RAH Spezial

Die Tote im Park am 11. Juni 2002



Frank Seelhoff: Zeugin Elena Manowska bitte.
RAH: Nehmen Sie bitte Platz hier. Frau Manowska, zunächst muß ich Sie belehren, Sie müssen hier als Zeugin die Wahrheit sagen, sie könnten auch
vereidigt werden.
Zeugin Manowska: Ja.
RAH: Ja. Zunächst mal zu Ihren Personalien: Sie heißen Elena mit Vornamen, 22 Jahre alt, Sie leben in Potsdam, sind Krankenschwester von Beruf?
Zeugin Manowska: Ja.
RAH: Und mit der Angeklagte nicht verwandt oder verschwägert?
Zeugin Manowska: Nein.

RAH: Frau Manowska, Sie haben ja damals im Tiergarten an dem 10. Mai 2001 die Saskia Vossler gefunden.
Zeugin Manowska: Ja. Es war schrecklich. Dieses Bild werde ich nie vergessen. Ich war wie immer vor der Nachtschicht im Tiergarten joggen. Da hörte ich plötzlich einen lauten Schrei. Ich lief weiter und da lag diese Frau. Ich drehte sie um und in ihrer Brust steckte ein Messer. Da hörte ich meinen eigenen Schrei, denn es war so, als würde ich in mein Spiegelbild schauen.
RAH: Haben Sie denn den Täter noch gesehen?
Zeugin Manowska: Ich habe einen Mann in der Ferne weglaufen sehen.
RAH: Frau Manowska, Sie waren zum Tatzeitpunkt schwanger von Herrn Dr. Stuckmann?
Zeugin Manowska: Ja sicher.
RAH: Haben Sie ihm das erzählt?
Zeugin Manowska: Natürlich, Ich hatte erwartet, er würde sich wahnsinnig freuen. Aber als er mir gegenüber saß und ich ihm davon erzählte, war er
ganz anders. Er ging zum Schreibtisch, drückte mir eine Telefonnummer in die Hand und sagte nur: "Der macht das Dir weg!"
Wie ein Arzt einem kranken Patienten ein Rezept in die Hand drückt. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich wollte das Kind bekommen.
Verteidiger: Und? Kam's dann zum Streit?
Zeugin Manowska: Ja. Es war furchtbar. So jähzornig hatte ich ihn noch nie erlebt. Er schlug mich sogar.
RAH: Wann war das genau?
Zeugin Manowska: Etwa zwei Wochen vor dieser Tat. Er hat mich dann in jeder freien Minuten, die wir miteinander hatten, weiter bedrängt. Es war die
Hölle.
Verteidiger: Warum haben Sie dann doch abgetrieben?
Zeugin Manowska: Nach dieser Tat konnte ich einfach nicht mehr. Es war doch unser Baby. Ich wußte nicht mehr ein noch aus. Für mich war es vorbei. Alles
war mir fremd.
RAH: Mal was ganz anderes. Der Täter hat sich ja auf einem Zettel einen bestimmten Punkt im Tiergarten notiert: Großer Weg zwischen Bassernerie
Allee und Hofjäger Allee. Haben Sie eigentlich nur an diesem Tag dort gejoggt?
Zeugin Manowska: Nein, das ist genau die Stelle, auf der ich seit über einem Jahr jeden Abend jogge. Immer zur gleichen Uhrzeit.
Staatsanwalt: Hat Ihnen Herr Dr. Stuckmann jemals versprochen, sich Ihnen zuliebe jemals von seiner Frau zu trennen?
Zeugin Manowska: Ja. Michael und ich haben uns geliebt. Ein halbes Jahr vor diesem Mord hat er zu mir gesagt, er werde bald die Scheidung einreichen.
Für mich klang es so, als würde er mit mir ein neues Leben anfangen. In Wirklichkeit hat er das wohl nie ernsthaft gewollt.
Staatsanwalt: Herr Dr. Stuckmann hat während seiner polizeilichen Vernehmungen u. a. angegeben, dass es für seine Ehefrau ein soziales und
finanzielles Desaster gewesen wäre, sollte er sich je von ihr trennen. Hat Herr Dr. Stuckmann mit Ihnen über diese Thematik gesprochen?
Zeugin Manowska: Ja, das war ja der Grund, warum er sich angeblich so lange nicht von ihr trennen konnte. Er hat mir erzählt, sie würde durchdrehen,
wenn er sich von ihr trennt.
Staatsanwalt: Durchdrehen!
Zeugin Manowska: Sie konnte nicht ohne ihn leben.
Staatsanwalt: Heißt das, dass Herr Dr. Stuckmann Ihnen gegenüber geäußert hat, dass er seine Ehefrau für den Fall der Trennung praktisch zu allem
fähig hält?
Zeugin Manowska: Ja.
Angeklagte: Aber das stimmt doch gar nicht. Natürlich bin ich durchgedreht, als ich von Ihrer Affäre erfahren habe. Ja, aber was glauben Sie denn? In
diesem Augenblick zerbrach eine 15jährige Beziehung. Aber deshalb lass ich doch nicht so ein junges Ding ermorden, das sich mit meinem Mann
herumtreibt. Also bitte, Herr Staatsanwalt.
RAH: Ich hätt 'ne ganz andre Frage: Hatten Sie sonst noch irgendwelche Feinde? Oder gab's Menschen, die Ihnen potentiell nach dem Leben trachten
könnten?
Zeugin Manowska: Nein.
RAH: Sonst noch Fragen? Unserseits, Ihrerseits keine. Es wird auf Vereidigung verzichtet nehme ich an, dann bleibt die Zeugin nach 61 Ziff. 5
StOP unbeeidigt. Wenn Sie bitte hinten Platz nehmen würden. Herr Seelhoff, den Herrn Dr. Stuckmann bitte.
Frank Seelhoff: Der Zeuge Dr. Stuckmann bitte.

