Frank
Seelhoff: Zeugin Elena Manowska bitte.
RAH: Nehmen Sie bitte Platz hier. Frau Manowska, zunächst
muß ich Sie belehren, Sie müssen hier als Zeugin die Wahrheit
sagen, sie könnten auch
vereidigt werden.
Zeugin Manowska: Ja.
RAH: Ja. Zunächst mal zu Ihren Personalien: Sie heißen
Elena mit Vornamen, 22 Jahre alt, Sie leben in Potsdam,
sind Krankenschwester von Beruf?
Zeugin Manowska: Ja.
RAH: Und mit der Angeklagte nicht verwandt oder verschwägert?
Zeugin Manowska: Nein.
RAH:
Frau Manowska, Sie haben ja damals im Tiergarten an dem
10. Mai 2001 die Saskia Vossler gefunden.
Zeugin Manowska: Ja. Es war schrecklich. Dieses Bild werde
ich nie vergessen. Ich war wie immer vor der Nachtschicht
im Tiergarten joggen. Da hörte ich plötzlich einen lauten
Schrei. Ich lief weiter und da lag diese Frau. Ich drehte
sie um und in ihrer Brust steckte ein Messer. Da hörte
ich meinen eigenen Schrei, denn es war so, als würde ich
in mein Spiegelbild schauen.
RAH: Haben Sie denn den Täter noch gesehen?
Zeugin Manowska: Ich habe einen Mann in der Ferne weglaufen
sehen.
RAH: Frau Manowska, Sie waren zum Tatzeitpunkt schwanger
von Herrn Dr. Stuckmann?
Zeugin Manowska: Ja sicher.
RAH: Haben Sie ihm das erzählt?
Zeugin Manowska: Natürlich, Ich hatte erwartet, er würde
sich wahnsinnig freuen. Aber als er mir gegenüber saß und
ich ihm davon erzählte, war er
ganz anders. Er ging zum Schreibtisch, drückte mir eine
Telefonnummer in die Hand und sagte nur: "Der macht
das Dir weg!"
Wie ein Arzt einem kranken Patienten ein Rezept in die
Hand drückt. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich wollte
das Kind bekommen.
Verteidiger: Und? Kam's dann zum Streit?
Zeugin Manowska: Ja. Es war furchtbar. So jähzornig hatte
ich ihn noch nie erlebt. Er schlug mich sogar.
RAH: Wann war das genau?
Zeugin Manowska: Etwa zwei Wochen vor dieser Tat. Er hat
mich dann in jeder freien Minuten, die wir miteinander
hatten, weiter bedrängt. Es war die
Hölle.
Verteidiger: Warum haben Sie dann doch abgetrieben?
Zeugin Manowska: Nach dieser Tat konnte ich einfach nicht
mehr. Es war doch unser Baby. Ich wußte nicht mehr ein
noch aus. Für mich war es vorbei. Alles
war mir fremd.
RAH: Mal was ganz anderes. Der Täter hat sich ja auf einem
Zettel einen bestimmten Punkt im Tiergarten notiert: Großer
Weg zwischen Bassernerie
Allee und Hofjäger Allee. Haben Sie eigentlich nur an diesem
Tag dort gejoggt?
Zeugin Manowska: Nein, das ist genau die Stelle, auf der
ich seit über einem Jahr jeden Abend jogge. Immer zur gleichen
Uhrzeit.
Staatsanwalt: Hat Ihnen Herr Dr. Stuckmann jemals versprochen,
sich Ihnen zuliebe jemals von seiner Frau zu trennen?
Zeugin Manowska: Ja. Michael und ich haben uns geliebt.
Ein halbes Jahr vor diesem Mord hat er zu mir gesagt, er
werde bald die Scheidung einreichen.
Für mich klang es so, als würde er mit mir ein neues Leben
anfangen. In Wirklichkeit hat er das wohl nie ernsthaft
gewollt.
