RAH:
Ham wir auch die Stornierung da, wird in Augenschein genommen,
auszugsweise verlesen. Woher wissen Sie eigentlich von
dieser Stornierung?
Nebenklägerin: Das Reisebüro hat zu Hause angerufen und
hat die Stornierung bestätigt. Er wußte ganz genau, dass
meine Mutter nicht mehr zurück kommt. Ich hasse Dich...
RAH: Herr Kettler, es würd' mich jetzt schon interessieren:
22. 09. 2001 ham Sie die Reise storniert. Zwei Tage nach
dem Verschwinden Ihrer Frau. Bißchen eilig, oder?
Angeklagter: (stottert) Ja, ich pf... ich habe nur noch
kurzfristig geplant.
Auch wenn das naiv klingen mag, ich dachte, ich brauche
jeden Pfennig für das Lösegeld. Die Stornierung war ein
Reflex.
RAH: Keine Fragen mehr unsererseits? (kopfschütteln) Von
Ihnen auch nicht, dann bleibt sie als Angehörige nach 61
2 StPO unbeeidigt. Vielen Dank, wenn
Sie bitte da drüben wieder Platz nehmen würden? Und Herr
Seelhoff den Zeugen Schwarzer als Zeugen dann.
Frank
Seelhoff: Der Zeuge Schwarzer bitte!
RAH: Herr Schwarzer, nehmen Sie bitte Platz. Sie wissen
ja, dass Sie als Zeuge die Wahrheit sagen müssen und auch
vereidigt werden könnten.
Zeuge Schwarzer: Jawohl!
RAH: Zunächst erst mal Ihre Personalien bitte.
Zeuge Schwarzer: Stefan Schwarzer, 44 Jahre, Kriminalhauptkommissar,
ladungsfähige Adresse: Polizeipräsidium Essen, bin mit
dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert.
RAH: Und Sie haben die Ermittlungen geleitet in dem Fall.
Können Sie uns mal das Ermittlungsergebnis so kurz schildern?
Zeuge Schwarzer: Ja, am Tag nach der Entführung, also am
20. 09. 2001, rief Anita Kettler um 21.10 Uhr bei der Polizeiwache
14 an und meldete, dass ihre
Mutter in der Nacht zuvor aus dem gemeinsamen Haus in Essen
- Bredenay entführt worden sei. Wir fanden es sofort merkwürdig,
daß der Angeklagte zu
diesem Zeitpunkt seit 24 Stunden wußte, dass seine Frau
entführt worden sei und niemand informiert hatte.
Angeklagter:
Ja, aber das hatte ich Ihnen doch schon mal erklärt: Nach
dem ersten Brief hatte ich Todesangst um meine Frau. Ich
wollte unter keinen
Umständen den oder die Erpres-ser verärgern.
RAH: Welche Spuren konnten Sie denn im Haus selbst feststellen?
Zeuge Schwarzer: Die Glasscheibe der Verandatür war eingedrückt
worden, so dass es den Anschein hatte, dass jemand gewaltsam
ins Haus eingedrungen ist. Die Glasscherben fanden wir
dann allerdings im Hausmüll. Auch war das Haus frisch geputzt
worden, so dass die Spurensicherung sehr schwere Arbeit
hatte.
Angeklagter: Ich war völlig außer mir vor Sorge und Angst
um meine Frau. Da habe ich eben irgendwas gemacht: aufgeräumt,
geputzt ... was weiß ich,
darüber hab ich eben nicht nachgedacht.
Staatsanwalt: Dennoch konnten Sie aber Spuren eines Betäubungsmittels
finden?
Zeuge Schwarzer: Ja, wir konnten winzige Spuren Chloroform
am Sofa sicher stellen.
Staatsanwalt: Und, äh... das Fahrzeug des Angeklagten haben
Sie auch auf Spuren untersucht?
Zeuge Schwarzer: Das Fahrzeug fiel uns sofort auf, weil
es genau so überdurchschnittlich sauber war wie die Wohnung.
Außerdem wurde der Unterboden, die Räder und die Radkästen
vermutlich mit einem Dampfstrahler behandelt, so dass wir
keine Spuren sicher stellen konnten.
Verteidiger: Sie haben also bei meinem Mandanten ein saubres
Auto festgestellt und ein saubres Haus. Und das wollen
Sie ihm jetzt allen Ernstes, Herr Schwarzer, zum Vorwurf
machen? Ham Sie vielleicht dahingehend mal Ermittlungen
angestellt, dass Frau Kettler noch lebt?
Zeuge Schwarzer: Wir müssen davon ausgehen, dass Frau Kettler
kurz nach dem zweiten Foto umgebracht wurde. Man sieht
deutlich, dass sie vermutlich vor
ihrer eigenen Grabstätte in einem Wald sitzt.
