"Schon immer haben Bürger Gerichte als Bühne missverstanden auf der sie Dampf ablassen können."

Alexander Hold

"Das Klima in den Gerichtssälen verändert sich. Die Beteiligten glauben, sie müssen Show machen."

Geert Mackenroth

Mackenroth: Das ist sehr bedauerlich, eine Folge davon, dass die Justiz in den Fernseräten nicht repräsentiert ist. Juristisch mag das ja in Ordnung sein, was Sie machen. Aber die Themen der Fälle, der Radau im Sitzungssaal sind ausschließlich Show. Befürchten Sie nicht, dass sich Ihr Format ebenso schnell überlebt wie die Talk-Shows und die TV-Manager sich dann eine neue Form des Seelenstriptease ausdenken müssen - vielleicht die öffentliche Beichte?

im Leben stehen und nicht - wie Bürger mitunter glauben - den Täter hätscheln und das Opfer quälen.
Mackenroth: Ich glaube, das alles weiß man längst. Auf den Amtsgerichten arbeitet meist eine höchst engagierte Belegschaft, mindestens zur Hälfte junge Kolleginnen.
FOCUS: Wenn man Herrn Hold so zuhört, könnte man auf die Idee komen, dass Bundesjustizministerin und Richterbund Justizshows sponsern müssten.
Mackenroth: Justiz baucht professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Bei mancher Gerichtsshow bin ich froh, dass Justitia eine Augenbinde trägt und sich das nicht ansehen muss. Ich würde ihr wegen der Fäkalsprache sogar noch Ohrenstöpsel wünschen.
Hold: Wenn ich einem 16-jährigen die Regeln der Beweiserhebung und -verwertung erklären will, zappt der innerhalb von drei Sekunden zu MTV weg. Wenn ich aber einen Fall zeige, in dem heimliche Videoaufnahmen eine Rolle spielen, die wir aber nicht als Beweismittel verwenden dürfen, dann wissen das die drei Millionen Zuschauer dieser Sendung hinterher. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben dagegen all die respektablen Justiz-Formate aus dem Programm gekippt.

Das Tele-Gen hat Sat1 Richterin Barbara Salesch die so gern über den Brillenrand ihrer Halbbrille linst. Sie machte Gerichtshows popolär.

Hold: Bei uns stellt sich niemand bloß. Wir führen keine echten Menschen vor, die wir hinterher wieder fallen lassen. Bei uns enden die Fälle mit einem Urteil, das Werte vermittelt. Ich stelle sogar fest, dass jetzt auch die verbliebenen Talk-Shows zunehmend versuchen, Lösungen anzubieten. Im Übrigen habe ich nichts zu befürchten. Ich bin mit Leib und Seele Richter - wenn der Zuschauer mich nicht mehr sehen will, kehre ich wieder in den Staatsdienst zurück.
FOCUS: Wirken die Gerichtsshows schädlich auf die reale Justiz?
Mackenroth: Das Klima in den Gerichtssälen verändert sich. Die Prozessbeteiligten glauben immer häufiger, sie müssten eine Rolle spielen. Show machen. Das macht es für uns schwieriger, die Wahrheit herauszufinden.
Hold: Das ist mir zu billig. Schon immer haben Bürger Gerichte als Bühne missverstanden, auf der sie Dampf ablassen können. Mit unserem Format gibt es jetzt einen Sündenbock dafür.


MODERATION: H. KISTENFEGER/I. RÖLL

FOCUS 17/2003

by Pega




 

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