Staatsanwalt: Herr Dr. Stuckmann hat während seiner polizeilichen
Vernehmungen u. a. angegeben, dass es für seine Ehefrau
ein soziales und
finanzielles Desaster gewesen wäre, sollte er sich je von
ihr trennen. Hat Herr Dr. Stuckmann mit Ihnen über diese
Thematik gesprochen?
Zeugin Manowska: Ja, das war ja der Grund, warum er sich
angeblich so lange nicht von ihr trennen konnte. Er hat
mir erzählt, sie würde durchdrehen,
wenn er sich von ihr trennt.
Staatsanwalt: Durchdrehen!
Zeugin Manowska: Sie konnte nicht ohne ihn leben.
Staatsanwalt: Heißt das, dass Herr Dr. Stuckmann Ihnen
gegenüber geäußert hat, dass er seine Ehefrau für den Fall
der Trennung praktisch zu allem
fähig hält?
Zeugin Manowska: Ja.
Angeklagte: Aber das stimmt doch gar nicht. Natürlich bin
ich durchgedreht, als ich von Ihrer Affäre erfahren habe.
Ja, aber was glauben Sie denn? In
diesem Augenblick zerbrach eine 15jährige Beziehung. Aber
deshalb lass ich doch nicht so ein junges Ding ermorden,
das sich mit meinem Mann
herumtreibt. Also bitte, Herr Staatsanwalt.
RAH: Ich hätt 'ne ganz andre Frage: Hatten Sie sonst noch
irgendwelche Feinde? Oder gab's Menschen, die Ihnen potentiell
nach dem Leben trachten
könnten?
Zeugin Manowska: Nein.
RAH: Sonst noch Fragen? Unserseits, Ihrerseits keine. Es
wird auf Vereidigung verzichtet nehme ich an, dann bleibt
die Zeugin nach 61 Ziff. 5
StOP unbeeidigt. Wenn Sie bitte hinten Platz nehmen würden.
Herr Seelhoff, den Herrn Dr. Stuckmann bitte.
Frank Seelhoff: Der Zeuge Dr. Stuckmann bitte.
RAH:
Herr Dr. Stuckmann, bitte. Ja, nehmen Sie Platz.
Zeuge Dr. Stuckmann: Danke.
RAH: Herr Dr. Stuckmann, Sie sind ja der Ehemann der Angeklagten.
Als Ehemann haben Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht, das
heißt, Sie müssen hier gar nicht aussagen, und wenn Sie
sich entschließen auszusagen, dann muß es
wie bei jedem anderen Zeugen auch die Wahrheit sein. Und
Sie könnten auch vereidigt werden.
Zeuge Dr. Stuckmann: Ich sage aus.
RAH: Sie sagen aus. Dann mal zunächst zu Ihren Personalien:
Herr Dr. Stuckmann, Sie heißen Michael mit Vornamen?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja.
RAH:
48 Jahre alt, Sie leben in Berlin?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja.
RAH: Was sind Sie von Beruf?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ich bin Chefarzt der Chirurgie am
Sankt Florian Krankenhaus in Berlin.
RAH: Und Sie wissen natürlich, was Ihrer Frau hier vorgeworfen
wird?
Zeuge
Dr. Stuckmann: Der Sachverhalt ist mir bekannt, ja.
RAH: Hatten Sie ein Verhältnis mit Frau Manowska?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja! Ja, ja.
RAH: Wie lange?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ca. ein Jahr lang.
Staatsanwalt: Wie würden Sie denn Ihre Beziehung zu Elena
Manowska beschreiben?
Zeuge Dr. Stuckmann: Nun, wie soll ich sagen? Es war, es
war sehr schön mit ihr zusammen zu sein. Ganz einfach.
Ich glaube, Elena hat mich geliebt.
Deswegen wollte ich mich auch von meiner Frau trennen und
die Scheidung.
Verteidiger: Tja, nur also, sooo ernst kann dieses Vorhaben
ja nicht gewesen sein. Herr Dr. Stuckmann, Frau Manowska
hat uns erzählt, dass Sie ihr
bereits die Trennung im Februar des Jahres 2001 versprochen
haben. Sie haben sich noch gehörig Zeit gelassen, oder?