Verteidiger: Und woher nehmen Sie die Vermutung?
Staatsanwalt: Es ist doch ganz einfach, HerrVerteidiger,
weil diese Ansammlung von Indi-zien und Beweisen mittlerweile
nur einen einzigen Schluß
zuläßt, nämlich, dass Ihr Mandant das Foto selbst gefertigt
hat und danach seine Frau ermordet hat.
Verteidiger: Also doch nur wage Vermutungen. Wir werden
ja nachher die Zeugin Martino noch hören und die wird das
Alibi meines Mandanten
bestätigen. Ich habe eher den Eindruck ...
RAH: Ja, jetzt wollen wir keine Plädoyers hören. Sonst
noch Fragen?
Verteidiger:... ich habe vielmehr den Eindruck, dass der
Zeuge Kühne hier der tatsächliche Täter ist. Herr Schwarzer,
haben Sie vielleicht dahingehend
Ermittlungen angestellt, woher die Erpresserbriefe stammen?
Zeuge Schwarzer: Unsere EDV-Experten haben auf einem PC
in der Firma von Frau Schwarzer (? Hä?) die beiden Erpresserbriefe
wieder herstellen können.
Das engt natürlich den Täterkreis entscheidend ein. Dennoch
spricht nichts für Herrn Kühne. Der Angeklagte hatte Zugang
zu einem Büroschlüssel von
seiner Frau, er kann also die Briefe dort geschrieben haben.
RAH: Kann da jeder an dem PC einfach arbeiten?
Zeuge Schwarzer: Die PC's sind nicht geschützt durch ein
Passwort.
RAH: An den Zeugen zunächst Fragen? Keine. Verzicht auf
Vereidigung? 61 5
StPO bleibt der Zeuge dann unbeeidigt. Wenn Sie bitte da
hinten Platz nehmen würden?
Frau Martino bitte, Herr Seelhoff.
Frank Seelhoff: Zeugin Martino bitte!
RAH:
Frau Martino, nehmen Sie bitte hier Platz. Sie sollen hier
als Zeugin aussagen. Sie wissen, dass mer als Zeugin die
Wahrheit sagen muss. Sie
könnten auch vereidigt werden. Verstanden?
Zeugin Martino: Ja!
RAH: Ihre Personalien zunächst: Sie heißen mit Vornamen
Julia?
Zeugin Martino: Ja, auf italienisch spricht man das ,Tschulia'
aus
RAH: Also ,Tschulia!' von mir aus. Sie sind 42 Jahre alt,
Sie leben in Essen, führen dort ein Restaurant...
Zeugin Martino: Ja, ,Osteria Martino' in Essen.
RAH: ...und mit dem Angeklagten sind Sie nicht verwandt
oder verschwägert?
Zeugin Martino: Nein.
RAH: Aber Sie wissen natürlich, was ihm hier zur Last gelegt
wird?
Zeugin Martino: Natürlich, eine furchtbare Geschichte ist
das. Aber glauben Sie mir, die Signore Kettler ist unschuldig.
Er kann es nicht gewesen sein.
Staatsanwalt: Und da können Sie sich so sicher sein, Frau
Zeugin?
Zeugin Martino: Passen Sie auf. An dem Abend, an dem seine
Gattin verschwunden ist, war Herr Signore Kettler bei mir
in der ,Osteria'. Er und seine Gattin haben sich oft nach
der Arbeit bei mir getroffen. So meist gegen 22.00 Uhr.
Und so war es auch am 19. September.
Staatsanwalt: Ja, ja und daran können Sie sich auch noch
heute, ein dreiviertel Jahr später noch genau erinnern?
Zeugin Martino: Ja Herr Staatsanwalt, das kann ich. Und
sogar sehr gut, denn an dem Abend haben Signore Kettler
und ich uns erst Dortmund gegen Liverpool angeschaut und
dann viel geredet über Fussball und immer wieder über Fussball
und über Fussball...
RAH: Jetzt geht's hier aber nicht über Fussball ja, es
geht um Mord.
Frau Martino, erzähl'n se uns doch bitte mal, wie der Abend
bei Ihnen in der ,Osteria' abgelaufen ist, auch zeitlich.
Zeugin Martino: Ja, Herr Vorsitzender, also der Signore
Kettler hat alle fünf Minuten telefoniert, weil er sich
Sorgen um seine Gattin machte. Und äh
... die beiden waren für 10.00 Uhr verabredet, weil wie
immer... und äh er versuchte ständig sie anzurufen, er
wurde immer nervöser und nervöser und irgendwann ist er
dann gegangen
RAH: Und um wieviel Uhr war denn das?
