Jay's
Phone-Talk
mit
Richter Alexander Hold
am 15. 01. 2005
So, und jetzt haben wir wieder jemanden am
Telefon, und ich glaube, es ist doch der Lieblings-TV-Richter
aller Deutschen: Alexander Hold, guten Tag!
Alexander Hold:
Hallo, ich grüße Sie!
Jay: Ich
grüße Sie auch. Wie kommt man als Richter zu einer eigenen
Fernsehsendung?
Alexander Hold:Ja,
wie die Jungfrau zum Kind. Ich wußte eigentlich überhaupt
nicht, wie mir geschieht, irgendwann saß mal jemand von
der Fernsehproduktionsfirma bei mir im Sitzungssaal, und
ich hab dann gedacht, warum bleibt der so lange sitzen
und guckt sich eine Verhandlung nach der anderen an? Das
Wetter draußen ist doch gut, sonst bleiben bei dem Wetter
meistens nur Menschen, die sich wärmen wollen, länger sitzen.
Irgendwann nach Ende der Verhandlung kam dieser Mensch
auf mich zu und sagte "Könnten Sie sich vorstellen,
dasselbe, was sie hier im Sitzungssaal machen, auch im
Fernsehen zu machen?" Und meine Antwort war natürlich
"Nö, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen",
und dann sind wir aber 'nen Kaffee trinken gegangen, und
dann hat der mir das ein bißchen erklärt, und so langsam
konnte ich mir das dann vorstellen. Ja, und dann sind wir
eben in konkrete Gespräche, und dann ging das ganz schnell,
mich für die Sache zu begeistern.
Jay: Heißt das dann auch, daß man dann ich sag mal
exklusiv bei Sat1 einsteigt und dann gar nicht mehr als
"echter Richter" tätig ist?
Alexander Hold: Gleichzeitig
geht das nicht. Ich hab jetzt - ich mein, es wirkt immer
so nett, wenn man eine Stunde am Tag im Fernsehen ist,
denken die Menschen ja, man hat nur eine Stunde zu arbeiten.
Also es ist schon Knochenarbeit, ich sitz sicherlich zwischen
60 und 70 Stunden jede Woche da. Und da geht es natürlich
nicht gleichzeitig. Exklusiv Sat1- jein. Ich hab das Rückkehr-Recht
und ich werde irgendwann, wenn mir das ganze keinen Spaß
mehr macht - oder den Zuschauern das ganze keinen Spaß
mehr macht - sicherlich zur Justiz zurückkehren. Aber gleichzeitig
nebeneinander, das ginge zeitlich nicht.
Jay: Hatten Sie schon immer den Wunsch zum Fernsehen
zu gehen, oder was wollten Sie denn als Kind mal werden?
Alexander Hold: Als
Kind hatte ich so mehrere Wünsche. Wünsche, ja, die eigentlich
jeder hat. Natürlich, wir hatten eine riesige Modelleisenbahn,
und da träumt man schon davon, auch auf 'ner Lokomotive
zu sitzen, aber eigentlich war mein größter Wunsch als
Kind, immer eher Uhrmacher zu werden. Ich hab da auch ganz
ganz früh angefangen und hab also alle greifbaren Uhren
und Wecker auseinandergenommen, aber es hat halt so geendet,
daß beim Wiederzusammenbauen eigentlich immer irgendwas
übriggeblieben ist, und daß keine dieser Uhren und Wecker
jemals wieder funktioniert hatte. Und so hab ich das doch
relativ bald mir überlegt, daß das nicht das Richtige für
mich ist.
Jay: Und wie fängt man das an, wenn man Richter
werden will? Erstmal Jura studieren?