Zeuge
Dr. Stuckmann: Ich verstehe, dass Ihnen das fragwürdig
erscheint, aber so eine Scheidung muß auch sauber vorbereitet
werden.
Verteidiger: Das glaube ich Ihnen.
Zeuge Dr. Stuckmann: Innerhalb von 15 Ehejahren geht das
doch um recht viel Geld, nicht wahr? Deshalb hab mich auch
Anfang April 2001 mit meinem Notar zusammen gesetzt, um
noch mal die Rechtslage bezüglich unseres Ehevertrages
zu klären.
Richter Lenhardt: Herr Stuckmann, wußte die Angeklagte
von Ihren Trennungsabsichten?
Zeuge
Dr. Stuckmann: Nein, meiner Frau habe ich von diesen Plänen
natürlich nichts gesagt. Ich wußte ja, wie sie reagieren
würde. Wenn sie mich
verliert, steht schließlich ihre Existenz auf dem Spiel.
Sie mußte wohl irgendwie von Elena erfahren haben. Im Übrigen
hat sie auch den Brief von
meinem Notar abgefangen, infolge dessen ist es am 10. April
zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen, das heißt,
sie hat mir eine riesen
Szene gemacht.
RAH: Riesen Szene, wie müssen wir uns das vorstellen?
Zeuge Dr. Stuckmann: Tja, sie wollte einfach nicht akzeptieren,
dass ich mich in eine andere verliebt habe. Sie schrie
herum, sie will doch bloß Dein
Geld und darum will sie Dir jetzt auch noch ein Kind unterschieben
und so weiter und so weiter. Sie hat überhaupt nicht verstanden,
dass ich nicht
mehr mit ihr zusammen sein wollte, sondern mit Elena.
RAH: Sie haben eben grade den Brief Ihres Notar erwähnt,
der datiert vom 09.
April 2001, uns liegt ja hier 'ne Zweitschrift vor, die
Sie uns zur Verfügung gestellt haben und auch den Ehevertrag
haben Sie erwähnt. Dieser
Ehevertrag, der ist ja so abgefaßt, dass Ihre Frau im Falle
einer Scheidung, ich würd' mal vorsichtig formulieren,
'ne Relation zu ihrem üblichen
Lebensstandard nicht gerade großzügigen Unterhalt bekommen
hätte. Und auch der Zugewinnausgleich ist ausgeschlossen,
das heißt, alles was so im Laufe
der Ehe dazu kam: Haus und solche Sachen, davon hätte Ihre
Frau nichts bekommen.
Zeuge Dr. Stuckmann: Ganz klar, sie hätte nicht viel bekommen.
RAH: Frau Stuckmann, kennen Sie diesen Notarbrief?
Angeklagte: Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich seh da
nichts.
RAH: Ja, dann komm Sie mal her und schau'n sich an.
Angeklagte:
Nee, den hab ich noch nie geseh'n.
Zeuge Dr. Stuckmann: Das stimmt nicht.
RAH: Ja, nehm Sie wieder Platz, bitte.
Zeuge Dr. Stuckmann: Du hast ihn mir doch damals vor die
Nase gehalten und... und... und herumgefuchtelt wie eine
wilde herum geschrien. Das ist doch alles nicht zu fassen.
Angeklagte: Jetzt lüg doch nicht.
Staatsanwalt: Herr Stuckmann, hat sie Ihnen irgend etwas
angedroht wenn Sie sie verlassen?
Zeuge Dr. Stuckmann: Nichts konkretes. Sie hat nur gesagt,
sie hat nur gesagt, dass sie alles tun würde, damit ich
bei ihr bleibe.
Staatsanwalt: Alles!
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja, alles.
Staatsanwalt: Hat sie irgend etwas angedeutet, was darauf
schließen läßt, dass sie sogar einen Mord begehen würde?
Zeuge Dr. Stuckmann: Sie hat nicht gesagt, die bring ich
um. Aber es passt zu ihr, dass sie jemand beauftragt, der
das für sie erledigt. Soll ich Ihnen
was sagen? Meine Frau geht über Leichen, macht sich aber
selbst die Finger nicht schmutzig. Das passt zu ihr.