Zeugin Martino: Lassen Sie mich überlegen, das muss so
gegen Mitternacht gewesen sein. Ich wollte uns gerade letzte
Runde machen, da sagte Signore
Kettler, erhält es nicht mehr aus.
Verteidiger: Also Frau Martino, dann darf ich festhalten,
mein Mandant war von 22.00 Uhr bis Mitternacht ununterbrochen
in Ihrem Lokal und hat es kein einziges Mal verlassen.
Zeugin Martino: Ja, der war immer da, ist nie raus gegangen.
Verteidiger: Sie sagten uns vorhin, Frau Martino, dass
die Eheleute Kettler des öfteren in Ihrem Lokal zu Gast
waren?
Zeugin Martino: Ach ja, ja, mindestens einmal in der Woche.
Verteidiger: Dann haben Sie die beiden ja öfters miteinander
beobachten können. Wie ist denn mein Mandant mit seiner
Ehefrau in der Öffentlichkeit
umgegangen?
Zeugin Martino: Ach, glauben Sie mir, Signore Kettler hat
sich seiner Gattin gegenüber immer vorbildlich verhalten.
Liebevoll und aufmerksam und mit der
nötige Respekt, ein Gentleman würd' ich sagen und deshalb,
glauben Sie mir, ich bin mir sicher, ich bin mir sicher,
dass er unschuldig ist.
Richterin Möller: Frau Martino, haben Sie jemals beobachtet,
dass Herr und Frau Kettler sich stritten?
Zeugin Martino: Nein, niemals.
Verteidiger: Mein Mandant war zur Tatzeit im Lokal der
Zeugin Martino, während seine Ehefrau entführt worden ist.
RAH: Sind Sie fertig? Keine weiteren Fragen?
Verteidiger: Ich hab keine mehr.
RAH: Verzicht auf Vereidigung 61 5 StPO bleibt die Zeugin
unvereidigt.
Vielen Dank, wenn Sie hinten Platz nehmen würden?
Den
Herrn Kühne bitte, Herr Seelhoff!
Frank
Seelhoff: Zeuge Kühne bitte.
RAH: Herr Kühne, nehm Sie bitte hier vorn Platz. Herr Kühne,
ich muß Sie belehren. Als Zeuge muß man die Wahrheit sagen.
Das wissen Sie sicherlich.
Falschaussagen werden schwer bestraft. Es kann auch sein,
dass Sie vereidigt werden. Und nachdem, was wir hier so
gehört haben, belehr ich Sie vorsorglich, dass Sie gar
keine Antwort auf Fragen geben müs-sen, wenn Sie sich durch
ne wahrheitsgemäße Antwort vielleicht selbst ner Straftat
bezichtigen müssen, § 55 StPO. Alles verstanden?
Zeuge Kühne: Aber sicher.
RAH: Ja, zunächst mal zu Ihren Personalien: Herr Kühne,
Sie heißen Robert mit Vornamen, 38 Jahre alt, Sie wohnen
in Essen?
Zeuge Kühne: Ja.
RAH: Was sind Sie von Beruf?
Zeuge Kühne: Ich bin Geschäftsführer von einem Reinigungsunternehmen.
RAH: Und mit dem Angeklagten nicht verwandt oder verschwägert.
Zeuge Kühne: Mit dem Kettler, der seine Frau umgebracht
hat? Nie und nimmer.
RAH: Herr Kühne, wie's aussieht, waren Sie ja in der Nacht,
in der die Frau Kettler verschwunden ist, der Letzte, der
sie gesehen hat. Wann war denn
das?
Zeuge Kühne: Ja, wir sind zusammen aus der Firma, da war
es so 21.30 Uhr.
RAH: Hat die Frau Kettler Ihnen irgendwas gesagt, was sie
noch vorhatte, dass sie wohin will, in die ,Osteria' zum
Beispiel?
Zeuge Kühne: Nein, gar nichts, nein.
Richterin Möller: Sind Sie sicher, dass Frau Kettler nach
Hause ging?
Zeuge Kühne: Das nehme ich an. Ich mein, gesagt hat sie
mir das nicht.
RAH: Wann waren Sie eigentlich zu Hause?
Zeuge Kühne: Naja, so kurz nach halb Zehn. Ich habe noch
ein paar Kilometer zu fahren.
Richter Lenhardt: Und, wo haben Sie sich den Rest der Nacht
aufgehalten?
Zeuge Kühne: Na im Bett, wo denn sonst? Ach, und bevor
Sie mich das jetzt auch noch fragen, ich war allein. Ja,
das kann mir niemand bestätigen. Ich
lebe alleine. Naja.
Verteidiger:
Herr Kühne, Sie sind der Geschäftsführer der Biggo-Bello
GmbH. War mein Mandant irgendeinmal mal in den Räumlichkeiten
dieser GmbH?