Alexander Hold: Man
studiert erstmal Jura, bei mir war es so, daß ich nebenher
noch ein bißchen Politikwissenschaften und ein bißchen
Philosophie studiert habe, zwei Fächer, mit denen man nur
ganz schlecht Geld verdienen kann. Und so hat sich das
dann einfach auf die Juristerei fokussiert. Und dann macht
man eben die Referendarzeit, in der man sowohl bei der
Staatsanwaltschaft als auch beim Gericht als auch bei Anwälten
mal jeweils ein paar Monate hineinschmecken kann. Und da
hab ich eigentlich schon festgestellt, daß die richterliche
Tätigkeit und auch natürlich die Staatsanwalts-Tätigkeit
mir eigentlich sehr liegen. Naja, und dann muß man nur
noch hoffen und bangen, daß man ein Examen hat, das vom
Ergebnis gut genug ist. Je nachdem, wieviel der Staat braucht,
nimmt er immer so, ja, irgendwo bei den ersten 5 bis 10
Prozent sucht er sich eben die Leute, denen er dann anbietet
zur Justiz zu kommen. Und ich hab dieses Angebot gerade
so bekommen, und dann hab ich's natürlich angenommen.
Jay: Wo waren sie da zuletzt tätig?
Alexander Hold: Als
Richter tätig war ich zuletzt in Kempten im Allgäu. Wir
sind auf Sendung gegangen im November 2001, und das Ganze
hat natürlich ein halbes Jahr fast Vorlauf gehabt, also
bis zum Sommer 2001 war ich zunächst 4 ½ Jahre Staatsanwalt
und dann 4 ½ Jahre Richter.
Jay: Und dann haben sie, als es dann los ging mit
der Sendung, sich auch andere, Barbara Salesch oder so,
mal angesehen?
Alexander Hold:
Ja, es gab zu dem Zeitpunkt eigentlich die Frau Salesch
ein Jahr schon. Die hab ich mir dann eben, nachdem ich
mit dem freundlichen Herrn vom Fernsehen zum ersten Mal
gesprochen hab, hab ich mir natürlich auch zum ersten Mal
die Kollegin Salesch angesehen.
Jay: Aha, und was haben sie vorher so über solche
Sendungen gedacht?
Alexander Hold: Vorher,
muß ich ehrlich sagen, liefen die ziemlich an mir vorbei.
Ich hab halt mal so diese typischen Geschichten "Wie
würden sie entscheiden?" und "Ehen vor Gericht"
und sowas hab ich mir halt zu Studenten-Zeiten manchmal
abends angesehen., in der Hoffnung, dabei ein bißchen was
zu lernen. Aber eben die Sendung von der Frau Salesch,
die lief eigentlich an mir vorbei. Die gab's ja auch noch
nicht so lange.
Jay: In welchem Rhythmus wird das denn aufgenommen?
Alexander Hold: Also
wir drehen jede Woche, manchmal zwei, manchmal drei Tage,
und die Tage, in denen wir nicht drehen, ja, da sitze ich
dann mit den Redakteuren zusammen, mit den Juristen diskutieren
wir, suchen die neuen Fälle und besprechen dann auch, wie
wir sie umsetzen können.
Jay: Ach so, da sind sie dann auch
tätig. Also sie kriegen nicht nur so'n Skript in die Hand
und setzen sich da hin, sondern sind auch die ganze Zeit
redaktionell dabei.
Alexander Hold: Ja,
zum einen redaktionell dabei, und das andere, man braucht
natürlich, genauso wie bei Gericht brauche ich natürlich
meine persönliche Vorbereitung. Weil die Entscheidungen,
die nimmt mir ja keiner ab, die lasse ich mir auch nicht
abnehmen. Da habe ich mir also meine richterliche Unabhängigkeit
ins Fernsehen herübergerettet. Das heißt, ich muß die Fälle
schon auch juristisch vorbereiten, ein bißchen so vorbereiten,
wie ein Urteil aussehen könnte, also das mache ich alles
selbst.
Jay: Was wissen sie denn vorher? Ich sag mal, wenn
die Sendung anfängt, was wissen sie dann von dem Fall?
