Herr Hold, wie erklären Sie sich den
Erfolg Ihrer Gerichtsshow?
Es ist spannende Unterhaltung - man kann mitraten,
wer oder wie es war. Dazu kommt, dass jeder sein Rechtsverständnis
überprüfen kann. Man sieht nicht nur das Verbrechen,
sondern auch, wie die Justiz mit Tätern und Opfern
umgeht und entscheidet.
Stehen Ihre Urteile im Drehbuch fest?
Nein. Ich habe mir als aller erstes in den Vertrag
schreiben lassen, dass ich die richterliche Unabhängigkeit
bewahre. Wir haben zwar für die Sendung einen "roten
Faden", für die Entscheidung muss ich mich an
kein Drehbuch halten. Ich fälle mein Urteil selbst.
Und das tatsächlich nach dem letzten Wort des Angeklagten
- wie man es auch als Richter bei der Justiz tut. Im
Studio sind einige deswegen schon mal genervt - weil
ich manchmal eben etwas Zeit für die Urteilsentscheidung
brauche. Und Zeit ist Geld.....
Was halten Richter-Kollegen eigentlich von Ihrem
Job bei SAT.1?
Ich bin sehr froh darüber, dass das bayrische Justizministerium
das sehr positiv begleitet und sehr angetan davon ist,
wie ich die Justiz im Fernsehen repräsentiere.
So wild, wie es da zugeht, mit tiefen Ausschnitten
und Pöbeleien? Wird da nicht ein völlig falsches Bild
vom Gerichtsalltag vermittelt?
Das mit den tiefen Dekolletés ist etwas, was ich auch
nicht mag. Es wäre mir lieber, unsere Zeugen kämen
so wie bei echten Verhandlungen. Prostituierte tragen
da keine Arbeitskleidung, sondern eher Rollkragenpulli.
Aber Fernsehen ist etwas Plakatives, und die Zuschauer
wollen schnell erkennen, um was es geht. Diese Äußerlichkeiten
haben aber nichts mit der Vorstellung von Recht und
Gerechtigkeit zu tun.
Aber es gibt immer wieder Kritik.
Staatsanwalt Rolf Bossi behauptet sogar, dass Gerichtsshows
schädlich für die Justiz sind...
Was bei uns vorkommt, kann auch bei Gericht vorkommen.
Natürlich bilden wir den Justiz-Alltag
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nicht eins zu eins ab. Wenn wir am Nachmittag 20
Ladendiebstähle im Schnelldurchlauf verhandeln, wäre
es schnell langweilig, und viele würden wegschalten.
Ich habe noch kein Argument gefunden, warum Gerichtsshows
schädlich sein sollen. Ich stelle eher fest, dass viele
Menschen plötzlich mehr von Recht und Rechtsprechung
verstehen und sich dafür interessieren.
Woran erkennen Sie das?
Wir bekommen oft Zuschriften von Zuschauern, die sich
wundern, mit welchen modernen Methoden wir arbeiten.
Oder dass es eine Opferbetreuung vor Gericht gibt.
Das sind alles Dinge, die gemacht werden, aber die
Justiz tut sich sehr schwer, damit an die Öffentlichkeit
zu gehen. Deshalb sieht man dort unsere Gerichtsshows
positiv.
Also unschuldig im Sinne der Anklage?
Ja. Denn es gibt im Fernsehen kaum einen Berufsstand,
der so realitätsnah dargestellt wird wie die Justiz.
Jeder Kommissar im Fernsehen hätte im echten Leben
spätestens nach fünf Minuten ein Disziplinarverfahren
am Hals. Oder fragen Sie mal Ärzte, wie die sich in
Krankenhausserien dargestellt fühlen...
Sie verhandeln oft völlig skurrile Fälle. Kenn
Sie die auch aus Ihrer Praxis?
Als ich voller Elan beim Fernsehen anfing, wollte ich
Fälle aus meiner Zeit als Amtsrichter miteinbringen.
Doch da hieß es immer: Das glaubt doch keiner, das
ist viel zu abstrus! Ich habe die bizarrsten Fälle
erlebt.
Da hätten wir gerne Beispiele....
Angeklagte, die mit einem Kasten Bier auf der Schulter
reinkamen. Und dann war da der Mann, der mit seinem
Hund erschien und mir weismachen wollte, der Vierbeiner
wäre sein Verteidiger.
Hat sich Ihr Leben verändert seit
Sie TV-Richter geworden sind?
Anfangs bekam ich Heiratsanträge und Liebesbriefe.
Seitdem sich herumgesprochen hat, dass ich verheiratet
bin, hat das aber nachgelassen ... (lach)
Bettina Plickert |