Zeuge knapp an Meineid vorbei

Angeklagter gab Tat zu - Illegal Beschäftiger trank sich zu Tode



Fast täglich mit "Lenßen und Partner" oder bei "Richter Alexander Hold" in "Sat 1" zu sehen, im Überlinger Amtsgericht nach wie vor als ganz normaler Verteidiger zu erleben: Rechtsanwalt Ingo Lenßen. In diesem Verfahren redete er seinem Mandanten kräftig ins Gewissen, worauf jener die illegale Beschäftigung zweier Polen dann doch zugab. Und so einen Eintrag ins Strafregister verhindern konnte.

Er hielt den Mund auf Empfehlung seines Verteidigers Ingo Lenßen. "Weil er sich nicht ausdrücken kann", wie der Anwalt erläuterte, der hier vor dem Überlinger Amtsgericht seinem ganz normalen Broterwerb als Jurist nachging - fernab des Reality-TV, dessen Star Lenßen derzeit ist.

So sagte der Angeklagte, ein 64-jähriger Landwirt aus einer Gemeinde im westlichen Bodenseekreis, vor dem Amtsgericht Überlingen also nichts zu dem Vorwurf, im vergangenen Jahr illegal zwei Polen - Vater und Sohn - beschäftigt zu haben, die weder eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung, noch eine Arbeitserlaubnis hatten. "I hab nix gmacht", entfuhr es ihm nur nach der Anklage vor dem Amtsgericht.

So musste der Zeuge vernommen werden, ein 59-jähriger Berufskollege. "Ich kann mir unmöglich vorstellen, dass man mit solchen

Leuten arbeiten kann. Ich habe da noch niemanden arbeiten sehen. Da bin ich mir 100 Prozent sicher." Sagte der 59-jährige Bauer, was Staatsanwalt und Richter höchst verwunderte. Die Polizei hatte nämlich erst bei ihm wegen angeblich illegaler Beschäftigung kontrolliert, wobei ihm "in einem unbeherrschten Augenblick" der Hinweis entrutscht war, dass er (der Polizist) erst mal beim Angeklagten ermitteln solle.

"Alles falsch", blieb der Zeuge nun bei seiner ersten Aussage und schilderte das tragische Ereignis im Dezember 2002: Der polnische Sohn starb im Januar nach dem Konsum von angeblich zwei Litern Schnaps, den er beim angeklagten Landwirt gekauft haben soll. Der Totenwagen aus Polen, mit dem der Verstorbene an Dreikönig abgeholt werden sollte, ging in Deutschland kaputt. Fünf Stunden habe er ihn in der Kälte repariert. Dann habe sich der Vater "umfallen lassen und dabei am Kopf verletzt".

"Es ist Ihnen klar, was eine Falschaussage bedeutet?", fragte der Staatsanwalt den Zeugen und hielt ihm vor, was dessen Frau mitgeteilt hatte: Dass man andere Landwirte nicht in die Pfanne hauen wolle und niemand komme, um auszusagen. "Wenn es sich herausstellt, dass Sie die Unwahrheit sagen, kann das sehr teuer für Sie werden und auch zu einer Freiheitsstrafe führen", setzte Richter Harald Gürtler nach. Und er hielt ihm nochmals seine von einem erfahrenen, langjährigen Polizisten notierte Aussage vor.

"Ich kann nichts anderes sagen, kann mich nicht erinnern", beharrte der Zeuge auch nach der dritten Nachfrage. Daraufhin beantragte der Verteidiger eine kleine Pause, um sich mit seinem Mandanten zu beraten. Schließlich gab er den Tatvorwurf zu. Das brachte dem Angeklagten eine geringere Strafe ein. Statt der 120 Tagessätze à 25 Euro muss er nur noch 90 Tagessätze bezahlen und bleibt damit weiterhin ohne Eintrag im Strafregister.

Den schwarzen Peter nach dem Geständnis hatte jetzt der Zeuge. Richter Gürtler: "Ich bin der Meinung, dass Sie uns angelogen haben." Der Staatsanwalt werde nicht drumherum kommen, ihn wegen Falschaussage zu verklagen. "Sie haben jetzt noch eine letzte Chance etwas richtig zu stellen, redete er dem Zeugen ins Gewissen. Zwar konnte sich der dann immer noch "nicht mehr richtig entsinnen", gab aber auf Nachfrage des Verteidigers zu, dass es durchaus möglich sei, dass der Polizist das Richtige aufgeschrieben habe: "Im Eifer des Gefechts kann das so gewesen sein, das ist richtig", rückte er schließlich heraus, womit er das drohende Verfahren wegen Meineids im letzten Moment noch abwenden konnte.

17.06.2003 Südkurier



byNicole




 

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