Angeklagte: Michael, wie kannst Du so etwas sagen? Du weißt
doch, dass ich so etwas nie tun würde.
Zeuge Dr. Stuckmann: Für Dich bitte, Herr Doktor Stuckmann!
Verteidiger:
Herr Doktor Stuckmann ...
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja bitte ...
Verteidiger:... wußten Sie, dass Frau Manowska zum Tatzeitpunkt
von Ihnen
Schwanger war?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja, das wußte ich, natürlich.
Verteidiger: Ja?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja. Allerdings war uns, war uns auch
völlig klar, das wir das Kind nicht bekommen würden.
Verteidiger:
Das hat uns Frau Manowska aber ganz anders gesagt. Frau
Manowska hat uns beschrieben, dass Sie eine fürchterlich
Szene gemacht
haben, weil Sie das Kind nämlich nicht wollten.
Zeuge Dr. Stuckmann: Das stimmt nicht.
Verteidiger: Das stimmt nicht?
Zeuge Dr. Stuckmann: Nein.
Verteidiger: Auf der einen Seite erzählen Sie uns hier,
dass Sie Frau Manowska geliebt haben und auf der anderen
Seite wollen Sie kein Kind von
ihr. Und das ist genau der Punkt. Frau Manowska wollte
mit Ihnen gemeinsam ein Kind und damit wurde Frau Manowska
für Sie zu einem Problem. Der, dessen Sie sich entledigen
mußten. Herr Dr. Stuckmann, wo waren Sie zwischen 17.30
Uhr und 18.30 Uhr am Tattag?
Zeuge Dr. Stuckmann: Da habe ich meine Pause verbracht.
Verteidiger: Und wo haben Sie die verbracht?
Zeuge Dr. Stuckmann: Im Büro.
Verteidiger: Und niemand hat Sie geseh'n!
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja und?
Verteidiger: Und? Dann hätten Sie also völlig unbemerkt
in den Tiergarten gehen können und dort wohl beobachten
können oder prüfen können, ob der
Täter, den von Ihnen in Auftrag gegebenen Mord ordnungsgemäß
durchführt.
Zeuge Dr. Stuckmann: Ich bitte Sie! Gesetzt den Fall, Herr
Verteidiger, würden Sie mir bitte freundlicher Weise erklären,
warum ich so was
schwachsinniges tun sollte? Mich dort in die Büsche setze
und ... nein, nein, das ist doch absurd. Ich habe damit
nichts zu tun.
Angeklagte: Jetzt lüg doch nicht. Erst hast Du diese junge
Frau ausgenutzt, und wenn sie zum Problem wird, willst
Du sie aus dem Weg schaffen und mir
und mir schiebst Du jetzt einen eiskalten Auftragsmord
in die Schuhe.
Zeuge Dr. Stuckmann: Gnädige Frau, Sie sind hier angeklagt
und zwar aus guten Grund. Du konntest es einfach nicht
ertragen, dass ich Dich wegen
einer Jüngeren verlassen würde.
Angeklagte: Das ist doch quatsch.
Zeuge Dr. Stuckmann: Natürlich.
Angeklagte: Ich könnte nie einen Menschen töten, das weißt
Du doch genauso gut wie ich.
Zeuge Dr. Stuckmann: Na, das ham ja auch andere für Dich
getan.
Verteidiger: Herr Dr. Stuckmann ...
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja.
Verteidiger:... haben Sie jemals mit dem Journalisten Rüder
über die russische Mafia gesprochen und sich dort über
Auftragsmorde erkundigt?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja, aber nur so am Rande. Meine Frau,
meine Frau hat sich brennend dafür interessiert. Ich fand
das damals schon ...naja, wie
soll ich sagen, auffällig. Das war schon wirklich auffällig.
|
Ja,
fehlt uns eigentlich nur noch der Herr Rüder. Herr Seelhoff
schau'n Sie doch bitte
mal, ob's die Polizeibeamten schon geschafft haben, ihn
herzubringen.
