Kuriose Gerichtsurteile

Was Autofahrer so alles hinnehmen müssen

Sendung vom 18. Februar 2006

Kurz auf die Uhr geschaut, und schon hat man 40 Euro weniger im Geldbeutel. Zu schnell gefahren, ohne geblitzt zu werden, und trotzdem wird man zur Kasse gebeten. Überhaupt nicht gefahren, aber man muss trotzdem für den Unfall haften. Klingt unglaublich? Das sind alles Fälle, die vor Gericht entschieden worden sind. Kuriose Fälle und ihre oft kuriosen Urteile.

Es gibt nichts, was es nicht gibt

Es gibt wirklich nichts, was es nicht gibt. Jemand begeht Unfallflucht. Seine Strafe: jeden zweiten Tag vor dem Gefängnis joggen. Noch verrückter: Ein Radkappen-Dieb bekommt Schmerzensgeld, weil ihm jemand beim Diebstahl aus Versehen über die Finger gefahren ist. Klingt ziemlich unglaublich, oder? Gemeinsam mit Sat.1 Fernsehrichter Alexander Hold kramen wir in Gerichtsakten mit kuriosen Urteilen: "Ich habe ja Jahre lang Verkehrsgerichtssachen verhandelt. Inzwischen ärgere ich mich darüber, dass ich nicht Tagebuch geführt habe. Man hat wirklich fast jede Woche abstruse Geschichten und kuriose Fälle auf dem Tisch."


Akte Nr. 1: Geschwindigkeit

Ein Autofahrer muss Strafe zahlen, weil er schneller als mit Schrittgeschwindigkeit an einem Schulbus vorbeigefahren sein soll. Dabei ist er nicht etwa geblitzt worden. Der einzige Beweis ist die Einschätzung seiner Geschwindigkeit durch einen Polizisten. Das Gericht entscheidet, dass er zahlen muss. Ein Polizist könne sehr wohl mit bloßem Auge einschätzen, ob jemand mit Schrittgeschwindigkeit fährt oder nicht.Das Gericht kennt auch kein Pardon, wenn jemand zu schnell fährt, weil er ganz dringend auf die Toilette muss. Im Notfall sollte sich der Autofahrer einfach auf dem Sitz erleichtern.

Richter Holds Urteil:

Unser Fernsehrichter hätte in diesen Fällen wohl ähnlich entschieden: "Also, ich würde sicherlich keinen Autofahrer verurteilen, nur weil ein Polizist sagt,jemand sei genau 68 Kilometer pro Stunde gefahren. Aber hier ging es um Schrittgeschwindigkeit, also um drei bis vier Stundenkilometer. Und wenn ein Polizist sicher ist, dass jemand über Dreißig gefahren ist, denke ich, dass er das wirklich abschätzen kann.Die Ausrede mit dem Stuhlgang: Je dümmer die Ausrede, desto grobschlächtiger die Antwort des Gerichts. Würde man jedem glauben, der so eine Ausrede hat, müsste jeder plötzlich dringend auf die Toilette."


Akte Nr. 2: Handy

Sitzt man am Steuer, ist schon der Blick auf das Handy ist verboten. In einem Fall will ein Autofahrer nur kurz auf die Handyuhr schauen, als er in eine Polizeikontrolle rauscht: macht 40 Euro Strafe. Ein anderer Autofahrer wurde mit dem Handy am Steuer erwischt und musste nicht zahlen. Seine Begründung wurde vom Gericht anerkannt. Er gab an, er hätte das Handy nur von A nach B gelegt, weil es so geklappert hatte.

Richter Holds Urteil:

"Diese Regelung ist natürlich sehr inkonsequent. Der Gesetzgeber hat festgelegt: Ich darf das Handy zwar nicht in der Hand halten und benutzen. Aber auf die Ausrede, ich wollte das Gerät nur von A nach B legen, ist super. Ich würde darauf vertrauen, dass man vor jedem Gericht damit durchkommt."


Akte Nr. 3: Parken

Bernd Stütz ist fassungslos. Gerade aus dem Urlaub zurückgekommen, stellt er fest, dass sein Auto weg ist. Verschwunden aus einem überwachten Münchner Parkhaus. Auf seinem ehemaligen Parkplatz steht sogar ein anderes Auto. Der Wagen wurde nicht gestohlen, sondern von der Polizei aus Sicherheitsgründen abgeschleppt, weil er das Autofenster einen Spalt weit aufgelassen hatte. Das Gericht entscheidet, dass Bernd Stütz dafür über 300 Euro Abschleppkosten zahlen muss, was ihn fassungslos macht: "Das Auto war völlig leer, es befand sich absolut nichts drin. Außerdem hatte es eine Wegfahrsperre und eine Alarmanlage. Ich kann mir daher nicht erklären, was der Grund sein sollte, mein Auto aus einem an sich geschlossenen und überwachten Parkhaus abzuschleppen."

Richter Holds Urteil:

Auch der Fernsehrichter hält das für übertrieben: "Die Polizei hat einen Ermessensspielraum, aber sie muss verhältnismäßig handeln. Das Problem ist, dass es manche Richter so sehen und andere anders."


Akte Nr. 4: Unfall

Nicht immer muss der Fahrer alle Kosten eines von ihm verschuldeten Unfalls tragen. Das zumindest hat ein Gericht in Hamm entschieden. Stattdessen musste die Beifahrerin in diesem Fall einen Teil übernehmen, weil sie den Fahrer abgelenkt hatte. Sie hatte ihm aus Spaß einen Aufkleber ins Gesicht geklebt, und daraufhin war der Unfall passiert.

Richter Holds Urteil:

Alexander Hold hätte ähnlich entschieden: "Es geht ja nicht darum, dass die Dame einen Teil des Schadens an den beiden Fahrzeugen bezahlen muss. Sondern es geht um ihren eigenen Schaden, beispielsweise aufgrund ihrer Verletzungen. Dass sie da nicht alles ersetzt bekommt, halte ich für gerecht."


Akte Nr. 5: Ausland

Ziemlich kuriose Entscheidungen, aber nichts gegen Gerichtsurteile im Ausland. In Ohio wurde ein Autofahrer von einem Gericht dazu verurteilt, jeden Tag vor dem städtischen Gefängnis zu joggen. Er hatte nach einem Unfall Fahrerflucht begangen. Ein anderer Autofahrer musste seinem Nachbarn 74.000 Dollar Schmerzensgeld zahlen, nachdem er über dessen Hand gefahren war. Dabei war der Nachbar gerade dabei, ihm die Radkappen zu klauen.

Richter Holds Urteil:

"In den USA gibt es ja andauernd irgendwelche Entscheidungen, über die man bei uns nur den Kopf schütteln kann. So etwas wäre in Deutschland natürlich nicht möglich. Nichtsdestotrotz fände ich es manchmal gut, wenn die Gerichte mehr Möglichkeiten hätten, als immer nur die sture Einteilung: Geldbußen, Geldstrafen, Freiheitsstrafen und Punkte in Flensburg."


Doch auch mit den oft eingeschränkten Möglichkeiten der deutschen Richter wird der Stapel der kuriosen
Urteile wohl weiter wachsen und wachsen und wachsen......

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