Es steht dann das Urteil noch nicht fest.
Alexander Hold: Das
Urteil steht nicht fest, im Grunde ist es ganz ähnlich
wie bei der Justiz. Ich kenne die ganze Akte, nur daß die
Akte bei uns natürlich nicht Akte heißt, sondern die nennt
sich schon Drehbuch, d. h. es ist schon so'n Leitfaden,
wie das Ganze laufen soll. Aber wir haben' s natürlich
mit Laiendarstellern zu tun, die sich dann oft ein bißchen
anders verhalten als man das eigentlich gedacht hatte.
Es kommt durchaus auch oft vor, daß da plötzlich einer
im Laufe dieser Vernehmung merkt, hoppala, ich werd hier
ja verurteilt, oder bin eigentlich der viel bösere als
ich mir das ursprünglich gedacht hab, und die dann plötzlich
sich ein bißchen anders einlassen, die sich ein bißchen
anders äußern. Also es geht nicht immer so aus wie wir
uns das gedacht haben. Und vom Ergebnis, was jetzt als
Strafmaß herauskommt, das entscheide ich sowieso immer
erst nach dem Eindruck der Hauptverhandlung, nach dem Eindruck
der Beweisaufnahme.
Jay: Ja, und wenn dann das letzte Wort gegeben wurde,
dann gehen sie erstmal alle weg, und dann, im Fernsehen
kommen sie nach einer Sekunde schon wieder. Wie lange ist
so die Bedenkzeit von ihnen da quasi?
Alexander Hold:
Das ist natürlich ein bißchen anders als bei der Justiz.
Bei der Justiz hat man unbeschränkt Bedenkzeit, da kann
ein Gericht sich durchaus auch mal 3, 4 Stunden zurückziehen,
bis es zu ner Entscheidung kommt. Und bei mir warten natürlich
ganz viele Menschen, die auch bezahlt werden für die Wartezeit.
Also ich versuch, das so meistens innerhalb 10 Minuten
zu machen. Aber auch das gelingt nicht immer. Manchmal
muß man noch irgendwo in nem Kommentar was nachsehen, da
kanns durchaus auch mal länger dauern.
Jay: Staatsanwalt und Verteidiger sind auch alle
echt. Also die kommen im Prinzip wie sie da rein. |
Alexander Hold:
Genau, das sind echte Juristen, die sind jeweils im richtigen
Leben Rechtsanwälte.
Jay: Sind sie denn manchmal verwundert wie echt
- oder auch andersrum, wie schlecht die Leute das dann
spielen?
Alexander Hold:Phhh,
meistens schlecht wirkt's dann, wenn jemand wirklich versucht
zu spielen, zu schauspielern. Je mehr sich die Leute in
die Rolle reindenken, desto besser wird's. Und da bin ich
manchmal unglaublich überrascht, wie toll diese Laien das
dann hinbekommen. Man merkt vielen wirklich an, daß sie
die Rolle leben. Und es kommt oft vor, daß die dann heulen,
daß die echt heulen. Man denkt, ok, jetzt sind die Kameras
aus, jetzt kannste wieder aufhören, und dann merkt man,
da hat so'n Darsteller sich jetzt so in die Sache reingekniet,
daß er nicht mehr zu heulen aufhören kann, weil's ihm wirklich
so nahe geht. Und ich muß zugeben, es geht auch mir selber
oftmals so nahe, daß man feuchte Augen bekommt.
Jay: Es sind auch sehr viele Geschichten am Stück
oder am Tag dann?
Alexander Hold: Jaja,
also wir drehen meistens drei Sendungen an einem Tag.
Jay: Gibt's auch Fälle, wo sie sagen, das würde
eigentlich im echten Leben nicht passieren?
Alexander Hold: Also
es gibt sicherlich - naja, sagen wir mal so, es gibt nichts,
was im echten Leben nicht passiert. Das ist ja das Erstaunliche.