Frank Seelhoff: Den Zeugen Rüder bitte vorführen.
RAH:
Herr Rüder, so endet's, wenn man nicht freiwillig vor Gericht
kommt. Dann holt Sie eben die Polizei.
Zeuge Rüder: Ja, Sie zwingen mich, hier zu erscheinen.
Was das bedeutet, das ist Ihnen offensichtlich scheißegal.
RAH: Mag sein, dass Sie als Journalist ein Zeugnisverweigerungsrecht
haben...
Zeuge Rüder: Darum geht's nicht.
RAH: Sondern?
Zeuge Rüder: Allein die Tatsache, dass ich hier bin, kostet
mich wahrscheinlich den Kopf.
RAH: Warten Sie erst mal ab, ja? Jetzt muß ich Sie belehren,
dass Sie als Zeuge die Wahrheit sagen müssen, sie können
auch vereidigt werden.
Zeuge Rüder: Ja.
RAH: Ja? Mal zu Ihren Personalien zunächst: Sie heißen
Stefan Rüder, 34 Jahre alt, sie wohnen in Berlin...
Zeuge Rüder: Ja. Es fragt sich nur, wie lange noch.
RAH: Von Beruf?
Zeuge Rüder: Ich arbeite als freier Journalist für verschiedene
Berliner Tageszeitungen.
RAH: Mit der Angeklagten verwandt oder verschwägert?
Zeuge Rüder: Nein.
RAH: Nein. Aber Sie wissen natürlich, was der Angeklagten
hier vorgeworfen wird?
Zeuge Rüder: Jaaa, klar ... und ich bin auch nicht ganz
unschuldig, dass...
Es war ein riesen Fehler, dass ich den Stuckmann's von
meiner Reportage über Auftragsmörder erzählt habe.
RAH: Was ham 'se denn den beiden erzählt?
Zeuge Rüder: Im Frühjahr 2001 hab ich im Umfeld der berliner
Russenmafia recherchiert und eine Reportage über das Anheuern
von Auftragsmördern in
Zusammenhang mit Schutzgelderpressung geschrieben. Die
kommen für so'n Job über die Grenze, erledigen ihn und
sind dann ein paar Stunden später wieder über alle Berge.
Staatsanwalt: Ja, und von diesen Killern haben Sie der
Angeklagten und ihrem Ehemann bei einem Abendessen erzählt?
Zeuge Rüder: Ja, leider auch ziemlich detailliert. Ich
habe Ihnen erklärt, wie diese Killer engagiert werden,
dass das über Mittelsmänner der Mafia
läuft, wo sich diese Leute treffen, wieviel das kostet
und im Grunde alles, was ich bis dahin wußte.
Staatsanwalt: Und wann war denn dieses Abendessen?
Zeuge Rüder: Freitag, der 13. April 2001. Aber bitte, dass
Sie mich richtig verstehen, ich hab mit den Stuckmann's
des öfteren über meine Arbeit
gesprochen Es ist auch nix verkehrtes. Ich hatte auch immer
das sichere Gefühl, dass das bei denen in guten Händen
ist und ...
Verteidiger: Noch mal Herr Rüder, Sie haben also beiden
Stuckmann's von den russischen Killern erzählt bei diesem
Abendessen?
Zeuge Rüder: Ja, ja! Wir saßen zu dritt am Tisch. Aber
Frau Stuckmann hat mich drei Tage später nach diesem Essen
noch mal angerufen und mich
detailliert über meine Reportage ausgequetscht, wollte
Sie dann alles ganz genau wissen und meinte noch, sie kann's
gar nicht erwarten, bis dieser
Artikel in der Zeitung erscheint.
Verteidiger: Aber auch Herr Stuckmann hätte sich Ihre Information
zunutze machen können, um einen Auftragskiller für seine
schwangere Geliebte
beizubringen?