Zeuge Kühne: Nein, der Herr Kettler hat sich nie um die
Geschäfte seiner Frau gekümmert.
Verteidiger: Und Sie führen die Geschäfte jetzt alleine?
Zeuge Kühne: Das ist im Gesellschaftervertrag so vorgesehen.
Die Familie des verstorbenen Gesellschafters wird abgefunden
und dadurch würde ich zum alleinigen Gesellschafter.
Verteidiger: Sie profitieren doch von dem Verschwinden
von Frau Kettler. Sagen Sie, haben Sie nicht 14 Tage vor
dem Tattag erheblichen Streit mit
Frau Kettler gehabt? Sind Sie nicht am Tatabend im Streit
von Frau Kettler geschieden? Das hat mir eine Ihrer Mitarbeiterinnen
erzählt.
Staatsanwalt: Herr Kühne, lassen Sie sich nicht unter Druck
setzen. Erzählen Sie einfach, was geschehen ist.
Zeuge Kühne: Ja das stimmt, aber das hat doch überhaupt
nichts zu sagen. Also gut, von mir aus, wenn Sie's so genau
wissen müssen: Es ging um die
Firma. Aber bin ich deswegen jetzt hier ein Mörder oder
was?
Verteidiger: Gut, Sie haben mir grade die Frage gestellt,
ob ich Sie als Mörder hinstellen will. Das wird das Gericht
beurteilen. Aber ich will noch
was anderes von Ihnen wissen:
Schauen
Sie, hier ham wir zwei Erpresserbriefe. Die sind in Ihrer
Firma geschrieben worden, zu der allein
Sie Zugang haben. Können Sie mir was dazu sagen?
Zeuge Kühne: Nichts.
Verteidiger: Da können Sie nichts dazu sagen.
Zeuge Kühne: Die hätt ja jeder schreiben können, der bei
uns im Büro war.
Verteidiger: Aber vielleicht kann der Herr Staatsanwalt
bitte darauf Antwort
geben, warum der Herr Kühne hier nicht als Angeklagter
sitzt, sondern mein Mandant. Hat er vielleicht irgendwas
vergessen?
Staatsanwalt: Herr Verteidiger, ich bin Ihnen nicht verpflichtet,
warum ich welchen Beschuldigten auf welche Anklagebank
setze. Aber ich sage Ihnen
eines: Der Zeuge Kühne, er hat keine Lebensversicherung
abgeschlossen, der
Zeuge Kühne, er hat kein Haus geputzt, der Zeuge Kühne
hat auch sein Fahrzeug nicht blank poliert und der Zeuge
Kühne hat auch keine Reise storniert.
Zeuge Kühne: Das liegt doch auf der Hand, der Kettler wollte
seine Frau los werden. Da brauchen Sie doch nicht erst
anfangen, mich hier zu belasten. Der
Kettler hat sie umgebracht, nicht ich, das ist doch ganz
klar.
Angeklagter: Halten Sie sofort Ihren Mund. Was bilden Sie
sich eigentlich ein? Erst entführen Sie meine Frau und
dann wollen Sie mir auch noch nen Mord in die Schuhe schieben.
Zeuge Kühne: Herr Kettler, ich fürchte, Sie sind in einer
verdammt schlechteren Lage als ich. Und da wird Ihnen auch
Ihr sorgfältig geführter
Anwalt nicht helfen.
RAH: Also, wenn's jetzt keine Fragen mehr, außer zur Fesur
von irgendwelchen Beteiligten hier gibt, ja? Und übrigens
Herr Kettler, es ist auch nicht Ihre
Aufgabe, hier irgend jemand den Mund zu verbieten, ja?
Sie warten, bis Sie selbst dran sind.
Keine Fragen mehr? Verzicht auf Vereidigung? Dann bleibt
der Zeuge nach § 61 5 StPO unbeeidigt. Nehmen Sie da hinten
Platz, bitte.
Herr
Seelhoff, den Herrn Bader bitte als nächsten Zeugen.
Frank
Seelhoff: Zeuge Bader bitte.
RAH: Herr Bader, komm Sie bitte nach vorn, nehmen Sie hier
Platz. Herr Bader, Sie sollen hier als Zeuge aussagen.
Als Zeuge muß man die Wahrheit
sagen, wer was falsches sagt, wird schwer bestraft und
Sie könnten auch vereidigt werden. Verstanden?
Zeuge Bader: Ja.
RAH: Zunächst mal zu Ihren Personalien: Sie heißen Philipp
Bader?
Zeuge Bader: Jo.
RAH: 52 Jahre alt, Sie leben in Welbert, Polier von Beruf?