Und ich hab in der Anfangszeit vor Ideen gesprüht aus meinem
Erfahrungsschatz als Staatsanwalt und Richter, und bin
immer wieder in die Redaktion gerannt und hab gesagt, Mensch,
da ist mir noch eingefallen, den und den Fall hatte ich
im echten Leben. Und da ist mir's öfter passiert, daß die
Redaktion mir sagte, nee, also das können wir wirklich
nicht im Fernsehen bringen, das glaubt uns doch keiner.
Also es gibt nichts, was es im richtigen Leben nicht gibt.
Auf der anderen Seite, wir bilden natürlich nicht das Justizleben
und die Rechtsprechung 1:1 ab. Es gibt im richtigen Leben
sehr viele Fälle, die doch gar nicht spannend sind, die
sich immer wieder ähneln. Also ich sag jetzt nur das Stichwort
der Ladendiebstahl und die Trunkenheit im Verkehr, da sind
oft die Umstände doch sehr sehr ähnlich wieder. Und das
ist bei uns natürlich schon sehr viel häufiger, daß wir
Fälle im Fernsehen verhandeln, die ungewöhnlich sind. Also
in ungewöhnlicher Häufung, würd ich mal sagen.
Jay: Gab's auch irgendwelche Pannen oder so? Oder
gibt's z. B. oft, daß da ein Regisseur dabei steht und
dann sagt "stop, das müssen sie aber anders spielen."
? Also Aussetzer, sag ich mal.
Alexander Hold: Also
wir versuchen immer, wie in ner echten Gerichtsverhandlung,
das am Stück durchzuverhandeln. Aber das funktioniert natürlich
sehr häufig nicht. Da gibt's oftmals technische Gründe,
daß irgendwo ich sag mal ein Mikrofon raschelt oder daß
plötzlich ne Kamera durch's Bild fährt, die man ja nicht
sehen soll, solche Dinge. Und es gibt sicherlich auch Gründe,
wo wir abbrechen müssen, weil wir irgendwelche Pannen haben.
Und da lachen wir uns jeden Tag wieder krumm dabei, bei
Dingen, die halt schief gehen. Und dann müssen wir nochmal
ansetzen.
Jay: Wieviele Leute machen denn da bei so ner Sendung
mit? Also ich sag mal von der Casting-Betreuung bis hin
zum Kameramann.
Alexander Hold: Also
wir haben allein ne Redaktion von ungefähr knapp 30 Mitarbeitern,
da sind auch zwei Juristinnen dabei und Producer und die
ganzen Redakteure. Und dann haben wir ein Produktionsteam,
und dann kommen natürlich die ganzen Leute, die im Studio
mitarbeiten, noch dazu, ich glaub, ich kann's gar nicht
zählen. Aber ich denk, an so nem Drehtag, da sind wir sicherlich
im Studio - mal ohne Zuschauer und ohne Angeklagte und
Zeugen - etwas über 100 Menschen.
Jay: Das ist in München, ne? Leben sie auch in München?
Alexander Hold: Ich
leb teilweise in München. Ich leb an sich im Allgäu, wo
ich geboren bin und wo ich herkomm. Und ich find so diesen
Zweiklang ganz angenehm, zum einen die Großstadt, da ist
ja München auch ne ganz angenehme Großstadt, und zum anderen
hab ich's dann doch gern, wenn ich am Schreibtisch sitze
und 'n bißchen auf die Berge schauen kann.
Jay: Sind sie mit den Anwälten auch privat befreundet
oder tifft man sich dann nachher mal und geht nochmal in
die Kneipe oder sowas?
Alexander Hold: Ja,
das läßt sich ja gar nicht vermeiden. Da ist man den ganzen
Tag beieinander, muß sich konzentrieren, muß ernst bei
der Sache sein, zudem drehen wir dann abends oft sehr sehr
lange, und da kann man nicht einfach heim gehen, da ist
es ganz klar, daß man mit den Staatsanwälten und Verteidigern
sehr oft abends noch gemeinsam was essen geht und bei nem
schönen Glas Rotwein auch den Tag nochmal Revue passieren
läßt.
