Der Chef und sein TV-Team: Sandra Nitka (l.), Ingo Lenßen (M.) und Christian Strom (r.) Foto: Sat.1 / Riedel

"DAS LEBEN GIBT GENUG FÄLLE, DIE WIR LÖSEN MüSSEN"

Sie haben 250mal "Lenßen & Partner" hinter sich. Wie geht's weiter?

Das Leben gibt genug Fälle, die wir lösen müssen - es geht also immer weiter. Jeder Fall, selbst wenn es sich um das gleiche Rechtsgebiet - Diebstahl oder Betrug z.B. - handelt, ist anders, weil es unterschiedliche Menschen betrifft.

Sie haben eine neue Kanzlei zusammen mit einer Kollegin am Bodensee eröffnet. Geht es bei Ihnen auch so turbulent zu wie bei "Edel & Starck"?

Ja, das muss ich sagen. Es ist das erste Mal, dass ich mit einer Kollegin zusammenarbeite, und die hält mich ganz schön auf Trab.

Glauben Sie, dass Sie mehr Erfolg haben bzw. mehr Mandanten bekommen durch die Sat.1-Sendung?

Nein, Erfolg hängt nicht von der Zahl der Mandanten ab. Im Gegenteil: Je mehr Mandanten man hat, desto weniger Zeit hat man für den Einzelnen. Ich glaube, dass man wirklich unterscheiden muss: Ist das eine Rolle im Fernsehen oder ist das reales Leben? Ich bekomme sehr viele Anfragen von überall her, aber meistens lehne ich ab und empfehle, bei dem Anwalt vor Ort zu bleiben. Der Kontakt ist zwangsläufig direkter und intensiver - sonst kann man dem Anliegen der Klienten nicht wirklich gerecht werden.

Wie sehen Ihre Kollegen Ihre TV-Arbeit?

Unterschiedlich: Die, die es ablehnen, sagen nichts, ich bekomme jedenfalls nichts mit. Die anderen, auch Staatsanwälte und Richter, zeigen reges Interesse. Ich glaube, einige würden auch gern mal ins Fernsehen reinriechen, und ich habe das Glück gehabt, es tun zu dürfen. Einen Fernseh-Bonus gibt's aber nicht.

Wie ist Ihre Arbeit organisiert? Sie drehen eine Woche, dann wieder eine Woche Büro - ist das mit Gerichtsterminen vereinbar?

Bei Strafverteidigern ist es so, dass die Richter in der Kanzlei anrufen, um Termine zu vereinbaren - manchmal sind solche Prozesse zwei Monate im Voraus terminiert. Bei Zivilmandaten kommen Terminschwierigkeiten schon mal vor, aber dann kann ich an meine Kollegin übergeben. Sowieso: Alle Fälle, die ich bearbeite, kennt auch sie - und umgekehrt -, sie kann mich jederzeit ersetzen.

Sind Sie für manche Klienten eine Art letzte Instanz? Geben Sie Lebenshilfe?

Ja, sehr oft. Es ist grundsätzlich so: Ein Mensch ist mit seinen Ratschlägen am Ende, kommt zu mir und will jemanden verklagen oder einen Prozess anstrengen. Lebenshilfe beginnt beim Zuhören. Ich versuche erst mal rauszuhören, wie stark der Mensch belastet ist und wie sehr ihn ein Verfahren belasten würde. Möglicherweise rate ich dann ab oder erkläre ihm die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung. Das Wichtigste im Leben sind doch Ruhe und Zufriedenheit. In diesem Sinne ist es manchmal besser, von seinen Vorstellungen ein Stück zurückzugehen, um sich mit dem Gegner zu verständigen. Zivilrechtsfälle oder Scheidungen mit Zugewinnausgleich dauern lange und kosten Geld und Nerven. Zuhören allein reicht natürlich nicht. Als Jurist muss ich irgendwann zum Punkt kommen und ein Ergebnis haben - sonst ist der Job für mich unbefriedigend.

Gibt es Fälle, die Sie nicht vertreten würden?

Ja, sämtliche Sexualdelikte: keine Vergewaltigungen, kein sexueller Missbrauch von Kindern. Die einzige Ausnahme ist die Verteidigung eines geständigen Mandanten: Wenn jemand zu mir kommt und sagt: "Ich möchte, dass Sie dafür Sorge tragen, dass ich die Verhandlung nicht mit erhobenem Haupt, aber mit etwas Achtung verlasse." Man muss wissen, was man machen kann: Bei einer Vergewaltigung müsste ich das Opfer z.B. fragen: "Warum haben Sie sich nicht gewehrt?" Das ist eine Frage, die mir sehr widerstrebt - ich wäre in so einem Prozess nicht gut.

Sie haben einen ungewöhnlichen Schnauzer. Haben Sie ein Vorbild?

Ich habe im Alter von ca. 20 Jahren ein Balzac-Museum in Frankreich besucht - seitdem habe ich die "Comédie humaine" "gefressen" - muss ich wirklich sagen. Es fing mit Balzac an, und ich habe den Schnauzer nie mehr abgemacht. Meine Frau kennt mich gar nicht anders.

Interview: Anke Walter/ Quelle Sat1


März 2004- von Pega




 

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