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BS: Äähhh, nein wir
hätten schon lang wieder Platz genommen. Wenn das Gericht
reinkommt steht alles auf und dann nimmt man Platz.
RB: Also kein
Formfehler.
BS: Nein, noch nicht.
RB: Jetzt müssen
wir mal die Zuständigkeiten erklären. Frau Salesch Sie
sind die frist Lady, Sie sind die Chefin hier an diesem
Tisch. Wer ist für was zuständig?
BS: Also jetzt seit
5 Jahren, seit diesem großen Erfolg ist es das Strafrecht
und ich hab' diese Strafkammer meistens als Schwurgericht.
Angefangen hab' ich aber ein Jahr früher mit Zivilrecht,
mit einem eigenen Schiedsgericht.
RB: Oh da erinnern
wir uns aber dran. Da gab's einen Fall der war sehr berühmt.
Der Maschendrahtzaun. Wie hieß die....
BS: Ja, ja... 3 Wochen
waren wir auf Sendung und dann so was.
RB: Das war
Regine Zindler. Und der Erbsenstrauch, der....
BS: Knallerbsenstrauch!!
RB: Knallerbsenstrauch...
BS: Ja bitte, Knallerbsenstrauch,
der ist im Maschendraht....
RB: Mhmh, das
war damals im Vogtland und das war ein berühmter Fall,
d.h. damals da haben Sie noch real verhandelt; es waren
wirkliche Fälle.
BS: Ja, das war ein
echter Maschendrahtzaun.
RB: Warum machen
Sie das heute nicht mehr?
BS: Weil Zivilrecht
keinen interessiert. Jedenfalls die Herausgabe des...
RB: Wir haben
aber gelacht..... es war ein riesen Spaß!
BS: .... ja, das
schon, aber nur einmal, das reicht aber halt nicht für
'ne tägliche Sendung. Wir haben's ja ein Jahr gemacht,
aber irgendwann war dem Zuschauer klar, dass wenn ich einen
Schrank kaufe der beschädigt ist dass er bezahlt werden
muss, dass er repariert werden muss.... es wiederholte
sich alles. Und mit echten Menschen kann man ja gar nicht
so viel Spaß machen. Da muss ich ja auch immer die Menschen
schützen, das sind ja ganz ganz andere, sehr viel ruhigere
Fälle. Tja, und das hat keinen interessiert. Über 10% sind
wir nicht rausgekommen und damit kam der Anruf: nach den
Sommerferien, wir stellen um auf Strafrecht. Ich hab' nicht
dran geglaubt, weil ich nun Strafkammervorsitzende bin
in Hamburg, das kriegen wir in dieser Zeit nie vernünftig
fertig. Gisela Marx war überzeugt - in der Zwischenzeit
bin ich's auch.
RB: Ähm Herr
Engeland wie ist das, gibt es eine Redaktion die diese
Fälle entwickelt, niederschreibt, ein richtiges Drehbuch
zu Papier bringt? Wie läuft das ab?
FE: Ja, natürlich
haben wir eine Redaktion, die Fallideen sucht, die sich
Konstellationen ausdenkt "was könnte spannend sein".
Dann haben wir - bei uns zumindest - noch eine Psychologin
mit im Team, weil wir haben häufig.... wir haben Krankheitsbilder,
wir haben immer die Frage: verhält sich jemand wirklich
so? Ist das realistisch? Weil wir im Familiengericht natürlich
oder ich arbeite auch sehr sehr viel mit Kindern, mit Problematiken
die Jugendliche betreffen. Ist das typisch? Kann das wirklich
sein? Dann haben wir natürlich auch Juristen in der Redaktion,
die da auch mit draufgucken aber Hauptfall ist einfach
oder Hauptanliegen ist eine spannende, unterhaltsame Geschichte
zu finden wo man dann auch häufig einfach ein sehr allgemeingültiges
oder auch sehr interessantes Thema rein verpacken kann.
RB: Wie genau
ist das alles vorher geplant? Stehen denn, Herr Hold, die
Urteile schon vorher fest?
AH: Also 'n
Jurist ist natürlich zuerst mal furchtbar vorsichtig. Das
aller erste was ich mir in meinen Vertrag hab schreiben
lassen, dass ich völlig frei bin in meinem Urteil und dass
ich immer die Gelegenheit bekomm dieses Urteil erst nach
Ende der Beweisaufnahme, nach dem letzten Wort des Angeklagten
mir überhaupt im Kopf zurecht zu legen. Also das Urteil
wird wirklich erst, wenn alles andere passiert und im Kasten
ist, von mir gefällt.
RB: Man weiß
ja nicht was die Komparsen so alles entwickeln an Fantasien....
