VON ANGELA WALSER Unterföhring - Fünf Gerichtsprozesse
an einem Tag, Sitzungsstress von zehn Uhr früh bis tief
in die Nacht: Für vier Münchner Rechtsanwälte ist das ganz
normaler Alltag, allerdings nicht im Strafjustiz-Zentrum
der Landeshauptstadt, sondern in den Fernsehstudios von
Unterföhring (Kreis München). Ricarda Lang (36), Sewarion
Kirkitadse (50), Stephan Lucas (33) und Christian Vorländer(32)
spielen bei der täglichen SAT.1-Gerichtsshow "Richter
Alexander Hold" mit. Bis zu viermal im Monat stehen
die Juristen vor der Kamera - und es macht ihnen viel Spaß.
"Man kann seine Rolle so richtig ausleben", schwärmt
Lucas, der wie sein Kollege Kirkitadse in der Serie den
Staatsanwalt mimt. Christian Vorländer, der mit Ricarda
Lang als Strafverteidiger auftritt, betrachtet es als Hobby:
"So wie andere halt zum Surfen gehen", sagt er.
Lang und Lucas, die von der ersten Sendung am 12. November
2001 an dabei waren, verstanden sich juristisch so gut,
dass sie mit Jahresbeginn eine eigene Kanzlei eröffneten.
Dort werden sie aber alles andere tun, als gemeinsam Drehbücher
studieren. Im harten Verteidiger-Alltag geht jeder seinen
Weg. Ende des Jahres werden sie wieder gemeinsam in einem
Terror-Prozess vor dem Oberlandesgericht München verteidigen.
Drehbücher gelten bei der Gerichtsshow nur als Leitfäden.
"Dort steht, was wir sagen sollen", erklärt Ricarda
Lang, "aber weil wir keine Schauspieler sind, ist
das nicht unsere Sprache. Wir sind frei in der Formulierung,
nur der Sinn muss stimmen."
Die Texte werden stets von zwei Juristen überprüft. Für
eben diesen Job hatte sich Ricarda Lang im Sommer 2001
bei SAT.1 ursprünglich beworben. "Kein Interesse",
lautete die Antwort des Senders, "aber kommen sie
mal zum Casting." Unbeschwert und sich keine Chancen
ausrechnend, fuhr die Juristin nach Unterföhring, hielt
ein kurzes, knackiges Plädoyer und wurde genommen. Den
Kollegen erging es ähnlich.
In Juristenkreisen wird das TV-Engagement wohlwollend zur
Kenntnis genommen. "Wenn es Ihnen Spaß macht",
kommentiert der renommierte Münchner Rechtsanwalt Eckhart
Müller die Auftritte. Dem Ansehen der Anwälte würde der
Einsatz vor der Kamera sicher nicht schaden, glaubt Müller,
der früher selber beim Verkehrsgericht mitwirkte. Ihm ist
es bloß wichtig, dass die Realität in knapp 30 Minuten
Sendezeit nicht aus den Augen verloren geht.
Fernseh-Engagement ist finanziell lukrativ
Die Fernseh-Kollegen bestätigen, dass sie um Authentizität
bemüht sind, wenngleich sie zugeben, dass in den TV-Prozessen
wesentlich mehr Überraschungszeugen auftreten, als in einer
echten Verhandlung. "Dafür sind es ja auch Gerichtsshows",
erklärt Ricarda Lang.
Mehr Klienten glaubt sie durch den finanziell lukrativen
TV-Einsatz nicht gewonnen zu haben. Allerdings würden sich
die Mandanten stets freuen, wenn sie ihre Verteidigerin
im Fernsehen entdeckt hätten. Zu Verwechselungen mit seiner
Rolle als TV-Staatsanwalt ist es laut Stephan Lucas bislang
nicht gekommen: "Die Mandanten können das unterscheiden."
Nur in einem Fall, so erinnert sich Sewarion Kirkitadse,
habe ihn ein Mandant verwechselt. Der Russe habe erschrocken
den Raum verlassen. Er wollte nicht mit einem Staatsanwalt
sprechen.
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