Jay: Ich hab mir zur Vorbereitung so'n bißchen gestern
mal ihre Sendung angeguckt, und da haben sie, nachdem das
Urteil ausgesprochen ist, noch einer Angeklagten in Ruhe
erklärt, warum "im Zweifel für den Angeklagten"
richtig ist, weil die so'n bißchen mit der Justiz vorher
Probleme hatte und hier und da, kommt sowas auch spontan?
Das fand ich eigentlich sehr schön, da versuchen sie auch
so ein bißchen Menschlichkeit rüberzubringen.
Alexander Hold: Ja,
das ergibt sich halt immer daraus, wenn man merkt, im Lauf
der Verhandlung, daß da eventuell 'n Unverständnis für
die Entscheidung entstehen könnte. Und ich meine, wir machen
in erster Linie Unterhaltungssendung, das ist ganz klar,
aber das ist mir sehr wichtig, auch den Leuten 'n bißchen
Justiz und Rechtsprechung näherzubringen und auch mal Vorurteile
abzubauen oder Unverständnis für Entscheidungen abzubauen.
Und das ist natürlich schön, da hat man im Fernsehen die
Möglichkeit, das doch 'nem breiten Publikum nahezubringen
und da ist jede Minute, die man dafür verwenden kann, über
die freue ich mich natürlich immer sehr.
Jay: Wie beurteilen sie denn den Boom der ganzen
Gerichtsshows? Also nachdem sie so erfolgreich waren, sag
ich mal, oder sind, kam ja direkt dann RTL mit enorm vielen
weiteren Sendungen. Gucken sie sich das auch an oder meinen
sie, das geht auch irgendwann wieder vorbei?
Alexander Hold: Naja,
wir selbst, wir haben jetzt, ich glaub 750 Sendungen ungefähr
gedreht, und die andern Gerichtsshows haben ja auch schon
ganz ordentliche Mengen an Sendungen da auf den Markt geworfen.
Es war dann schon - bald ging das Wort um, daß dieser Gerichtsshow-Boom
schon wieder vorbei sei, aber wir haben schon den einen
oder anderen Trend inzwischen wieder überlebt. Wir haben
jetzt grad letzte Woche die höchste Zuschauerzahl gehabt,
die wir überhaupt je hatten, nach vier Jahren. Wir hatten
glaub ich 3,88 Millionen Zuschauer, also ich hab nicht
das Gefühl, daß sich da irgendwas...
Jay: Was doch ziemlich viel ist, oder? Für nachmittags...
Alexander Hold: Ja,
das ist schon sehr viel. Also wir hatten da gegen dieses
Vierschanzen-Skispringen sogar, wo man denkt, das guckt
eigentlich jeder, da hatten wir an manchen Tagen eineinhalb
Millionen Zuschauer mehr als die beim Skispringen hatten.
Also es gibt schon nach wie vor sehr sehr viel Menschen,
die das schauen wollen. Und wir haben immer wieder Tage,
wo wir mal einen neuen Rekord aufstellen, also scheinbar
gefällt's den Zuschauern nach wie vor.
Jay: Und läuft auch samstags, oder?
Alexander Hold: Und
es läuft jetzt seit nem dreiviertel Jahr auch samstags,
das war eigentlich ne sehr mutige Entscheidung der Sender-Oberen
bei Sat1, aber offensichtlich kam das auch klasse an, und
auch das haben jetzt natürlich andere Sender schon auch
kopiert und bringen also auch am Samstag die Sendungen,
die sie unter der Woche bringen.
Jay: Dann gab's, ich meine 2002 oder, sie können
mich gerne korrigieren, 2003, Schuldig - Schicksale vor
Gericht. Da haben sie so ein bißchen kommentiert.