Zeuge Bader: Jo, das ist korrekt.
RAH: Mit dem Angeklagten nicht verwandt oder verschwägert!
Zeuge Bader: Nee... RAH: Herr Bader, Sie haben sich ja
im Oktober letzten Jahres selbst bei der
Polizei als Zeuge gemeldet?
Zeuge Bader: Ja genau, Herr Richter, ich dachte nämlich,
ich könnte da irgendwat helfen. Ich hab da im Fernsehn
so ein Bericht über ne Entführung gesehen. Ja, und da is
mir eingefallen, dat ich in der Nacht so wat geseh'n hab,
was vielleicht mit der Entführung zu tun hatte. Denn dat
war ja an dem
Abend, nach dem Championsligspiel.
RAH: Also, Sie meinen, am Abend in der Nacht vom 19. auf
den 20. September 2001? Und, was genau haben Sie da gesehen?
|
Zeuge
Bader: Ja, dat war so gegen 2.00 Uhr. Ich kam also grade
vom Westfalen-Stadion, Dortmund gegen Liverpool, ja? Und
da bin ich gleich los, am Wolantal lang, dat is ja nachts
menschenleer. Ja, und da seh ich in einiger Entfernung
so'n Auto vor mir. Ganz toll! Ohne Licht! Steht am Kiesstrand,
ja, und dieser Kerl da (zeigt auf Angeklagten) steht dahinter
und macht sich da irgendwie am Kofferraum zu schaffen.
Verteidiger:
Herr Bader, wie komm se denn darauf, dass dieser Kerl,
wie Sie meinen Mandanten grade nennen wollen, derjenige
ist oder war, der am
Straßenrand stand? Sie haben die Person doch nur von der
Seite gesehen?
Zeuge Bader: Ne, ne, Moment, ich hab och sein Gesicht geseh'n,
ich bin extra langsam gefahren, weil ich dachte, vielleicht
hat er irgendwie en Problem.
Ja, und als ich dann an ihm vorbei fuhr Herr Richter, hat
er sich an die Seite gedreht und mich weiter gewunken.
Dat war der, auf jeden Fall. Na, ich
hab dann noch irgendwas gerufen, von wegen Vollidiot oder
so und bin weiter.
Ja, und da hab ich mir gedacht, Herr Richter, dass dat
vielleicht irgendwie so'n angefahrnes Tier in seinem Kofferraum
verstaut hat, ne. Der hat ja och
so komische Tü-cher in der Hand.
Staatsanwalt: Aha, Chloroform getränkte Tücher. Frau Kettler
ist nämlich während der Fahrt wieder aufgewacht und der
Angeklagte mußte sie erneut
betäuben. Nur das Pech des Angeklagten war, dass zu diesem
Moment genau der Zeuge Bader vorbei kam. Und Herr Bader,
vielleicht können Sie noch weiter
helfen? Wissen Sie, um welchen Autotyp es sich gehandelt
hat?
Zeuge Bader: Ja, det war die C-Klasse, in dunkelblau oder
schwarz. Dat weis ich nich mehr so genau, auf alle Fälle
dunkel.
Richterin Möller: Haben Sie auch das Kennzeichen gesehen?
Zeuge Bader: Jo, Essen FK 22 und irgend wat. Die letzten
Zahlen konnte ich leider ni mehr erkenn, weil der Kerl
davor stand.
Staatsanwalt: Tja, und wie es der Zufall will, der Angeklagte
fährt einen dunkelblauen Mercedes der C-Klasse, und das
amtliche Kennzeichen dieses
Fahrzeuges lautet E für Essen, FK 22-71. Nicht wahr?
Angeklagter: Woll'n Sie mich jetzt an Hand eines unvollständig
wahrgenommenen Autokennzeichens überführen?
RAH: Noch irgendwelche Fragen an den Herrn Bader? Niemand,
auf Vereidigung wird verzichtet, dann bleibt der Zeuge
nach 61 5 StPO unbeeidigt. Vielen
Dank, Herr Bader, nehmen Sie bitte da hinten Platz.
Herr
Kettler, jetzt noch mal an Sie: Um diese Uhrzeit zwischen
1.00 und 2.00 Uhr, waren Sie da auf dieser Straße unterwegs?
Angeklagter: NEIN!
Verteidiger: Hohes Gericht, der Zeuge Bader ist doch für
diese Hauptverhandlung völlig unbrauchbar. Herr Bader will
meinen Mandanten um 2.00 Uhr nachts im Wolantal gesehen
haben.
Zeuge Bader: Ja hab ich doch auch!
Verteidiger: Um diese Uhrzeit war die Entführung aber schon
längst gelaufen.
Zeuge Bader: Ach, hör doch off, Mann.