Zeuge Rüder: Gott, also ich weiß mir jetzt wirklich nicht
anders zu beurteilen, ich meine, ich weiß, dass ich's beiden
erzählt habe, aber was micht geschockte hatte war, dass
mich dann vier Monate nach diesem Essen ein Kontaktmann
von der Russenmafia anrief und der hat mich dann übelst
bedroht. Der meinte, ich hätte niemanden etwas erzählen
dürfen, ich hätte mich ganz schön in die Scheiße geritten,
dass ich diese Frau an sie vermittelt hätte,
die würde jetzt noch nicht mal zahlen und du weißt, was
das für Dich bedeutet und klick - Ende. Und seit dem hab
ich panische Angst.
RAH: Sie sagten grad: Frau an Sie vermittelt? Ich belehr
Sie vorsichtshalber nach § 55 StPO
Sie müssen hier auf Fragen keine Antwort geben, wenn Sie
sich vielleicht sogar selbst einer Straftat bezichtigen
müssen. Verstanden? Ähm, sind Sie
ganz sicher, dass der Anrufer gesagt hatte "Frau"?
Zeuge Rüder: Ja. Er hat sie sogar noch beschrieben: Blond,
gutaussehende Dame, Anfang 40.
Staatsanwalt: Herr Rüder, wie kann ich mir überhaupt vorstellen,
was es heißt, sie hätten die Dame an die Mafia vermittelt?
Zeuge Rüder: Hab ich nicht. Ich hab lediglich erzählt,
wie diese Leute engagiert werden, wo die sich treffen.
Mein Gott, mehr nich.
Staatsanwalt: Und wo sie sich treffen?
Zeuge Rüder: Ja.
RAH: Wer ist denn dieser ominöse Jemand von der Russenmafia,
der Sie seit letzten Sommer anruft?
Zeuge Rüder: Keine Ahnung. Das ist ja das Schlimme, wenn
ich das wüßte, dann würde ich ihn anzeigen.
Staatsanwalt: Herr Rüder, gibt es eigentlich einen Hinweis
darauf, dass die Dame, die vermittelt sein soll, die Angeklagte
ist?
Zeuge Rüder: Vorgestern, da standen zwei maskierte bullige
Typen vor meiner Tür. War'n Russen. Die haben fast die
Tür eingetreten. Dann ham die mir 'ne
Zeitung unter die Nase gehalten und 'nen Vorbericht über
diesen Fall und ein Bild von Frau Stuckmann. Und die haben
gesagt: "Das ist die Frau, die
schuldet uns Geld. Sorg' dafür, dass sie zahlt."
Angeklagte: (springt auf) Sag mal, spinnst Du oder was?
Du steckst doch mit meinem Mann unter einer Decke.
Zeuge Rüder: Komm ...
Angeklagte: Wollt Ihr, dass ich in den Knast komme?
RAH: Gibt's Fragen noch? Unserseits, an den Zeugen? Verzicht
auf Vereidigung? Bleibt der Zeuge nach 61 2 StPO wegen
Verzichts unvereidigt.
Zeuge Rüder: Wer kümmert sich um mich?
RAH: Jetzt nehme 'se erst mal dahinten Platz bitte, ja?
Dann ergeht noch folgender rechtlicher Hinweis nach § 265
StPO: Es kommt auch in Betracht,
eine Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit versuchtem
Schwangerschaftsabbruch im besonders schweren Fall in unmittelbarer
Täterschaft §§ 211, 218 Abs. 2, 22, 23, 25 Abs. 1 und 26
Strafgesetzbuch.
Für
hier irgendwelche Erklärungen abzugeben, irgendwelche Anträge
noch? Wenn
nicht, dann schließe ich die Beweisaufnahme. Herr Staatsanwalt
Ihr Plädoyer bitte.
Staatsanwalt:
Hohes Schwurgericht, als die Angeklagte im April letzten
Jahres erfahren mußte von der Affäre ihres Ehemannes mit
Elena Manowska,
brach für sie eine Welt zusammen. In dieser verzweifelten
Situation nutzte sie die ihr vom Zeugen Rüder erteilten
Informationen und schmiedete einen
teuflischen Plan. Sie spionierte Elena Manowska nach, fotogra-fierte
sie und beauftragte schließlich den bislang unbekannten
Täter, der dann am 10. 05.
