief gehen. Also hohes Gericht, ich eröffne hiermit die Sitzung. Muss ich jetzt eigentlich aufstehen Frau Salesch?





































BS: Äähhh, nein wir hätten schon lang wieder Platz genommen. Wenn das Gericht reinkommt steht alles auf und dann nimmt man Platz.

RB: Also kein Formfehler.

BS: Nein, noch nicht.

RB: Jetzt müssen wir mal die Zuständigkeiten erklären. Frau Salesch Sie sind die frist Lady, Sie sind die Chefin hier an diesem Tisch. Wer ist für was zuständig?

BS: Also jetzt seit 5 Jahren, seit diesem großen Erfolg ist es das Strafrecht und ich hab' diese Strafkammer meistens als Schwurgericht. Angefangen hab' ich aber ein Jahr früher mit Zivilrecht, mit einem eigenen Schiedsgericht.

RB: Oh da erinnern wir uns aber dran. Da gab's einen Fall der war sehr berühmt. Der Maschendrahtzaun. Wie hieß die....

BS: Ja, ja... 3 Wochen waren wir auf Sendung und dann so was.

RB: Das war Regine Zindler. Und der Erbsenstrauch, der....

BS: Knallerbsenstrauch!!

RB: Knallerbsenstrauch...

BS: Ja bitte, Knallerbsenstrauch, der ist im Maschendraht....

RB: Mhmh, das war damals im Vogtland und das war ein berühmter Fall, d.h. damals da haben Sie noch real verhandelt; es waren wirkliche Fälle.

BS: Ja, das war ein echter Maschendrahtzaun.

RB: Warum machen Sie das heute nicht mehr?

BS: Weil Zivilrecht keinen interessiert. Jedenfalls die Herausgabe des...

RB: Wir haben aber gelacht..... es war ein riesen Spaß!

BS: .... ja, das schon, aber nur einmal, das reicht aber halt nicht für 'ne tägliche Sendung. Wir haben's ja ein Jahr gemacht, aber irgendwann war dem Zuschauer klar, dass wenn ich einen Schrank kaufe der beschädigt ist dass er bezahlt werden muss, dass er repariert werden muss.... es wiederholte sich alles. Und mit echten Menschen kann man ja gar nicht so viel Spaß machen. Da muss ich ja auch immer die Menschen schützen, das sind ja ganz ganz andere, sehr viel ruhigere Fälle. Tja, und das hat keinen interessiert. Über 10% sind wir nicht rausgekommen und damit kam der Anruf: nach den Sommerferien, wir stellen um auf Strafrecht. Ich hab' nicht dran geglaubt, weil ich nun Strafkammervorsitzende bin in Hamburg, das kriegen wir in dieser Zeit nie vernünftig fertig. Gisela Marx war überzeugt - in der Zwischenzeit bin ich's auch.

RB: Ähm Herr Engeland wie ist das, gibt es eine Redaktion die diese Fälle entwickelt, niederschreibt, ein richtiges Drehbuch zu Papier bringt? Wie läuft das ab?

FE: Ja, natürlich haben wir eine Redaktion, die Fallideen sucht, die sich Konstellationen ausdenkt "was könnte spannend sein". Dann haben wir - bei uns zumindest - noch eine Psychologin mit im Team, weil wir haben häufig.... wir haben Krankheitsbilder, wir haben immer die Frage: verhält sich jemand wirklich so? Ist das realistisch? Weil wir im Familiengericht natürlich oder ich arbeite auch sehr sehr viel mit Kindern, mit Problematiken die Jugendliche betreffen. Ist das typisch? Kann das wirklich sein? Dann haben wir natürlich auch Juristen in der Redaktion, die da auch mit draufgucken aber Hauptfall ist einfach oder Hauptanliegen ist eine spannende, unterhaltsame Geschichte zu finden wo man dann auch häufig einfach ein sehr allgemeingültiges oder auch sehr interessantes Thema rein verpacken kann.

RB: Wie genau ist das alles vorher geplant? Stehen denn, Herr Hold, die Urteile schon vorher fest?

AH: Also 'n Jurist ist natürlich zuerst mal furchtbar vorsichtig. Das aller erste was ich mir in meinen Vertrag hab schreiben lassen, dass ich völlig frei bin in meinem Urteil und dass ich immer die Gelegenheit bekomm dieses Urteil erst nach Ende der Beweisaufnahme, nach dem letzten Wort des Angeklagten mir überhaupt im Kopf zurecht zu legen. Also das Urteil wird wirklich erst, wenn alles andere passiert und im Kasten ist, von mir gefällt.

