INGO LENßEN BEI "RIVERBOAT" 14.5.04 IM MDR

Jan Hofer (zu G. P. Wöhler): Sie haben´s auch schonmal gesehen?
G.P.W: Ich hab´s auch schon gesehen, klar. Aber der Mensch, der dann jetzt bei Lenßen und Partner zu ihnen kommt, in die Rechtsanwaltskanzlei, ist der ein Schauspieler? Der ist doch nicht wirklich jetzt...
IL: Nein, das ist ein Laiendarsteller.
G.P.W: Ein Laiendarsteller, der aber mit dem Fall jetzt nicht akut beschäftigt ist.
IL: Nein, ist er nicht. Und das ist für mich teilweise, ich mein, man mag über die Laiendarsteller vieles sagen, aber ich muß ganz ehrlich sagen, wie vorbereitet die kommen und mit welcher Hingabe die ihre Rolle da spielen, da maße ich mir wirklich an zu sagen, die vermögen das in Ansätzen nachzuvollziehen, das Problem, was sie mir da vortragen. Und das find ich auch klasse!
Hartwig Gaider: Warum schwenkt das manchmal schwarz-weiß und Farbe?
IL: Weil diese sw-Kamera ist dann diese Beobachtungskamera. Das sind Bilder aus den Kameras, die die Detektive dabei haben, oder es sind Knopflochkameras, und damit zeigen wir dem Zuschauer, eben, wir vermitteln ihm dieses Schlüsselloch-Erlebnis, nicht, daß er wirklich hautnah dabei sein kann.
KF: Und mit den eigenen schauspielerischen Qualitäten, die, sie müssen ja manchmal Höchstleistungen vollbringen, wie sind sie damit zufrieden? Oder wie erscheint ihnen das auf einmal selber, als eigentlich Anwalt ein Schauspieler auf einmal zu sein?
IL: Also: Genau das möchte ich wirklich zum Ausdruck bringen, das bin ich nicht. Ich bin ein Darsteller. Ich habe keine schauspielerische Ausbildung, ich würde mir niemals anmaßen zu sagen, daß ich ein Schauspieler bin. Ich versuche, es nach meinen Möglichkeiten rüberzubringen, aber mehr auch nicht. Als wir uns für die Vorbereitung der Sendung zusammengesetzt haben, hab ich gesagt, ich freue mich so,z. B. diese beiden Herren hier heute Abend kennenlernen zu dürfen, weil das sind Schauspieler und ich bin früher ins Kino gegangen, oder gucke mir im Fernsehen Sachen an, und da haben die beiden mitgespielt und das find ich toll. Das ist Leistung, aber das, was ich da mache, das ist eine darstellerische Leistung, aber keine schauspielerische.

Horst Krause: Darf ich nochmal was fragen? Also es wird improvisiert, ne? Das ist also ein vorgegebener Fall, den man durchgeht, und dann wird improvisiert.
IL: Ja.
HK: Und wenn jetzt Einstellungen wiederholt werden, passiert das auch?
IL: Ja.
HK: Also wird das auch wieder improvisiert.
IL: Ja, aber wir versuchen dann schon, ansatzweise auf der Linie zu bleiben, die wir vorher hatten.
HK: Jaja, muß ja, klar.
Müller: Also das ist ja weitaus schwieriger, ich finde, das ist eine Kunst zu improvisieren.
IL: Also vor den Laiendarstellern, das sag ich ganz ehrlich, da zieh ich jeden Hut.
Müller: Natürlich ist es eine Kunst zu improvisieren, aber es ist auch eine große Kunst, dem vorgeschriebenen Text Fleisch zu verleihen.
IL: Also ich hab gerade letzte Woche ein Erlebnis gehabt mit einer jungen Schauspielschülerin. Da bin ich rausgegangen, also die Szene war abgedreht und ich bin rausgegangen und hab zu dem Regisseur gesagt: und das ist genau der Punkt, weshalb ich das mache. Weil ich das jetzt hier erleben durfte. Das waren 2 Minuten, aber die waren für mich so intensiv, daß ich so ansatzweise mal spüren durfte, was ´n Schauspieler machen darf.
Jörg Kachelmann: In Ludwigshafen am Bodensee ist ihre Kanzlei. Viele Menschen kennen nicht Ludwigshafen am Bodensee, ich hab das Glück gehabt, dort in der Nähe aufgewachsen zu sein. Und für die Menschen, die aus Berlin kommen wie Kim Fischer: Es ist nicht gerade die Speerspitze der Urbanität dort. Also, die Frage stellt sich: Ist überhaupt Kriminalität in Ludwigshafen am Bodensee schon erfunden worden? Bzw. was haben sie dort überhaupt zu tun? Weil es sieht doch nicht so aus, als ob dort was passieren würde.
IL: Da passiert ´ne ganze Menge. Wir haben einige Strafkammern beim Landgericht in Konstanz, bei dem ich übrigens gestern Morgen noch verteidigt habe, da passiert alles, und zwar die ganze Bandbreite. Wir sind, Dreiländereck brauch ich nur zu sagen, hohe Drogenkriminalität, da gibt es einiges zu tun. Da gibt es auch Mord und Totschlag. Soll man gar nicht glauben, ne? Is so schön heimelig, gerade die Nähe dann zur Schweiz.
JK: Da komm ich her, das fühlt sich nicht so an. Was ist denn ihre Spezialität? Können sie etwas ganz besonders gut?
IL: Sie meinen in der Juristerei? Ich bin Fachanwalt für Strafrecht. D. h. ich bin Strafverteidiger, bearbeite aber auch noch Mandate aus dem Erbrecht und dem Familienrecht. Wobei das Familienrecht meine Kollegin jetzt mehr und mehr übernimmt, d. h. es bleiben noch zwei Gebiete, Straf- und Erbrecht.