Alexander Hold: Genau.
Das war ein Format, das ich mit der Constantin Entertainment,
das ist unsere Produktionsfirma, gemeinsam entwickelt habe,
und in dem ich mir's zum Ziel gesetzt hab, eben nicht da
oben selber als Richter zu sitzen, sondern wo wir echte
Rechtsfälle nachgestellt haben, und ich hab im Grunde die
juristische Seite für den Zuschauer n bißchen transparenter
zu machen versucht, indem ich dann erklärt habe.
Jay: Und es gab noch Abendshows richtig, oder? Von
ihrer Sendung an sich.
Alexander Hold: Genau,
wir hatten zwei Mal im Sommer so n paar Wochen, wo wir
auch ein Mal in der Woche abends dann ne Sendung gemacht
haben um 20 Uhr 15.
Jay: Die wirkten auch irgendwie aufwendiger, also
aufwendiger produziert sag ich mal. Das ist ja immer so
n bißchen anders, wenn man nun nen Film guckt und guckt
dann ne Show, man hat das Gefühl, das ist ne andere Kamera.
Und das wirkte alles so..., ja, wie so'n Film.
|
Alexander Hold: Ja,
das ist natürlich klar, im Abendprogramm ist der Zuschauer
natürlich sehr verwöhnt. Da ist er sehr sehr aufwendige
Sendungen gewohnt, da ist er auch Sendungen mit viel Action,
wie man heute sagt, gewöhnt, wo sehr sehr viel passiert,
und da mußte man natürlich dann auch in diese Richtung
n bißchen mehr gehen. Trotzdem waren das Sendungen, die
im Vergleich zu dem, was sonst so um 20 Uhr 15 oft läuft,
sehr sehr reduziert und ruhig waren. Und umso mehr hat's
natürlich gefreut, daß die auch mit Sendungen, wo viel
viel mehr an Aktion war, mithalten konnten und sehr sehr
erfolgreich gelaufen sind.
Jay: Sind sie schon mal selbst mit dem Gesetz in
Konflikt geraten irgendwann, früher mal oder sowas?
Oder darf man das nicht fragen, einen Richter?
Alexander Hold: Och,
sie dürfen das natürlich fragen. Das ist eigentlich ne
ganz ganz häufige Frage, die hab ich fast in jedem Interview.
Und ich hab immer so das Gefühl, jeder würde da gerne Leichen
im Keller entdecken, aber ich muß sie insoweit enttäuschen,
in meinem Keller liegen ganz viele Flaschen, aber keine
Leichen. Jeder ist schon mal irgendwo geblitzt worden oder
ähnliche Geschichten, aber ansonsten hätte ich da jetzt
keine Erinnerung.
Jay: Günter Jauch hat mal gesagt, er kann sich Sendungen
von sich selbst nicht angucken, weil er sich unglaublich
schlecht findet und er mag sich überhaupt gar nicht sehen.
Gucken sie sich ihre eigenen Sendungen im Nachhinein noch
an?
Alexander Hold: Ich
komme relativ selten dazu. Also ich meine, man sollte das
öfter machen. Ich mein, es kann auch sein, daß Günter Jauch
da nur n bißchen kokettiert, wir schauen ihn ja alle ganz
gern an, und ich glaube keiner außer ihm selbst findet
ihn so schrecklich. Wenn ich mir meine eigene Sendung anschau,
dann schau ich's mir unter ganz anderen Gesichtspunkten
als ein Zuschauer an. Dann schau ich auf Kameraführung,
auf technische Dinge und solches. Und dazu komm ich eigentlich
viel zu wenig. Ich würd's gern öfter machen, aber die Zeit
läßt's halt nicht zu. Aber ich hab kein Problem damit mich
dann anzusehn, aber wenn ich mir Sendungen von mir anschau,
dann konzentrier ich mich am allerwenigsten drauf, ob bei
mir jetzt die Haare sitzen oder ob ich ein Zucken um den
Mundwinkel hab oder irgendwelche dummen Angewohnheiten
oder solche Dinge, die offensichtlich den Günter Jauch
an sich selbst stören.