RAH: Herr Dr. Stuckmann, bitte. Ja, nehmen Sie Platz.
Zeuge Dr. Stuckmann: Danke.
RAH: Herr Dr. Stuckmann, Sie sind ja der Ehemann der Angeklagten. Als Ehemann haben Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht, das heißt, Sie müssen hier gar nicht aussagen, und wenn Sie sich entschließen auszusagen, dann muß es
wie bei jedem anderen Zeugen auch die Wahrheit sein. Und Sie könnten auch vereidigt werden.
Zeuge Dr. Stuckmann: Ich sage aus.
RAH: Sie sagen aus. Dann mal zunächst zu Ihren Personalien: Herr Dr. Stuckmann, Sie heißen Michael mit Vornamen?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja.

RAH: 48 Jahre alt, Sie leben in Berlin?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja.
RAH: Was sind Sie von Beruf?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ich bin Chefarzt der Chirurgie am Sankt Florian Krankenhaus in Berlin.
RAH: Und Sie wissen natürlich, was Ihrer Frau hier vorgeworfen wird?

Zeuge Dr. Stuckmann: Der Sachverhalt ist mir bekannt, ja.
RAH: Hatten Sie ein Verhältnis mit Frau Manowska?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja! Ja, ja.
RAH: Wie lange?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ca. ein Jahr lang.
Staatsanwalt: Wie würden Sie denn Ihre Beziehung zu Elena Manowska beschreiben?
Zeuge Dr. Stuckmann: Nun, wie soll ich sagen? Es war, es war sehr schön mit ihr zusammen zu sein. Ganz einfach. Ich glaube, Elena hat mich geliebt.
Deswegen wollte ich mich auch von meiner Frau trennen und die Scheidung.
Verteidiger: Tja, nur also, sooo ernst kann dieses Vorhaben ja nicht gewesen sein. Herr Dr. Stuckmann, Frau Manowska hat uns erzählt, dass Sie ihr
bereits die Trennung im Februar des Jahres 2001 versprochen haben. Sie haben sich noch gehörig Zeit gelassen, oder?