RB: Man weiß ja nicht was die Komparsen so alles entwickeln an Fantasien....

BS: Ja, und die haben eine super Fantasie zum Teil. Also wenn sie wirklich nicht verurteilt werden wollen, isses 'n bisschen knapp, dann lassen die sich Sachen einfallen.... Ich bin ja gut in Ausreden anhören und erfinden zum Teil auch, aber die toppen das noch, und dann denk' ich "also nein, bei dieser Lage"...

RH: Das sind auch ganz andere Typen als man gedacht hat. Schriftlich sieht das ganz anders aus, als es in echt ist.

RB: Ja aber trotzdem, das muss man erst mal kapieren, ne. Also die Komparsen, die spielen Ihnen da was vor. Die haben kein festes Drehbuch. Man sagt dann, ihr könnt es in die Richtung spielen oder in die andere Richtung und dann fällen Sie das Urteil.

AH: Die kriegen schon gesagt in welche Richtung sie ungefähr spielen sollen, aber.....

RH: .... sie tun's aber nicht....

AH: ..... manchen fällt während der Aufzeichnung ein "hoppala, da steh' ich ja am Ende gar nicht gut da" und dann kriegen die letzten Endes noch die Kurve und vor allem was wichtig ist, die Nuancen sind ja oft noch sehr sehr wichtig. Sind oft schon von der rechtlichen Würdigung wichtig aber auch wie ich jetzt 'n Menschen beurteile, seine persönliche Schuld. Und da stellt man sich nach Aktenlage - das ist ja im richtigen Leben genauso - da stellt man......

RB: Geben Sie mal ein Beispiel, damit wir das verstehen. Ein schönes absurdes Beispiel wo Sie sagen "da ging die ganze Geschichte in eine völlig andere Richtung, da hat der Komparse uns großartig einen vorgespielt".

AH: Also wir hatten zum Beispiel mal 'n Fall gedreht, eigentlich 'n komplizierter Fall, da soll in der Bundeswehrkaserne jemand 'n Soldat in 'nen Spind gesperrt haben und den Spind aus dem Fenster geworfen haben....

RB: Oh wie fies..... wie fies.....

AH: ....das war real so passiert, ja......

RB: Jetzt weiß ich, warum ich nie zur Bundeswehr gegangen bin.

AH: ..... real so passiert und der hatte natürlich sehr schwere Verletzungen, der da unten lag.

FE: Aber glauben tut uns das natürlich wieder keiner, das ist Fernsehen....

AH: Dann kamen verschiedene andere Soldaten in Betracht und der Angeklagte - das wussten wir natürlich nicht nach Aktenlage - der war groß und stark, ein richtiger Bär, man konnte sich das sofort vorstellen und dann kam....

RB: .... dass der so 'n Spind heben kann mit so 'nem Kerl da drin...

AH: .... und aus'm Fenster raus wirft, ja. Und plötzlich, das hatten wir überhaupt nicht berücksichtigt, haben die den Verdacht auf 'n Dritten gelenkt. Und dieser dritte Soldat war so 'n richtiger kleiner Schmächtiger wo alle gesagt haben "neee, der kann's nicht gewesen sein, also das ist 'ne ganz ganz dumme Ausrede". Und dann, irgendwann im Laufe der Verhandlung, kam ich auf die Idee - was nicht geplant war - ich hab' noch mal 'ne andere Soldatin als Zeugin noch mal nach vorn geholt und hab sie dann ausgefragt, hab ihr dann Fragen gestellt auf die sie nie gefasst war, ähm und am Ende konnte die Geschichte dann auch so gewesen sein, dass jemand diesen Spind ans Fenster geschoben hat, den dann einfach über die Fensterkante gekippt hat und dann einfach so hinunter warf. Damit konnt's auch der kleine Schmächtige sein und dann wurde der Andere....

RB: .... Schleifspuren. Da muss man dann ermitteln..... Schleifspuren.....

AH: .... ja, ja, die Schleifspuren, die waren tatsächlich da.....

RB: Welches Urteil haben Sie denn gefällt? Wer war denn der Schuldige nachher?

AH: Ich hab' im Zweifel für den Angeklagten ihn freigesprochen. Die Redaktion hat's gar nicht so schön gefunden, weil Zweifel natürlich ungern bleiben. Aber das ist ja auch was Schönes, dass wir Vorurteilen und Vorverurteilungen da eigentlich entgegenarbeiten, weil der Zuschauer immer damit rechnen muss, es kommt doch ganz anders und Unschuldsvermutung spielt dann doch im Rechtsstaat 'ne große Rolle!





































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