Jay: Ja, sondern viel mehr, ob das alles richtig
ist. Man kann sich auch leicht verhaspeln bei den ganzen
Paragraphen usw, ne?
Alexander Hold: Jaja,
das kommt häufig vor, aber da haben wir's natürlich relativ
leicht, weil wir versuchen ja eben authentisch so ne Gerichtsverhandlung
- oder möglichst authentisch ne Gerichtsverhandlung nachzustellen,
eins zu eins zu spielen, und da nimmt es der Zuschauer
natürlich ohne weiteres hin, weil er weiß, das ist im richtigen
Leben auch so. Das ist ganz anders als beim Nachrichtensprecher,
von dem man erwartet, daß er sich da nicht verspricht oder
verhaspelt.
Jay: Man weiß recht wenig über sie privat. Haben
sie ne eigene Familie?
Alexander Hold: Ich
bin verheiratet. Sonst, wenn sie Privates wissen wollen,
es gibt glaub ich nicht so viel dramatisches dazu zu erzählen.
Aber fragen sie nur!
Jay: Wie ist es denn, wenn sie auf der Straße erkannt
werden? Ist das nicht zuerst ein bißchen befremdlich? Also
als Richter kommt das eher selten - oder was ganz anderes
fällt mir gerade ein: Macht man sich nicht auch Feinde?
Alexander Hold: Ach,
Sie machen sich natürlich als Staatsanwalt oder Richter
im richtigen Leben viel eher Feinde. Mit dem, was ich jetzt
mach, tu ich ja niemandem weh. Wenn man als Richter Entscheidungen
zu treffen hat oder auch als Staatsanwalt, dann sind das
natürlich schon oft Entscheidungen, mit denen nicht jeder
einverstanden ist.Wenn ich im Prozeß zu entscheiden hab,
mindestens eine Partei eines Zivilprozesses ist unzufrieden
mit mir. Also da macht man sich als Richter im Fernsehen
nicht eher Feinde als im echten Leben bei der Justiz. Zu
der anderen Frage, wenn ich auf der Straße erkannt werde,
also da war ich schon überrascht, vielleicht war ich da
auch ein bißchen blauäugig als ich mit dem Ganzen begonnen
hab, welche Ausmaße das annimmt. Man kalkuliert ja wenn
man als Richter aus der Provinz plötzlich vor ner Fernsehkamera
steht, nicht unbedingt damit, daß da jetzt dann zwischen
2 und 4 Millionen Zuschauer jeden Tag zuschauen und daß
das so lange Zeit geht, so daß die Menschen einen halt
auch wirklich immer und überall wiedererkennen. Das war
am Anfang schon sehr komisch, aber man gewöhnt sich natürlich
dran und es ist halt Teil des Ganzen.
Jay: Viel Fanpost? Ja, oder?
Alexander Hold: Ja,
schon. Hat 'n bißchen nachgelassen, was gar nicht so schlimm
ist, seitdem ich verheiratet bin. Also ich hab erst geheiratet
als ich - also ich bin zwar mit meiner Frau schon sehr
sehr lange zusammen, aber geheiratet haben wir erst vor
zwei Jahren, und seitdem hat ne gewisse Art von Fanpost
schon nachgelassen.
Jay: Haben sie ein Lebensmotto? Was ganz Allgemeines...
Alexander Hold: Also
wenn ich ein Motto hab, dann isses eins, das auch sagt,
warum ich das Ganze eigentlich mache - also ich hab im
Leben noch so gut wie nie ne Entscheidung bereut - "Man
bereut immer die Entscheidungen, die man nicht getroffen
hat."