Zeuge Dr. Stuckmann: Ich verstehe, dass Ihnen das fragwürdig erscheint, aber so eine Scheidung muß auch sauber vorbereitet werden.
Verteidiger: Das glaube ich Ihnen.
Zeuge Dr. Stuckmann: Innerhalb von 15 Ehejahren geht das doch um recht viel Geld, nicht wahr? Deshalb hab mich auch Anfang April 2001 mit meinem Notar zusammen gesetzt, um noch mal die Rechtslage bezüglich unseres Ehevertrages
zu klären.
Richter Lenhardt: Herr Stuckmann, wußte die Angeklagte von Ihren Trennungsabsichten?

Zeuge Dr. Stuckmann: Nein, meiner Frau habe ich von diesen Plänen natürlich nichts gesagt. Ich wußte ja, wie sie reagieren würde. Wenn sie mich
verliert, steht schließlich ihre Existenz auf dem Spiel. Sie mußte wohl irgendwie von Elena erfahren haben. Im Übrigen hat sie auch den Brief von
meinem Notar abgefangen, infolge dessen ist es am 10. April zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen, das heißt, sie hat mir eine riesen
Szene gemacht.
RAH: Riesen Szene, wie müssen wir uns das vorstellen?
Zeuge Dr. Stuckmann: Tja, sie wollte einfach nicht akzeptieren, dass ich mich in eine andere verliebt habe. Sie schrie herum, sie will doch bloß Dein
Geld und darum will sie Dir jetzt auch noch ein Kind unterschieben und so weiter und so weiter. Sie hat überhaupt nicht verstanden, dass ich nicht
mehr mit ihr zusammen sein wollte, sondern mit Elena.
RAH: Sie haben eben grade den Brief Ihres Notar erwähnt, der datiert vom 09.
April 2001, uns liegt ja hier 'ne Zweitschrift vor, die Sie uns zur Verfügung gestellt haben und auch den Ehevertrag haben Sie erwähnt. Dieser
Ehevertrag, der ist ja so abgefaßt, dass Ihre Frau im Falle einer Scheidung, ich würd' mal vorsichtig formulieren, 'ne Relation zu ihrem üblichen
Lebensstandard nicht gerade großzügigen Unterhalt bekommen hätte. Und auch der Zugewinnausgleich ist ausgeschlossen, das heißt, alles was so im Laufe
der Ehe dazu kam: Haus und solche Sachen, davon hätte Ihre Frau nichts bekommen.
Zeuge Dr. Stuckmann: Ganz klar, sie hätte nicht viel bekommen.
RAH: Frau Stuckmann, kennen Sie diesen Notarbrief?
Angeklagte: Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich seh da nichts.
RAH: Ja, dann komm Sie mal her und schau'n sich an.

Angeklagte: Nee, den hab ich noch nie geseh'n.
Zeuge Dr. Stuckmann: Das stimmt nicht.
RAH: Ja, nehm Sie wieder Platz, bitte.
Zeuge Dr. Stuckmann: Du hast ihn mir doch damals vor die Nase gehalten und... und... und herumgefuchtelt wie eine wilde herum geschrien. Das ist doch alles nicht zu fassen.
Angeklagte: Jetzt lüg doch nicht.
Staatsanwalt: Herr Stuckmann, hat sie Ihnen irgend etwas angedroht wenn Sie sie verlassen?
Zeuge Dr. Stuckmann: Nichts konkretes. Sie hat nur gesagt, sie hat nur gesagt, dass sie alles tun würde, damit ich bei ihr bleibe.
Staatsanwalt: Alles!
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja, alles.
Staatsanwalt: Hat sie irgend etwas angedeutet, was darauf schließen läßt, dass sie sogar einen Mord begehen würde?
Zeuge Dr. Stuckmann: Sie hat nicht gesagt, die bring ich um. Aber es passt zu ihr, dass sie jemand beauftragt, der das für sie erledigt. Soll ich Ihnen
was sagen? Meine Frau geht über Leichen, macht sich aber selbst die Finger nicht schmutzig. Das passt zu ihr.
Angeklagte: Michael, wie kannst Du so etwas sagen? Du weißt doch, dass ich so etwas nie tun würde.
Zeuge Dr. Stuckmann: Für Dich bitte, Herr Doktor Stuckmann!