2001 aus dem Hinterhalt heraus, nach einer Verwechslung
nicht wie geplant Elena Manowska, sondern Saskia Vossler
tötete. Das der Täter hier sein Opfer verwechselt hatte,
oder vielleicht aus einen andern Motiv heraus, weil er
nicht erkannt werden wollte, töte, spielt für die rechtliche
Würdigung
keine Rolle. Die Angeklagte ist gleich wohl strafbar der
Anstiftung zum Mord, denn sie hatte von vorn herein darauf
abgesehen, mittels eines
Killers, einen anderen Menschen zu töten. Was ihr letztlich
auch gelungen ist. Ich beantrage daher gegen die Angeklagte
eine lebenslange
Freiheitsstrafe zu verhängen, Haftfortdauer anzuordnen
und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
RAH:
Danke, Herr Staatsanwalt. Herr Nebenklagevertreter, bitte.
Nebenklagevertreter:
Hohes Gericht, namens der Nebenklägerin schließen wir
uns den Anträgen als auch den Ausführungen der Staatsanwaltschaft
an.
Zusätzlich möchte ich jedoch beantragen, der Angeklagten
auch die Kosten der
Nebenklage aufzuerlegen. Dankeschön.
RAH:
Vielen Dank, Herr Rechtsanwalt. Herr Verteidiger, Ihr Plädoyer
bitte.
Verteidiger:
Hohes Gericht, sehr geehrter Herr Staatsanwalt, werter
Herr Nebenklägervertreter, nach den Ausführungen des Herrn
Staatsanwaltes will
ich mich einmal kritisch mit dem Ergebnis dieser Hauptverhandlung
auseinander setzen: Der Herr Staatsanwalt hat ein Indiz
genannt. Das Indiz
hat der Zeuge Rüder gegeben. Der Zeuge Rüder hat bestätigt,
dass meine Mandantin auf einem Foto wiedererkannt worden
ist. Genau dieses Motiv bzw.
Indiz ist aber auch ein Indiz gegen Herrn Dr. Stuckmann.
Denn es ist sehr gut möglich, dass der Herr Dr. Stuckmann
sich einer Mittelsfrau bedient hat
und mit dieser Mittelsfrau den Mord in Auftrag gegeben
hat. Und das ist der entscheidende Punkt: Die Mittelsfrau,
die Herr Dr. Stuckmann ausgewählt hat, hatte verblüffende
Ähnlichkeit mit meiner Mandantin. Es kann also auch Herr
Dr. Stuckmann gewesen sein. Es bleiben also Zweifel. Wenn
Zweifel bestehen, sticht der Grundsatz: in dubio pro reo.
Und deshalb ist meine Mandantin
freizusprechen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
RAH:
Danke, Herr Verteidiger. Frau Stuckmann, Sie können sich
selbst jetzt
noch verteidigen, Sie haben auch das letzte Wort bevor
ein Urteil gesprochen wird.
Angeklagte: Ich hab niemals einen Mörder beauftragt. Ich
weiß nur, dass dieser Prozeß meine Familie und mein Leben
zerstört hat.
RAH: Wir ziehen uns zur Urteilsberatung zurück.
Urteil:
Ich
verkünde im Namen des Volkes folgendes Urteil: Die Angeklagte
Julia Stuckmann ist schuldig der Anstiftung zu Mord in
Tateinheit mit versuchten Schwangerschaftsabbruch im besonders
schweren Fall. Sie wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe
von 13 Jahren verurteilt. Die Angeklagte trägt die Kosten
des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklage.
§§ 211 Abs. 1 und 2, 218 Abs. 2, 22, 23, 25, 26 Strafgesetzbuch.
Dann ergeht noch der Beschluss: Der Haftbefehl bleibt in
Vollzug.