Jay: Wenn sie jetzt wieder als echter Richter aktiv
sind, welche Fälle mögen sie da besonders gern? Also wenn
sie sagen, Ladendiebstähle gibt es ziemlich oft, kann ich
mir vorstellen, also zumindest in dem Beruf, daß man auf
manches auch gar nicht mehr so viel Lust hat.
Alexander Hold: Hm...
Es gibt den Grundsatz, schon im Grundgesetz, des gesetzlichen
Richters. Dieser Grundsatz des gesetzlichen Richters heißt,
es wird abstrakt im voraus festgelegt, immer mindestens
für 1 Jahr, welcher Richter an einem Gericht für welche
Fälle zuständig ist. Und das legt das Präsidium, also das
ist 'n Kollegium von Richtern, selbst für alle Richter
fest. Und dann, wenn man mal in ner bestimmten Position
ist, also entweder man ist Mietrichter oder man ist Strafrichter
oder Jugendrichter oder Familienrichter oder was auch immer,
dann kann man sich Fälle nicht aussuchen. Sondern alle,
die dann auf einen zukommen, die müssen natürlich erledigt
werden. Und das ist etwas, was man dann doch relativ schnell
verinnerlicht, was auf den Tisch kommt, das muß gemacht
werden. Deswegen hab ich mir jetzt nie irgendwelche Lieblingsfälle
zurechtgelegt. Das führt nämlich in der Praxis nur dazu,
daß einem die Arbeit weniger Spaß macht, wenn dann doch
immer wieder welche auf dem Tisch landen, die man jetzt
nicht so lieb hat. Also auf Deutsch: Was auf den Tisch
kommt, das wird gemacht.
Jay: ... das wird auch gegessen, nicht...
Alexander Hold: So
ungefähr. Ich mein, es ist ein sehr verantwortungsvoller
Beruf und es ist auch ein Beruf, den ich wirklich sehr
sehr mag. Aber man ist nicht da als Richter, um am einzelnen
Fall Spaß zu haben.
Jay: Wenn sie im echten Richterleben auch einen
Fall haben, meinetwegen so n Mordfall oder irgendwas ganz
ganz schreckliches, was ja leider immer wieder passiert,
das kann einen doch auch zuhause nicht loslassen. Oder
ist das so, also ich kenn das von Ärzten usw., die können
dann auch nicht so leicht abschalten. Das geht auch an
die Psyche manchmal, oder?
Alexander Hold: Da
ist natürlich nicht jeder Mensch gleich. Ich meine, daß
es für den Beruf ganz ganz wichtig ist, daß man sehr sehr
tief in nen Fall eindringen kann, sehr sehr intensiv mit
dem Schicksal der beteiligten Menschen sich befassen kann,
und daß man aber genauso schnell wieder auftauchen und
loslassen kann. Ich mein, daß sonst die Gefahr sehr groß
ist, daß man wirklich psychische Probleme bekommt. Also
bei mir ist es so, ich glaub, ich kann mich sehr tief hineindenken,
ich kann aber auch, wenn der Aktendeckel zu ist und wenn
die Bürotür hinter mir zufällt, ganz gut abschalten. Da
helfen einem natürlich Freizeittätigkeiten, also wenn ich
mich auf's Fahrrad setz oder wenn ich mich auf's Motorrad
setz oder wenn ich in die Berge geh, dann ist das einfach
ne andere Welt. Und dann sind einfach Akten und Fälle ausgeblendet.
Jay: Letzte Frage: Zukunftspläne?
Alexander Hold: Da
bin ich in der ganz komfortablen Situation, weil eigentlich
bin ich froh und zufrieden, wenn alles so schön bleibt,
wie es momentan ist.
Jay: Was schöneres kann man zum Abschluß gar nicht
sagen, Herr Hold. Danke schön!
Alexander Hold: Bitte,
keine Ursache, es war mir eine Freude. Und schöne Grüße
an alle Hörer!
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