Verteidiger: Herr Doktor Stuckmann ...
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja bitte ...
Verteidiger:... wußten Sie, dass Frau Manowska zum Tatzeitpunkt von Ihnen
Schwanger war?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja, das wußte ich, natürlich.
Verteidiger: Ja?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja. Allerdings war uns, war uns auch völlig klar, das wir das Kind nicht bekommen würden.

Verteidiger: Das hat uns Frau Manowska aber ganz anders gesagt. Frau Manowska hat uns beschrieben, dass Sie eine fürchterlich Szene gemacht
haben, weil Sie das Kind nämlich nicht wollten.
Zeuge Dr. Stuckmann: Das stimmt nicht.
Verteidiger: Das stimmt nicht?
Zeuge Dr. Stuckmann: Nein.
Verteidiger: Auf der einen Seite erzählen Sie uns hier, dass Sie Frau Manowska geliebt haben und auf der anderen Seite wollen Sie kein Kind von
ihr. Und das ist genau der Punkt. Frau Manowska wollte mit Ihnen gemeinsam ein Kind und damit wurde Frau Manowska für Sie zu einem Problem. Der, dessen Sie sich entledigen mußten. Herr Dr. Stuckmann, wo waren Sie zwischen 17.30
Uhr und 18.30 Uhr am Tattag?
Zeuge Dr. Stuckmann: Da habe ich meine Pause verbracht.
Verteidiger: Und wo haben Sie die verbracht?
Zeuge Dr. Stuckmann: Im Büro.
Verteidiger: Und niemand hat Sie geseh'n!
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja und?
Verteidiger: Und? Dann hätten Sie also völlig unbemerkt in den Tiergarten gehen können und dort wohl beobachten können oder prüfen können, ob der
Täter, den von Ihnen in Auftrag gegebenen Mord ordnungsgemäß durchführt.
Zeuge Dr. Stuckmann: Ich bitte Sie! Gesetzt den Fall, Herr Verteidiger, würden Sie mir bitte freundlicher Weise erklären, warum ich so was
schwachsinniges tun sollte? Mich dort in die Büsche setze und ... nein, nein, das ist doch absurd. Ich habe damit nichts zu tun.
Angeklagte: Jetzt lüg doch nicht. Erst hast Du diese junge Frau ausgenutzt, und wenn sie zum Problem wird, willst Du sie aus dem Weg schaffen und mir
und mir schiebst Du jetzt einen eiskalten Auftragsmord in die Schuhe.
Zeuge Dr. Stuckmann: Gnädige Frau, Sie sind hier angeklagt und zwar aus guten Grund. Du konntest es einfach nicht ertragen, dass ich Dich wegen
einer Jüngeren verlassen würde.
Angeklagte: Das ist doch quatsch.
Zeuge Dr. Stuckmann: Natürlich.
Angeklagte: Ich könnte nie einen Menschen töten, das weißt Du doch genauso gut wie ich.
Zeuge Dr. Stuckmann: Na, das ham ja auch andere für Dich getan.
Verteidiger: Herr Dr. Stuckmann ...
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja.
Verteidiger:... haben Sie jemals mit dem Journalisten Rüder über die russische Mafia gesprochen und sich dort über Auftragsmorde erkundigt?
Zeuge Dr. Stuckmann: Ja, aber nur so am Rande. Meine Frau, meine Frau hat sich brennend dafür interessiert. Ich fand das damals schon ...naja, wie
soll ich sagen, auffällig. Das war schon wirklich auffällig.