Begründung:
Wir sind überzeugt, dass Frau Saskia Vossler einzig und
allein ihre Ähnlichkeit mit Frau Manowska zum Verhängnis
geworden ist. Es stellt
sich hier nur die Frage: Wer hat den Auftrag zum Mord an
Frau Manowska gegeben? Und wir, die Kammer, sind überzeugt,
dass Sie das waren. Es mag ja sein, dass Ihr Ehemann hier
auch einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen hat: Er
wurde als jähzornig, gewalttätig beschrieben, er hat kein
Alibi und er hat auch in einem Punkt nicht ganz die Wahrheit
gesagt, als er sagt hat, man sei sich einig gewesen, dass
das Kind nicht zur Welt kommen soll. Aber, er hat ja trotz
dieser ungeliebten Schwangerschaft eindeutig die Trennung
von Ihnen betrieben, wie der Notarbrief belegt. Dagegen
bei Ihnen, da haben wir einen ganzen Haufen hier: Zum ersten
schon der Ablauf des Telefonates, das bei der Telefonüberwachung
aufgezeichnet wurde. Ganz wichtiges Indiz, der Anrufer
sprach, als Sie sich mit Namen gemeldet hatten, Sie an
und sagte
Sie sollten bezahlen, weil sein Job gemacht war. Er hat
also mit Ihnen reden wollen. Und das wichtigste Indiz:
der Zeuge Rüder. Der hier ganz sicher nicht mit Ihrem Ehemann
unter einer Decke steht, dann hätt er sich nämlich nicht
so auf seine Aussage gefreut, dass man ihn sogar mit der
Polizei holen mußte. Der hat Ihnen beiden nicht gleich
viel erzählt, sondern weil Sie nachgebohrt haben, hat er
genau nur Ihnen die Details erzählt und später dann hat
er nicht nur 'nen Anruf bekommen von irgend 'nen Mittelsmann,
nein, es waren bei ihm vor der Tür sogar Geldeintreiber
der Russenmafia, die Ihr konterfei vors Gesicht gehalten
haben und zu ihm gesagt haben: "Von Ihnen bekommen
wir noch Geld." Und das deckt sich eben fatal mit
dem aufgezeichneten Telefonat.
Rechtlich
ist das Ganze etwas kompliziert:
Der Täter hat mit dem ersten Stich angesetzt, genau das
zu tun, was Sie beauftragt hatten, nämlich die Frau Manowska
zu ermorden. Dass er sich dabei
getäuscht hat, in der Person, das müssen Sie sich zurechnen
lassen. Aber bis dahin ist es ein versuchter Mord, der
Stich war nicht tief. Als er sein Irrtum bemerkt hat, der
Täter, da hat er ganz allein und neu entschieden, jetzt
die Frau Vossler umzubringen, weil sie ihn erkannt hatte.
Dazu hatten Sie ihn nicht angestiftet, das ist Ihnen weder
fahrlässig noch vorsätzlich zuzurechnen. Dieser Exzess
des Mörders trifft nur den Mörder allein. Da sind wir anderer
Meinung, die Kammer, als der Herr Staatsanwalt. Das heißt,
Sie werden nur für den ersten Stich und damit eben nur
für versuchten Mord bestraft. Außerdem wußten Sie natürlich,
dass die Frau Manowska schwanger war, und das eben bei
'ner Tötung eben auch ihr Kind im Mutterleib sterben würde.
Nach dem Gesetzt:
Freiheitsstrafe zwischen 3 Jahren und 15 Jahren. Unter
Berücksichtigung all dieser Umstände sind wir
der Ansicht, 13 Jahre Freiheitsstrafe ist hier angemessen.
Hiergegen können Sie innerhalb einer Woche Revision einlegen.
Schlussworte: Frau
Vossler, so sinnlos der Tot Ihrer Tochter war, vielleicht
ist das Ergebnis wenigstens ein bißchen Trost für Sie.
Die Sitzung ist geschlossen.
Verteidiger: (leise
zur Angeklagten): Ich werde für Sie Revision einlegen.
Wir besprechen in der Haftanstalt den Rest. Sie werden
jetzt abgeführt.
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