JK: Familienrecht, wenn sie das sagen, also das ist wenn sich jetzt Menschen, die mal verheiratet waren, z. B. streiten.
IL: Um die Kinder, ja.
JK: Viele Menschen sagen, da sind vor allem immernoch die Männer benachteiligt, die kriegen nie Recht gesprochen. Ist das so?
IL: Ich habe vor 14 Tagen an einer Podiumsdiskussion teilgenommen, da ging es genau um dieses Thema, daß Väter benachteiligt sind. Ich glaube, daß deutsche Gerichte heute da anders sprechen. Also sie sind offener geworden. Ich hab viele Verfahren gemacht, wo Väter ihre Kinder zugesprochen bekommen haben, weil sie aufzeigen konnten und die Kinder das auch formulieren konnten - das geht natürlich erst ab ´nem gewissen Alter - daß sie gerne bei den Vätern sein möchten. Aber wir haben natürlich dieses traditionelle Prinzip oder Problem, daß die Väter berufstätig sind und dadurch natürlich von Grund auf ein bißchen gehandicapt sind, darlegen zu können und auch glaubhaft machen zu können, daß sie fulltime für die Kinder da sind. Aber ich finde das sehr sehr gut, daß sich die Väter da immer mehr engagieren, und ich halte das auch für richtig.
JK: Bei Politikern ist es ja so, daß die sich zwar schon im Bundestag, also da geht´s dann tierisch ab und die beleidigen sich auch gegenseitig ein bißchen, aber nachher trinken die dann zusammen irgendwo. Bei den Anwälten, ihr schreibt euch ja auch immer "sehr geehrter Herr Kollege", so fängt das an, und dann wird erstmal schön beleidigt, und dann kommt zum Schluß so ´ne freundliche Formulierung, und vorher telefoniert ihr aber doch miteinander. Ist das ernst, daß sich Anwälte untereinander - das sieht man ja auch in den Gerichtsshows auch immer - daß es da tierisch zur Sache geht, aber hinterher trinkt ihr zusammen und lästert über die Mandanten?
IL: Also was sicherlich stimmt, also ich will da vielleicht einiges zu sagen - lästern über die Mandanten, da erzähl ich gleich noch was zu - wenn unter dem Brief steht "mit kollegialer Hochachtung", dann weiß ich, der Krieg ist ausgebrochen. Also normalerweise steht drunter "mir freundlichen kollegialen Grüßen". Wenn da die freundlichen schon gar nicht mehr drunterstehen, sondern nur die kollegialen Grüße, dann denke ich da: ohoh, jetzt geht´s los.
Ich genieße den Streit vor Gericht, ich finde das sehr sehr schön. Und ich streite mich auch mit vielen Staatsanwälten bis auf´s Messer. Und auch das genieße ich. Aber: Der Fall ist abgeschlossen, und dann kann man wieder zu ´ner Sachlichkeit zurückkehren, die man vorher vielleicht nicht ganz verlassen sollte, und dann ist das auch ok. So, und jetzt zu dem Lächerlichmachen über die Mandanten. Es gibt Dinge, über die man dann spöttelt, das ist wie bei Medizinern auch, aber das sind Dinge, die weg von dem Menschen sind. Es ist die Skurrilität des Alltags, die wir Juristen dann ja mitbekommen. Ich sag mal ein Beispiel: Maschendrahtzaun. Soll man das wirklich ernst nehmen? Der Mensch hat in dem Moment ein Problem mit diesem Zaun. Aber wenn ich doch weg von dem Menschen bin und dann nur noch diesen Punkt sehe, abstrakt vom Menschen weg gesehen, was ist denn schlimm, wenn ich darüber mal lächle? Da haben wir alle drüber gelächelt und uns alle drüber gefreut.