Ja, fehlt uns eigentlich nur noch der Herr Rüder. Herr Seelhoff schau'n Sie doch bitte
mal, ob's die Polizeibeamten schon geschafft haben, ihn herzubringen.
Frank Seelhoff: Den Zeugen Rüder bitte vorführen
.

RAH: Herr Rüder, so endet's, wenn man nicht freiwillig vor Gericht kommt. Dann holt Sie eben die Polizei.
Zeuge Rüder: Ja, Sie zwingen mich, hier zu erscheinen. Was das bedeutet, das ist Ihnen offensichtlich scheißegal.
RAH: Mag sein, dass Sie als Journalist ein Zeugnisverweigerungsrecht haben...
Zeuge Rüder: Darum geht's nicht.
RAH: Sondern?
Zeuge Rüder: Allein die Tatsache, dass ich hier bin, kostet mich wahrscheinlich den Kopf.
RAH: Warten Sie erst mal ab, ja? Jetzt muß ich Sie belehren, dass Sie als Zeuge die Wahrheit sagen müssen, sie können auch vereidigt werden.
Zeuge Rüder: Ja.
RAH: Ja? Mal zu Ihren Personalien zunächst: Sie heißen Stefan Rüder, 34 Jahre alt, sie wohnen in Berlin...
Zeuge Rüder: Ja. Es fragt sich nur, wie lange noch.
RAH: Von Beruf?
Zeuge Rüder: Ich arbeite als freier Journalist für verschiedene Berliner Tageszeitungen.
RAH: Mit der Angeklagten verwandt oder verschwägert?
Zeuge Rüder: Nein.
RAH: Nein. Aber Sie wissen natürlich, was der Angeklagten hier vorgeworfen wird?
Zeuge Rüder: Jaaa, klar ... und ich bin auch nicht ganz unschuldig, dass...
Es war ein riesen Fehler, dass ich den Stuckmann's von meiner Reportage über Auftragsmörder erzählt habe.
RAH: Was ham 'se denn den beiden erzählt?
Zeuge Rüder: Im Frühjahr 2001 hab ich im Umfeld der berliner Russenmafia recherchiert und eine Reportage über das Anheuern von Auftragsmördern in
Zusammenhang mit Schutzgelderpressung geschrieben. Die kommen für so'n Job über die Grenze, erledigen ihn und sind dann ein paar Stunden später wieder über alle Berge.
Staatsanwalt: Ja, und von diesen Killern haben Sie der Angeklagten und ihrem Ehemann bei einem Abendessen erzählt?
Zeuge Rüder: Ja, leider auch ziemlich detailliert. Ich habe Ihnen erklärt, wie diese Killer engagiert werden, dass das über Mittelsmänner der Mafia
läuft, wo sich diese Leute treffen, wieviel das kostet und im Grunde alles, was ich bis dahin wußte.
Staatsanwalt: Und wann war denn dieses Abendessen?
Zeuge Rüder: Freitag, der 13. April 2001. Aber bitte, dass Sie mich richtig verstehen, ich hab mit den Stuckmann's des öfteren über meine Arbeit
gesprochen Es ist auch nix verkehrtes. Ich hatte auch immer das sichere Gefühl, dass das bei denen in guten Händen ist und ...
Verteidiger: Noch mal Herr Rüder, Sie haben also beiden Stuckmann's von den russischen Killern erzählt bei diesem Abendessen?
Zeuge Rüder: Ja, ja! Wir saßen zu dritt am Tisch. Aber Frau Stuckmann hat mich drei Tage später nach diesem Essen noch mal angerufen und mich
detailliert über meine Reportage ausgequetscht, wollte Sie dann alles ganz genau wissen und meinte noch, sie kann's gar nicht erwarten, bis dieser
