Ganz ohne die Schöffen geht es nicht
Augsburg/München
Dieses Urteil ist wenig schmeichelhaft: "Beischläfer"
nennen nicht wenige Richter die Frauen und Männer, die
bei ihnen am Tisch sitzen, wenn sie im Namen des Volkes
Recht sprechen. Offiziell heißen sie Schöffen und sollen
aus der Sicht von Laien nicht nur zur Wahrheitsfindung
beitragen, sondern auch zur Festsetzung angemessener Strafen.
Doch immer wieder stehen diese Richter ohne Robe und juristische
Schulung in der Kritik. Mal ließen Schöffen durch ihr Verhalten
Prozesse platzen wie der alkoholkranke Laienrichter im
Prozess um den Düsseldorfer Flughafenbrand, mal ließen
sie es am nötigen Empfinden für richtig und falsch fehlen,
wie jene Frau, die als Hauptverdächtige im Saarbrücker
Kinderschänder-Skandal gilt, aber früher über Sexualtäter
urteilte.
Die Diskussion um Sinn oder Unsinn der Schöffen dürfte
durch die jüng! sten Äußerungen von Justizministerin Beate
Merk neue Nahrung erhalten. Generell hält sie diese Besetzung
der Richterbank für sinnvoll, doch aus den komplexen Wirtschafts-,
Steuer- und Staatsschutzverfahren will sie die Laien künftig
raushalten.
Bei Helmut Satzger rennt Beate Merk offene Türen ein. Der
Inhaber eines Strafrechtslehrstuhls an der Universität
Augsburg sieht in den Schöffen ein Relikt aus längst überkommener
Zeit. Sie sind eine Errungenschaft der bürgerlichen Revolution
und haben in unserem Rechtssystem eine gut 150jährige Tradition.
Die Idee dahinter: Bürger sollten die meist adeligen Berufsrichter,
die ihnen von der Obrigkeit vor die Nase gesetzt wurden,
kontrollieren und sich an den Entscheidungen beteiligen.
Doch gerade diese Rolle hält Satzger für überholt. Sie
entspreche einer gewissen basisdemokratischen Verklärung:
"Heute können Richter aus allen Schichten der Bevölkerung
kommen, deshalb ist die Kontrolle nicht mehr so wichtig.
Außer! dem wird mündlich und öffentlich verhandelt. Darüber
hinaus is! t die Ko ntrolle auch über die Rechte der Verteidigung
gewährleistet." Für die Laien am Richtertisch sei
die komplizierte Rechtsmaterie oft nicht mehr zu durchschauen,
deshalb sei Merks Vorstoß durchaus sinnvoll. Er persönlich
würde das Schöffenamt komplett abschaffen, allerdings mit
einer Ausnahme: Im Jugendstrafrecht sollte es unangetastet
bleiben. Hier steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund.
"Da Richter keine Erzieher sind, sitzen ihm im Jugendschöffengericht
ein Mann und eine Frau zur Seite, quasi als Elternpaar."
Das will aber auch die Ministerin erhalten, weil sie es
für unverzichtbar hält.
Bei ihrem Vorstoß beruft sich Beate Merk auf eine Umfrage
unter bayerischen Richtern und Staatsanwälten. Daraus habe
sich der Wunsch nach Reformen ergeben. Der scheint zwar
bundesweit zu bestehen, wie die regelmäßigen Diskussionen
über das Schöffenamt zeigen. Allerdings gehen die Meinungen
bei den Juristen auseinander.
Peter Faust beispielsweise, Vorsitzender des Deutschen
! Richterbundes in Berlin, will die Einrichtung keinesfalls
antasten, obwohl er einräumt, dass es unterschiedliche
Ansichten unter seinen Kollegen gebe. Die Kontrollfunktion
sei zwar in den Hintergrund getreten, doch dafür sei etwas
anderes so wichtig wie eh und je: Laienrichter geben ihre
Prozesserfahrungen weiter - "etwa über Gespräche am
Stammtisch" - und sorgten somit dafür, dass in der
Bevölkerung Verständnis für die Arbeit der Gerichte geweckt
werde.
Fausts Kollege Horst Böhm, Vorsitzender des Bayerischen
Richtervereins, betont, dass die Schöffen darüber hinaus
mit ihrer Sichtweise einen Profi dazu bringen können, seine
Position zu überdenken und schwierige Zusammenhänge verständlich
zu erklären. "Ich habe diese Mitwirkung immer geschätzt."
Der Bund ehrenamtlicher Richterinnen und Richter sieht
Beate Merks Vorschlag skeptisch. Es sei sehr problematisch,
wenn auf Schöffen verzichtet werde. Ohne sie neige die
Justiz zu einer gewissen Betriebsblindheit. Laienrichter
müssten schließlich dafür sorgen, dass Verfahren für die
Öffentlichkeit verständlich bleiben.
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