Und tschüss...

Auf zu neuen Ufern

Irgendwann ist es Zeit, sich von Dingen oder
Gewohnheiten zu trennen, an denen wir hängen. Das
fällt schwer, muss aber sein. Denn nur so sind wir
offen für Erfahrungen, die uns weiterbringen.

W

äre sie nicht von ihrer Familie an der Autobahnraststätte vergessen worden, sie würde wahrscheinlich heute noch aufopfernd Wäsche waschen und Pasta kochen. Stattdessen führte dieser irritierende Vorfall dazu, dass Rosalba, die Heldin aus dem italienischen Film "Brot und Tulpen", noch mal durchstartet: neue Stadt, neuer Job, neuer Mann- neues Leben.
Manchmal braucht man Ereignisse, die einem Augen öffnen. Die zeigen: Der Status quo ist vertraut und sicher- aber auch verdammt langweilig. Wer raus will aus der Monotonie, muss sich verabschieden. Und neu anfangen.
Eigentlich wissen wir das ja auch. Und sind trotzdem immer so schrecklich nostalgisch. Selbst wenn es nicht um das endgültige Aus für eine Beziehung oder den Abschied vom bisherigen Lifestyle mit allen Annehmlichkeiten geht, sondern um die kleinen Veränderungen im Alltagsleben. Von denen wir aber glauben, dass sie weit reichende Folgen haben werden. Wenn wir aufhören wollen zu rauchen, geht es eben nicht nur um die letzte Kippe, sondern auch darum, das sich unser Leben komplett verändern wird. Abstruserweise denken wir: "Ich kann keine Kneipe betreten, nie wieder Kaffee trinken", weils ohne keinen Spaß macht. Und spätestens wenn wir an die "Zigarette danach" denken, werfen wir die guten Vorsätze über den Haufen. Weil die logische Konsequenz- zumindest für uns- lautet: nie wieder Sex..
Deshalb bleibt alles beim Alten. Meistens. Woher kommt dieses Festhalten an Gewohnheiten oder Dingen?

Bye- bye! Jetzt ist alles auf Anfang

Christina D., 37, Juristin

».Auf einem Segeltrip wurde mir klar: Den Job als Anwältin gebe ich auf. Jetzt lebe ich mit meinem Freund in Thailand.
Und war noch nie so glücklich.
«

Sodass wir mit großem Gepäck statt kleinem Rucksack durchs Leben gehen und z.B. alte Schulhefte, Babybauch-Leggins und Hess Gesamtwerk aufbewahren. Obwohl wir die Diktate nie wieder anschauen werden, die Familienplanung abgeschlossen ist und der "Steppenwolf" seit unserer Teenie- Zeit im Bücherregal verstaubt.
"Weil wir Dinge mit Emotionen verbinden, fällt es uns so schwer, uns zu trennen", sagt die Münchner Diplom Psychologin Katja Sondermeier.

Die innere Stimme flüstert immer lauter:
Das war gestern, heute denkst Du anders"

Selbst wenn der Abschied folgenlos bliebe. Und so hüten wir das lädierte, viel zu kurze Blümchenkleid weiterhin im Schrank, weil es uns an einen romantischen Abend anno 1987 mit Hans- Peter denken lässt. Dabei würden uns die Erinnerungen und damit verbundenen Emotionen weiterhin begleiten. Auch wenn wir - selbstverständlich mit der gebotenen Dramatik - zum Altkleidercontainer schleppen: Hans Perters Küsse wären immer noch in unserem Kopf.
Als Kind kriegten wir leichter die Kurve. Hatten wir unserer Barbiepuppe die Haare durch einen neuen Schnitt verunstaltet, wurde sie entsorgt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und wenn wir unsere bisherige beste Freundin Sabrina plötzlich doof fanden, wurde sie eben nicht mehr zum nächsten Geburtstag eingeladen. Heute dagegen tun wir uns mit solchen Abschieden wesentlich schwerer. Und treffen Sabrina weiterhin regelmäßig.
So paradox es klingt: Vielleicht gehört es zum Erwachsenwerden, sich die Unbeschwertheit aus Kindertagen wieder anzueignen. Und statt der "Soll ich? Darf ich?" - Dauerschleife im Kopf endlich wieder mehr auf das eigene Bauchgefühl zu hören und zu vertrauen.

Ich bleibe ich. So oder so

Davor scheuen wir uns. Teilweise auch, weil wir um unser Image besorgt sind. Das sehen wir oft schon bedroht, wenn es lediglich um einen Umzug geht oder den Kauf eines neuen Wagens. Von der Szenegängerin im schicken Altbau zur Pendlerin im Stadtrandneubau - geht nicht!
Von der Oldtimer- Liebhaberin zur 08/15 Kleinwagenfahrerin - nie und nimmer.
Heute in den Augen der anderen Individualisten, morgen langweilige Spießerin?

Von wegen! Was sie auch ändern - sie bleiben immer Sie selbst. Das gilt natürlich auch für die Namensänderung bei der Heirat: Viele Frauen zerbrechen sich den Kopf darüber, ob sie sich von ihrem Geburtsnamen trennen sollen. Weil sie befürchten, einen Teil von sich selbst aufzugeben.
"In allen Fällen sollte man sich klarmachen: Es kommt auf den Blickwinkel an", so Katja Sundermeier. "Ich habe die Fäden in der Hand und entscheide: Richte ich den Fokus auf Abschied oder Neuanfang?"

Jetzt ist ausgeträumt, ich bin hellwach

Wenn es schon bei kleineren Dingen manchmal hart ist, sich zu verabschieden - bei größeren fällt es natürlich umso schwerer. Wenn es sich z.B. um einen lang gehegten Lebenstraum handelt: Wir pauken Spanisch, weil wir schon immer irgendwann eine nette kleine Strandbar eröffnen wollten. Wenn wir nur erst genügend Geld zusammengespart haben, dann, ja dann sind wir weg. Oder: Man verfolgt jahrelang eine bestimmte Karriere, studiert macht Praktika, knüpft Kontakte. Am Anfang ist es noch ein leises Flüstern: Willst Du das überhaupt noch? Dann wird die innere Stimme immer lauter. Bis man eines Morgens aufwacht und weiß: Nein. Will ich nicht. Nicht mehr.
Manchmal hecheln wir einem Traum nach und merken erst viele Stunden später, dass er längst überholt ist", erklärt Katja Sundermeier. Sich das einzugestehen, erfordert Mut. Führt aber zu einem neuen Leben.
Einem das besser passt.

Birte Plöger, Stefanie Schmidt- Freundin 23/2003



by Piper (Dänä)




 

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