Artikel in der Zeitung erscheint.
Verteidiger: Aber auch Herr Stuckmann hätte sich Ihre Information zunutze machen können, um einen Auftragskiller für seine schwangere Geliebte
beizubringen?
Zeuge Rüder: Gott, also ich weiß mir jetzt wirklich nicht anders zu beurteilen, ich meine, ich weiß, dass ich's beiden erzählt habe, aber was micht geschockte hatte war, dass mich dann vier Monate nach diesem Essen ein Kontaktmann von der Russenmafia anrief und der hat mich dann übelst bedroht. Der meinte, ich hätte niemanden etwas erzählen dürfen, ich hätte mich ganz schön in die Scheiße geritten, dass ich diese Frau an sie vermittelt hätte,
die würde jetzt noch nicht mal zahlen und du weißt, was das für Dich bedeutet und klick - Ende. Und seit dem hab ich panische Angst.
RAH: Sie sagten grad: Frau an Sie vermittelt? Ich belehr Sie vorsichtshalber nach § 55 StPO
Sie müssen hier auf Fragen keine Antwort geben, wenn Sie sich vielleicht sogar selbst einer Straftat bezichtigen müssen. Verstanden? Ähm, sind Sie
ganz sicher, dass der Anrufer gesagt hatte "Frau"?
Zeuge Rüder: Ja. Er hat sie sogar noch beschrieben: Blond, gutaussehende Dame, Anfang 40.
Staatsanwalt: Herr Rüder, wie kann ich mir überhaupt vorstellen, was es heißt, sie hätten die Dame an die Mafia vermittelt?
Zeuge Rüder: Hab ich nicht. Ich hab lediglich erzählt, wie diese Leute engagiert werden, wo die sich treffen. Mein Gott, mehr nich.
Staatsanwalt: Und wo sie sich treffen?
Zeuge Rüder: Ja.
RAH: Wer ist denn dieser ominöse Jemand von der Russenmafia, der Sie seit letzten Sommer anruft?
Zeuge Rüder: Keine Ahnung. Das ist ja das Schlimme, wenn ich das wüßte, dann würde ich ihn anzeigen.
Staatsanwalt: Herr Rüder, gibt es eigentlich einen Hinweis darauf, dass die Dame, die vermittelt sein soll, die Angeklagte ist?
Zeuge Rüder: Vorgestern, da standen zwei maskierte bullige Typen vor meiner Tür. War'n Russen. Die haben fast die Tür eingetreten. Dann ham die mir 'ne
Zeitung unter die Nase gehalten und 'nen Vorbericht über diesen Fall und ein Bild von Frau Stuckmann. Und die haben gesagt: "Das ist die Frau, die
schuldet uns Geld. Sorg' dafür, dass sie zahlt."
Angeklagte: (springt auf) Sag mal, spinnst Du oder was? Du steckst doch mit meinem Mann unter einer Decke.
Zeuge Rüder: Komm ...
Angeklagte: Wollt Ihr, dass ich in den Knast komme?
RAH: Gibt's Fragen noch? Unserseits, an den Zeugen? Verzicht auf Vereidigung? Bleibt der Zeuge nach 61 2 StPO wegen Verzichts unvereidigt.
Zeuge Rüder: Wer kümmert sich um mich?
RAH: Jetzt nehme 'se erst mal dahinten Platz bitte, ja? Dann ergeht noch folgender rechtlicher Hinweis nach § 265 StPO: Es kommt auch in Betracht,
eine Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit versuchtem Schwangerschaftsabbruch im besonders schweren Fall in unmittelbarer Täterschaft §§ 211, 218 Abs. 2, 22, 23, 25 Abs. 1 und 26 Strafgesetzbuch.