BS: Ja, und die
haben eine super Fantasie zum Teil. Also wenn sie wirklich
nicht verurteilt werden wollen, isses 'n bisschen knapp,
dann lassen die sich Sachen einfallen.... Ich bin ja gut
in Ausreden anhören und erfinden zum Teil auch, aber die
toppen das noch, und dann denk' ich "also nein, bei
dieser Lage"...
RH: Das sind
auch ganz andere Typen als man gedacht hat. Schriftlich
sieht das ganz anders aus, als es in echt ist.
RB: Ja aber
trotzdem, das muss man erst mal kapieren, ne. Also die
Komparsen, die spielen Ihnen da was vor. Die haben kein
festes Drehbuch. Man sagt dann, ihr könnt es in die Richtung
spielen oder in die andere Richtung und dann fällen Sie
das Urteil.
AH: Die kriegen
schon gesagt in welche Richtung sie ungefähr spielen sollen,
aber.....
RH: .... sie
tun's aber nicht....
AH: ..... manchen
fällt während der Aufzeichnung ein "hoppala, da steh'
ich ja am Ende gar nicht gut da" und dann kriegen
die letzten Endes noch die Kurve und vor allem was wichtig
ist, die Nuancen sind ja oft noch sehr sehr wichtig. Sind
oft schon von der rechtlichen Würdigung wichtig aber auch
wie ich jetzt 'n Menschen beurteile, seine persönliche
Schuld. Und da stellt man sich nach Aktenlage - das ist
ja im richtigen Leben genauso - da stellt man......
RB: Geben Sie
mal ein Beispiel, damit wir das verstehen. Ein schönes
absurdes Beispiel wo Sie sagen "da ging die ganze
Geschichte in eine völlig andere Richtung, da hat der Komparse
uns großartig einen vorgespielt".
AH: Also wir
hatten zum Beispiel mal 'n Fall gedreht, eigentlich 'n
komplizierter Fall, da soll in der Bundeswehrkaserne jemand
'n Soldat in 'nen Spind gesperrt haben und den Spind aus
dem Fenster geworfen haben....
RB: Oh wie fies.....
wie fies.....
AH: ....das
war real so passiert, ja......
RB: Jetzt weiß
ich, warum ich nie zur Bundeswehr gegangen bin.
AH: ..... real
so passiert und der hatte natürlich sehr schwere Verletzungen,
der da unten lag.
FE: Aber glauben
tut uns das natürlich wieder keiner, das ist Fernsehen....
AH: Dann kamen
verschiedene andere Soldaten in Betracht und der Angeklagte
- das wussten wir natürlich nicht nach Aktenlage - der
war groß und stark, ein richtiger Bär, man konnte sich
das sofort vorstellen und dann kam....
RB: .... dass
der so 'n Spind heben kann mit so 'nem Kerl da drin...
AH: .... und
aus'm Fenster raus wirft, ja. Und plötzlich, das hatten
wir überhaupt nicht berücksichtigt, haben die den Verdacht
auf 'n Dritten gelenkt. Und dieser dritte Soldat war so
'n richtiger kleiner Schmächtiger wo alle gesagt haben
"neee, der kann's nicht gewesen sein, also das ist
'ne ganz ganz dumme Ausrede". Und dann, irgendwann
im Laufe der Verhandlung, kam ich auf die Idee - was nicht
geplant war - ich hab' noch mal 'ne andere Soldatin als
Zeugin noch mal nach vorn geholt und hab sie dann ausgefragt,
hab ihr dann Fragen gestellt auf die sie nie gefasst war,
ähm und am Ende konnte die Geschichte dann auch so gewesen
sein, dass jemand diesen Spind ans Fenster geschoben hat,
den dann einfach über die Fensterkante gekippt hat und
dann einfach so hinunter warf. Damit konnt's auch der kleine
Schmächtige sein und dann wurde der Andere....
RB: .... Schleifspuren.
Da muss man dann ermitteln..... Schleifspuren.....
AH: .... ja,
ja, die Schleifspuren, die waren tatsächlich da.....
RB: Welches
Urteil haben Sie denn gefällt? Wer war denn der Schuldige
nachher?
AH: Ich hab'
im Zweifel für den Angeklagten ihn freigesprochen. Die
Redaktion hat's gar nicht so schön gefunden, weil Zweifel
natürlich ungern bleiben. Aber das ist ja auch was Schönes,
dass wir Vorurteilen und Vorverurteilungen da eigentlich
entgegenarbeiten, weil der Zuschauer immer damit rechnen
muss, es kommt doch ganz anders und Unschuldsvermutung
spielt dann doch im Rechtsstaat 'ne große Rolle! |
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