Staatsanwalt: Sind Sie jetzt fertig, Herr Verteidiger?
Verteidiger: Ja, ich bin fertig.
Staatsanwalt: Dann hab ich was für Sie!
Verteidiger: Da bin ich aber gespannt!
Staatsanwalt: Wenn Sie sich das Foto, dass die angeblichen
Erpresser und Entführer vom Opfer gemacht haben, genauer
ansehen, und hier hab ich einen Ausschnitt, der einen Teil
die-ses Fotos vergrößert, nämlich, die Zeitung, die das
Opfer in der Hand hält. Und auf diesem Ausschnitt sehen
Sie ganz
deutlich, dass auf dieser Zeitung das Ergebnis des Fussballspiels
Liverpool - Dortmund Null zu Null ausgewiesen ist. Hier
ist das Original
dieser Zeitung. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass um
22.12 Uhr, um die Zeit, zu der angeblich das Foto gefertigt
werden sollte, die Zeitung bereits über ein Fußballergebnis
berichten kann, von einem Fussballspiel, das nachweislich
erst eine viertel Stunde nach 22.12 Uhr abgepfiffen wurde?
Angeklagter:
Nein, keine Ahnung.
Staatsanwalt: Nein? Sie hätten das Opfer mit dieser Zeitung
fotografieren sollen. Denn diese Zeitung war am Abend ohne
weiteres erhältlich, alsAbendausgabe. In jedem Kiosk, in
jedem Bahnhof, während diese Zeitung, mit der Sie das Opfer
abgelichtet haben, erst um 1.00 Uhr früh erhältlich war.
Das heißt...
Angeklagter: Was woll'n Sie damit sagen?
Staatsanwalt: ...das heißt, Sie haben die Tatzeit durch
das Verstellen der Uhr manipuliert, um uns zu täuschen.
Sie waren in der Zeit von 22.00 Uhr bis
0.00 Uhr in der ,Osteria Martino'. Das hat uns auch die
Zeugin bestätigt. Und genau in diese Zeit, die Ihr Alibi
darstellen soll, fällt der Zeitraum 22.12 Uhr, in der die
Entführer angeblich das Foto gefertigt haben sollen.
So ist Ihre Verteidigungsstrategie, aber Sie werden uns
nicht täuschen, denn ich werde Ihnen sagen, wie die Tat
wirklich abgelaufen ist. Sie sind um 0.00 Uhr nach Hause
gefahren, aber dann haben Sie Ihre Frau betäubt, haben
Sie in den Kofferraum Ihres Wagens gepackt, sind mit diesem
Wagen Richtung Wald
gefahren und haben irgendwo unterwegs nach 1.00Uhr diese
Zeitung, diese Zeitung gekauft. Die Zeitung, die Sie erst
nach 1.00 Uhr überhaupt hätten
erwerben können. Und um 2.00 Uhr sind Sie auf der Straße
nahe dem Waldrand vom Zeugen Bader erkannt worden. Er hat
Sie eindeutig identifiziert, das
heißt, Sie waren um 2.00 Uhr nicht zu Hause. Und nachdem
Sie der Zeuge Bader angetroffen hat, sind Sie mit Ihrem
Opfer weiter in den Wald gefahren. Dort
haben Sie das Opfer mit dieser Zeitung fotografiert. Und
nachdem Sie es so abgelichtet haben, so jämmerlich, haben
Sie Ihr Opfer ermordet. Ihr Alibi
fällt in sich zusammen. Es ist nichts übrig.
Angeklagter:
(stottert) Das, das das ist doch v..v.. völlig absurd.
Verteidiger: Herr Staatsanwalt, dieses zugegebener Maßen
einfallsreiche Konstrukt ist vielleicht ein Beweis für
Ihre Kreativität, beweist aber noch lange nicht die Täterschaft
meines Mandanten.
Staatsanwalt: Die Nacht, wie sie Ihr Mandant geschildert
hat, stellt sich nun in einem ganz anderen Licht dar. Es
ist so, dass sein Opfer, seine
Ehefrau, von ihm jedenfalls nach 1.00 Uhr fotografiert
und getötet wurde. Sie haben kein Alibi mehr.
RAH: Herr Kettler, deswegen frag ich Sie jetzt noch mal:
Haben Sie die Entführung Ihrer Frau fingiert?
Angeklagter: Nein, nein, nein, nein.
RAH: Wo sind Sie hingefahren, als Sie die ,Osteria' verlassen
haben?
Angeklagter: Da bin ich, da bin ich nach Hause gefahren.
RAH: Nach Hause?
Angeklagter: Ja.
RAH: Und wo war da Ihre Frau?
Angeklagter: Meine Frau? Die... meine Frau war weg, die
die war doch entführt.