Für hier irgendwelche Erklärungen abzugeben, irgendwelche Anträge noch? Wenn
nicht, dann schließe ich die Beweisaufnahme. Herr Staatsanwalt Ihr Plädoyer bitte.

Staatsanwalt: Hohes Schwurgericht, als die Angeklagte im April letzten Jahres erfahren mußte von der Affäre ihres Ehemannes mit Elena Manowska,
brach für sie eine Welt zusammen. In dieser verzweifelten Situation nutzte sie die ihr vom Zeugen Rüder erteilten Informationen und schmiedete einen
teuflischen Plan. Sie spionierte Elena Manowska nach, fotogra-fierte sie und beauftragte schließlich den bislang unbekannten Täter, der dann am 10. 05.
2001 aus dem Hinterhalt heraus, nach einer Verwechslung nicht wie geplant Elena Manowska, sondern Saskia Vossler tötete. Das der Täter hier sein Opfer verwechselt hatte, oder vielleicht aus einen andern Motiv heraus, weil er nicht erkannt werden wollte, töte, spielt für die rechtliche Würdigung
keine Rolle. Die Angeklagte ist gleich wohl strafbar der Anstiftung zum Mord, denn sie hatte von vorn herein darauf abgesehen, mittels eines
Killers, einen anderen Menschen zu töten. Was ihr letztlich auch gelungen ist. Ich beantrage daher gegen die Angeklagte eine lebenslange
Freiheitsstrafe zu verhängen, Haftfortdauer anzuordnen und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

RAH: Danke, Herr Staatsanwalt. Herr Nebenklagevertreter, bitte.

Nebenklagevertreter: Hohes Gericht, namens der Nebenklägerin schließen wir
uns den Anträgen als auch den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an.
Zusätzlich möchte ich jedoch beantragen, der Angeklagten auch die Kosten der
Nebenklage aufzuerlegen. Dankeschön.

RAH: Vielen Dank, Herr Rechtsanwalt. Herr Verteidiger, Ihr Plädoyer bitte.

Verteidiger: Hohes Gericht, sehr geehrter Herr Staatsanwalt, werter Herr Nebenklägervertreter, nach den Ausführungen des Herrn Staatsanwaltes will
ich mich einmal kritisch mit dem Ergebnis dieser Hauptverhandlung auseinander setzen: Der Herr Staatsanwalt hat ein Indiz genannt. Das Indiz
hat der Zeuge Rüder gegeben. Der Zeuge Rüder hat bestätigt, dass meine Mandantin auf einem Foto wiedererkannt worden ist. Genau dieses Motiv bzw.
Indiz ist aber auch ein Indiz gegen Herrn Dr. Stuckmann. Denn es ist sehr gut möglich, dass der Herr Dr. Stuckmann sich einer Mittelsfrau bedient hat
und mit dieser Mittelsfrau den Mord in Auftrag gegeben hat. Und das ist der entscheidende Punkt: Die Mittelsfrau, die Herr Dr. Stuckmann ausgewählt hat, hatte verblüffende Ähnlichkeit mit meiner Mandantin. Es kann also auch Herr Dr. Stuckmann gewesen sein. Es bleiben also Zweifel. Wenn Zweifel bestehen, sticht der Grundsatz: in dubio pro reo. Und deshalb ist meine Mandantin
freizusprechen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

RAH: Danke, Herr Verteidiger. Frau Stuckmann, Sie können sich selbst jetzt
noch verteidigen, Sie haben auch das letzte Wort bevor ein Urteil gesprochen wird.
Angeklagte: Ich hab niemals einen Mörder beauftragt. Ich weiß nur, dass dieser Prozeß meine Familie und mein Leben zerstört hat.
RAH: Wir ziehen uns zur Urteilsberatung zurück.


Urteil:

Ich verkünde im Namen des Volkes folgendes Urteil: Die Angeklagte Julia Stuckmann ist schuldig der Anstiftung zu Mord in Tateinheit mit versuchten Schwangerschaftsabbruch im besonders schweren Fall. Sie wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklage.
§§ 211 Abs. 1 und 2, 218 Abs. 2, 22, 23, 25, 26 Strafgesetzbuch. Dann ergeht noch der Beschluss: Der Haftbefehl bleibt in Vollzug.

