Sodass wir mit großem Gepäck statt kleinem Rucksack
durchs Leben gehen und z.B. alte Schulhefte, Babybauch-Leggins
und Hess Gesamtwerk aufbewahren. Obwohl wir die Diktate
nie wieder anschauen werden, die Familienplanung abgeschlossen
ist und der "Steppenwolf" seit unserer Teenie-
Zeit im Bücherregal verstaubt.
"Weil wir Dinge mit Emotionen verbinden, fällt es
uns so schwer, uns zu trennen", sagt die Münchner
Diplom Psychologin Katja Sondermeier.
Die innere Stimme flüstert immer lauter:
…Das
war gestern, heute denkst Du anders"
Selbst wenn der Abschied folgenlos bliebe. Und so hüten
wir das lädierte, viel zu kurze Blümchenkleid weiterhin
im Schrank, weil es uns an einen romantischen Abend anno
1987 mit Hans- Peter denken lässt. Dabei würden uns die
Erinnerungen und damit verbundenen Emotionen weiterhin
begleiten. Auch wenn wir - selbstverständlich mit der gebotenen
Dramatik - zum Altkleidercontainer schleppen: Hans Perters
Küsse wären immer noch in unserem Kopf.
Als Kind kriegten wir leichter die Kurve. Hatten wir unserer
Barbiepuppe die Haare durch einen neuen Schnitt verunstaltet,
wurde sie entsorgt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und wenn
wir unsere bisherige beste Freundin Sabrina plötzlich doof
fanden, wurde sie eben nicht mehr zum nächsten Geburtstag
eingeladen. Heute dagegen tun wir uns mit solchen Abschieden
wesentlich schwerer. Und treffen Sabrina weiterhin regelmäßig.
So paradox es klingt: Vielleicht gehört es zum Erwachsenwerden,
sich die Unbeschwertheit aus Kindertagen wieder anzueignen.
Und statt der "Soll ich? Darf ich?" - Dauerschleife
im Kopf endlich wieder mehr auf das eigene Bauchgefühl
zu hören und zu vertrauen.
Ich bleibe ich. So oder so
Davor scheuen wir uns. Teilweise auch, weil wir um unser
Image besorgt sind. Das sehen wir oft schon bedroht, wenn
es lediglich um einen Umzug geht oder den Kauf eines neuen
Wagens. Von der Szenegängerin im schicken Altbau zur Pendlerin
im Stadtrandneubau - geht nicht!
Von der Oldtimer- Liebhaberin zur 08/15 Kleinwagenfahrerin
- nie und nimmer.
Heute in den Augen der anderen Individualisten, morgen
langweilige Spießerin? |
|
Von wegen! Was sie auch ändern - sie bleiben immer Sie
selbst. Das gilt natürlich auch für die Namensänderung
bei der Heirat: Viele Frauen zerbrechen sich den Kopf darüber,
ob sie sich von ihrem Geburtsnamen trennen sollen. Weil
sie befürchten, einen Teil von sich selbst aufzugeben.
"In allen Fällen sollte man sich klarmachen: Es kommt
auf den Blickwinkel an", so Katja Sundermeier. "Ich
habe die Fäden in der Hand und entscheide: Richte ich den
Fokus auf Abschied oder Neuanfang?"
Jetzt ist ausgeträumt, ich bin hellwach
Wenn es schon bei kleineren Dingen manchmal hart ist,
sich zu verabschieden - bei größeren fällt es natürlich
umso schwerer. Wenn es sich z.B. um einen lang gehegten
Lebenstraum handelt: Wir pauken Spanisch, weil wir schon
immer irgendwann eine nette kleine Strandbar eröffnen wollten.
Wenn wir nur erst genügend Geld zusammengespart haben,
dann, ja dann sind wir weg. Oder: Man verfolgt jahrelang
eine bestimmte Karriere, studiert macht Praktika, knüpft
Kontakte. Am Anfang ist es noch ein leises Flüstern: Willst
Du das überhaupt noch? Dann wird die innere Stimme immer
lauter. Bis man eines Morgens aufwacht und weiß: Nein.
Will ich nicht. Nicht mehr.
Manchmal hecheln wir einem Traum nach und merken erst viele
Stunden später, dass er längst überholt ist", erklärt
Katja Sundermeier. Sich das einzugestehen, erfordert Mut.
Führt aber zu einem neuen Leben.
Einem das besser passt.
Birte Plöger, Stefanie Schmidt- Freundin
23/2003
|