JK: Aber wie hätten sie damals dabei reagiert? Hätten sie den Streit auch ausgefochten?
IL: Ich hätte den Fall überhaupt nicht übernommen. So ist das. Ich sage ihnen ganz ehrlich eines: Meine tiefe Überzeugung ist, daß ich als Anwalt auch dazu berufen bin, Mandanten abzuraten von Rechtsstreitigkeiten. Und wenn einer zu mir kommt und sagt zu mir, mein Nachbar, der tut immer dies und jenes, dann frag ich den: Wenn wir diesen Prozeß jetzt machen, dann dauert der vielleicht ein Jahr, der dauert vielleicht zwei Jahre oder vielleicht sogar noch länger. Wollen sie drei Jahre ihres Lebens verprozessieren, nur weil ihnen irgend jemand die Hecke zu kurz geschnitten hat? Und wenn er dann sagt "ja", dann muß ich ihm sagen, er soll sich einen anderen Kollegen suchen. Das tu ich nicht.
JK: So ein Anwalt und ein Verteidiger, das ist ja auch etwas ganz seriöses, das ist auch wichtig. Haben sie auch da was spezielles an oder so, ich hab ja keine Ahnung...
IL: Ja, den Talar, diesen schwarzen Talar, die Robe.
JK: Also das schwarze Zeug habt ihr dann auch wirklich an, ok. Und da ist ja eigentlich überraschend, daß sie da dieses "Theater" im Gesicht haben, also diesen Bart, war das schon mal irgendwie ein Nachteil für sie? Hat ihnen da schonmal jemand gesagt, das wäre aber jetzt schöner, Herr Kollege, wenn sie den nicht hätten?
IL: Das hat es mal gegeben als ich mich beworben habe in der Wirtschaft. Das war ein altehrwürdiges deutsches Wirtschaftsunternehmen, die hatten die Stirn, mir am Ende des Bewerbungsgespräches, das mit drei Sprachen abging - also ich war ein halbes Jahr in Brasilien, sprach deshalb damals fließend Portugiesisch, wir haben das Bewerbungsgespräch in Deutsch, in Englisch, weil ich das damals auch noch fließend gesprochen habe, auf Portugiesisch, teilweise auf Spanisch und dann kamen noch lateinische Sätze hinzu - das hatten wir geführt, es war alles wunderbar. Am Ende dieses Gespräches guckt mich dieser Herr an und sagt: "Herr Lenßen, wären sie bereit ihren Bart abzurasieren?" Den hatte ich damals schon, also dieses Schauspiel im Gesicht oder dieses Theater im Gesicht gibt´s schon seit über 20 Jahren. Und dann habe ich ihn gefragt: "Warum, gibt´s da irgendwie ein erhöhtes Entgelt für oder so?" Und da sagt er "Nee nee, für unser Unternehmen." Und zu dem Zeitpunkt hab ich mir gesagt, wenn du in die Wirtschaft rein willst mit dem Bart, da mußte dich ja richtig verbiegen, und da haste keine Lust zu.
KF: Was sagt denn ihre Frau, wie sich das so beim Küssen anfühlt?
JK: Na die kennen sich so lange, da küssen die nicht mehr...
IL: Moment! Das hab ich heute noch...
KF: So ein Neidhammel!

IL: Wir küssen sogar noch sehr intensiv, und zwar so intensiv, daß mein kleiner vierjähriger Sohn immer sagt, Mami, jetzt bist du meine Frau, komm jetzt her. Und denn ist wieder Schluß.
Jan Hofer: Was sagt eigentlich ihre Frau, also Lenßen und Partner find ich ja prima, aber diese Alexander-Hold-Show mit diesen wirklich gequirlten Fällen, sagt ihre Frau nicht manchmal zu ihnen "was machst du da, du bist doch ein gebildeter Mensch, warum machst du sowas?
IL: Meine Frau kann das gar nicht sehen, weil meistens läuft um diese Uhrzeit Benjamin Blümchen, und das guckt unser Sohn, damit ist das Thema schonmal ad acta, d. h. sie kann sich da gar kein Urteil mehr drüber erlauben. So, und jetzt mal zu diesen gequirlten Fällen bei Alexander Hold: Ich versteh ja, daß man gerne darüber lästert, das ist auch absolut in Ordnung, ich tu das manchmal ja selber auch. Und Alexander Hold und wie sie alle heißen, ob Sewarion Kirkitadse, der mitmacht oder Stephan Lucas. Natürlich gehen wir nachher hin, wenn da die Frau mit dem Bodypainting drin war und sagen, das gibt´s doch im normalen Gerichtssaal überhaupt nicht. Aber wir sind da gehalten, Unterhaltung zu bieten, und zwar in kürzester Zeit. Wir sollen einen Ablauf in nur 22 Minuten darstellen, und ich denke, wir stellen ihn unterhaltsam dar mit allen Skurrilitäten. Natürlich kann das ´n Jurist nicht ganz für voll nehmen, nicht, aber ich denke, es sind immer noch Dinge dabei, die man durchaus für voll nehmen kann. Auszüge aus diesen 22,5 Minuten, die wir da zeigen.
KF (zeigt auf den Bart): Womit machen sie die Schnecke?
IL: Da gibt´s zwei Cremes.
JK: Und wie sieht das am frühen Morgen aus?
IL: Völlig zerstubbelt. Ich trage keine Bartbinde, um dem gleich vorzugreifen.
JK: Wir werden sehen, wie sich das im Laufe dieser Sendung entwickeln wird, meine Damen und Herren. Bleiben sie deswegen dran bis 24 Uhr, vielleicht fällt es ja doch schon ein bißchen runter.

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