Begründung: Wir sind überzeugt, dass Frau Saskia Vossler einzig und allein ihre Ähnlichkeit mit Frau Manowska zum Verhängnis geworden ist. Es stellt
sich hier nur die Frage: Wer hat den Auftrag zum Mord an Frau Manowska gegeben? Und wir, die Kammer, sind überzeugt, dass Sie das waren. Es mag ja sein, dass Ihr Ehemann hier auch einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen hat: Er wurde als jähzornig, gewalttätig beschrieben, er hat kein Alibi und er hat auch in einem Punkt nicht ganz die Wahrheit gesagt, als er sagt hat, man sei sich einig gewesen, dass das Kind nicht zur Welt kommen soll. Aber, er hat ja trotz dieser ungeliebten Schwangerschaft eindeutig die Trennung von Ihnen betrieben, wie der Notarbrief belegt. Dagegen bei Ihnen, da haben wir einen ganzen Haufen hier: Zum ersten schon der Ablauf des Telefonates, das bei der Telefonüberwachung aufgezeichnet wurde. Ganz wichtiges Indiz, der Anrufer sprach, als Sie sich mit Namen gemeldet hatten, Sie an und sagte
Sie sollten bezahlen, weil sein Job gemacht war. Er hat also mit Ihnen reden wollen. Und das wichtigste Indiz: der Zeuge Rüder. Der hier ganz sicher nicht mit Ihrem Ehemann unter einer Decke steht, dann hätt er sich nämlich nicht so auf seine Aussage gefreut, dass man ihn sogar mit der Polizei holen mußte. Der hat Ihnen beiden nicht gleich viel erzählt, sondern weil Sie nachgebohrt haben, hat er genau nur Ihnen die Details erzählt und später dann hat er nicht nur 'nen Anruf bekommen von irgend 'nen Mittelsmann, nein, es waren bei ihm vor der Tür sogar Geldeintreiber der Russenmafia, die Ihr konterfei vors Gesicht gehalten haben und zu ihm gesagt haben: "Von Ihnen bekommen wir noch Geld." Und das deckt sich eben fatal mit dem aufgezeichneten Telefonat.

Rechtlich ist das Ganze etwas kompliziert:
Der Täter hat mit dem ersten Stich angesetzt, genau das zu tun, was Sie beauftragt hatten, nämlich die Frau Manowska zu ermorden. Dass er sich dabei
getäuscht hat, in der Person, das müssen Sie sich zurechnen lassen. Aber bis dahin ist es ein versuchter Mord, der Stich war nicht tief. Als er sein Irrtum bemerkt hat, der Täter, da hat er ganz allein und neu entschieden, jetzt die Frau Vossler umzubringen, weil sie ihn erkannt hatte. Dazu hatten Sie ihn nicht angestiftet, das ist Ihnen weder fahrlässig noch vorsätzlich zuzurechnen. Dieser Exzess des Mörders trifft nur den Mörder allein. Da sind wir anderer Meinung, die Kammer, als der Herr Staatsanwalt. Das heißt, Sie werden nur für den ersten Stich und damit eben nur für versuchten Mord bestraft. Außerdem wußten Sie natürlich, dass die Frau Manowska schwanger war, und das eben bei 'ner Tötung eben auch ihr Kind im Mutterleib sterben würde.
Nach dem Gesetzt:
Freiheitsstrafe zwischen 3 Jahren und 15 Jahren. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände sind wir
der Ansicht, 13 Jahre Freiheitsstrafe ist hier angemessen. Hiergegen können Sie innerhalb einer Woche Revision einlegen.

Schlussworte: Frau Vossler, so sinnlos der Tot Ihrer Tochter war, vielleicht ist das Ergebnis wenigstens ein bißchen Trost für Sie. Die Sitzung ist geschlossen.

Verteidiger: (leise zur Angeklagten): Ich werde für Sie Revision einlegen. Wir besprechen in der Haftanstalt den Rest. Sie werden jetzt abgeführt.





 

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