RAH: Und Sie haben das Haus nicht mehr verlassen? Sie waren
nicht nachts um 2 noch auf der Straße?
Angeklagter: Nein, nein, nein, nein...
RAH: Noch irgendwelche Fragen? Stellungnahmen? Anträge?
Keine weiteren, dann schließ ich die Beweisaufnahme. Herr
Staatsanwalt, ich bitte um Ihr
Plädoyer.
Staatsanwalt:
Hohes Schwurgericht! Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
steht eindeutig fest, dass es der Angeklagte war, der seine
Ehefrau in der
Nacht vom 19. auf den 20. September aus Habgier getötet
hat. Auch wenn die Leiche nicht gefunden wurde, so ändert
dies an dieser Beweisführung nichts,
denn es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass
seine Ehefrau etwa Selbstmord begangen hätte oder auch
sonst wie ihr Verschwinden zu erklären gewesen wäre. Der
Angeklagte, dessen Handeln auf niedrigster Stufe stehend
einzuordnen ist, ist hier des Mordes schuldig. Ich beantrage
gegen den Angeklagten auf eine lebenslängliche Freiheitsstrafe
zu erkennen, Haftfortdauer anzuordnen und ihm die Kosten
des Verfahrens aufzuerlegen.
RAH:
Danke Herr Staatsanwalt. Herr Nebenklagevertreter bitte.
Nebenklagevertreter:
Hohes Gericht, namens der Nebenklägerin schließen wir uns
den Anträgen und den Ausführungen der Staatsanwaltschaft
an. Beantragen jedoch zusätzlich, dem Angeklagten auch
die Kosten der Nebenklage
aufzuerlegen. Dankeschön.
RAH: Herzlichen Dank. Herr Verteidiger, Ihr Plädoyer bitte.
Verteidiger:
Hohes Gericht, werter Herr Staatsanwalt, werter Herr Nebenklägervertreter,
die heutige Hauptverhandlung hat nicht die Täterschaft
meines Mandanten bewiesen. Viel mehr hat die heutige Hauptverhandlung
ergeben, dass es zwei weitere Personen gibt, die ein erhebliches
Motiv für eine eventuelle Täterschaft haben. Der Erste,
der in Betracht kommt, ist der Herr Robert Kühne, der Geschäftsführer
und der Geschäftspartner der entführten Frau Kettler. Herr
Kühne hatte Streit noch am Tatabend, Herr Kühne hat das
Geschäft für sich übernommen, also hat der Herr Kühne auch
ein ausreichendes Motiv daran, Frau Kettler zu ermorden.
Die zweite Person, die sicherlich auch ein Interesse am
Verschwinden der Frau Kettler hat, ist, mit Verlaub
Hohes Gericht, die Nebenklagevertreterin bzw. die Nebenklägerin.
Die Nebenklägerin wäre nämlich, würde mein Mandant hier
heute des Mordes
überführt werden, Erbin nach ihrer Mutter und hat damit
auch ein erhebliches Motiv. Das zu den Moti-ven, nun zu
den Beweisen. Der Täter hat
offensichtlich die Uhr zurück gestellt. Es ist heute aber
nicht erwiesen worden, dass mein Mandant die Uhr zurück
gestellt hat. Der Herr
Staatsanwalt hat ausgeführt, dass die Tat nach 1.00 Uhr
stattgefunden haben soll. Ob die Tat tat-sächlich stattgefunden
haben soll, wissen wir nicht. Wir wissen ja noch nicht
einmal, ob Frau Kettler nicht vielleicht doch noch lebt.
Was bleibt, sind nur Vermutungen, wie sie der Staatsanwalt
die ganze Zeit angestellt hat. Und deshalb ist mein Mandant
freizusprechen. Ich
bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
RAH:
Danke Herr Verteidiger. Herr Kettler, Sie können sich selbst
auch noch verteidigen, Sie haben auch das letzte Wort bevor
ein Urteil gesprochen wird.
Angeklagter:
Ich habe meine Frau immer geliebt. Es gibt für mich nur
einen Gedanken der mir Hoffnung macht, der Gedanke, dass
meine Frau vielleicht noch lebt.
RAH: Das waren Ihre letzten Worte? Dann zieh'n wir uns
zur Urteilsberatung zurück.
Urteil:
Ich
verkünde im Namen des Volkes folgendes Urteil: Der Angeklagte
Friedrich Kettler ist schuldig des Mordes. Er wird deshalb
zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die besondere
Schwere der Schuld wird festgestellt. Der Angeklagte trägt
die Kosten des Verfah-rens. § 211 Abs. 1 und Abs. 2 Strafgesetzbuch.
Dann ergeht noch der Beschluß: Der Haftbefehl bleibt in
Vollzug. Nehmen Sie Platz.
Urteilsbegründung:
Herr Kettler, auch wenn Ihre Frau bis heute verschwunden
ist, sie ist tot und sie ist ermordet. Sie wurde zunächst
zu Hause betäubt.
Davon haben uns die Chloroformflecken auf Ihrem Sofa überzeugt.
Sie wurde dann lebend in ein Waldstück gebracht, das beweist
das Foto, das wir
vorliegen haben. Und wenn sie diesen Wald lebend wieder
verlas-sen hätte, dann wär sie auch wieder aufgetaucht.
Der Täter hat sie entweder dort im
Wald getötet und dann vergraben oder gar lebendig begraben,
so dass sie dort ganz elend gestorben ist. Und dieser Täter,
das waren Sie. Es mag auch sein,
dass der Herr Kühne ein Motiv hat, es mag auch sein, dass
der Herr Kühne Zugang zu dem Computer hatte, auf dem die
Briefe geschrieben worden sind,
aber eben Sie auch. Es mag auch sein, dass der Herr Kühne
genau so die Möglichkeit gehabt hätte, Foto und Uhr zu
manipulieren, aber Sie haben diesen ent-scheidenden Fehler
begangen. Dieses Foto, das kann erst nach 1.00 Uhr aufgenommen
worden sein, das haben wir ham wir gehört, weil die Zeitung
vorher gar nicht produziert war, und diese Armbanduhr,
die ist unbeschädigt, das heißt, sie ist auch nicht stehen
geblieben oder etwas ähnliches. Irgend jemand hat also
diese Armbanduhr manipuliert, um an Hand dieser Manipulation
den Eindruck zu erwecken, dieses Foto sei schon 22.12 Uhr
aufgenommen worden. Und jetzt kommt der Punkt: Wer sollte
Interesse daran haben, diese falsche Zeit vor-zutäuschen?
Kein anderer Entführer, nur derjenige, der ein Interesse
daran hatte, weil er bei 'ner Entführung um 22.12 Uhr aus
dem Schneider gewesen wäre. Und das wär der Herr Kühne
ganz und gar nicht gewesen, der hatte nämlich kein Alibi,
der war allein zu Hause. Aber Sie,
Sie waren eben zwischen 22 und 24.00 Uhr bei der Frau Martino.
Keine Frage, Sie haben sogar treu sorgend zu Hause angerufen,
aber die Telefone sind
stumm geblieben und Ihre Frau zu Hause arglos. Und da haben
Sie den zweiten Fehler gemacht, Sie haben's nämlich versäumt,
diese stumm geschalteten
Telefone rechtzeitig wieder in Ordnung zu bringen, bevor
Ihre Tochter dummer Weise früher nach Hause kam. Und last
not pleas, wir haben den Herrn Bader,
und der hat Sie dummer Weise um 2.00 Uhr nachts auf der
Landstraße gesehen. Dummer Weise passt diese Beobachtung
genau in diesen tatsächlichen
Zeitablauf. Und Sie, Sie hatten eben auch ein sehr starkes
Motiv: Habgier.
Eine Lebensversicherung von umgerechnet 250.000 ,
Risikolebensversicherung und Sie der Begünstigte. Und 5
Tage, fünf Tage, nach dem Ihre Frau Ihnen zum
ersten Mal angedroht hat, sie würde Ihnen den Geldhahn
zudrehen, haben Sie den Antrag gestellt. Nach dem Gesetz
hier, ganz klar lebenslange
Freiheitsstrafe zwingend. Und weil's hier ein ganzhinterhältiges
und niederträchtiges Verhalten war, Sie haben das lang
vorbereitet, zwei Mordmerkmale, Sie haben ganz außergewöhnliche
hohe Gesinnung gezeigt, indem Sie Ihre Frau vor ihrem eigenen
Grab noch dazu gezwungen haben, sich fotografieren zu lassen.
Deswegen war hier die besondere Schwere der Schuld festzustellen,
das heißt, Sie werden keine Gelegenheit, Sie werden keine
Gelegenheit haben, nach 15 Jahren auf Bewährung freizukommen.
Gegen dieses Urteil können Sie innerhalb einer Woche Revision
einlegen
Schlussworte:
Dieses letzte Bild ist alles was wir haben, aber wir haben
einen Mord ohne Leiche. Frau Kettler, nicht zu wissen,
wo die Mutter geblieben ist, das mag ganz besonders bedrückend
sein, aber wenigstens, Sie können ab heute sicher sein,
zu wissen, wo der Täter ist und dass er büßt. -
Sitzung ist geschlossen.
Verteidiger:
(leise zum Angeklagten): Ich wird für Sie Revision einlegen
und das restliche besprechen wir in der Haftanstalt, ja? |