WENN ANWäLTE INS SCHWITZEN KOMMEN
Dann lassen Richter Gnade vor Recht
ergehen
Rechtsgelehrte kommen im Sommer ganz schön
ins Schwitzen. Nein, nicht wegen der Paragraphenreiterei
- die ist im Juni nicht schweißtreibender als im November.
Die steigenden Temperaturen sind es, die den Herren und
Damen unter den schwarzen Roben zu schaffen machen. Das
führt zu Anfragen wie diesen: "Herr Richter, uns ist
warm. Dürfen wir bei dem Wetter die schwarze Amtstracht
ausziehen?", fragt Rechtsanwalt Böhm, einer der Verteidiger
der elf Angeklagten Hells Angels den Vorsitzenden Richter
Hans Lorenz. Der denkt kurz nach und antwortet dann: "Das
kann jeder halten, wie er will."
Ruckzuck verschwinden die langen Roben unter den Tischen,
und die Kollegen sitzen hemdsärmelig da. Ein ungewöhnlicher,
aber verständlicher Anblick, denn die schwarzen Ungetüme
sind knöchellang und können bei diesem "Dschungelwetter"
äußerst schweißtreibend sein.
Eigentlich ist das Tragen der Amtsroben im Gerichtssaal
Pflicht. Für sie gibt es natürlich eine Verwaltungsvorschrift
des Ministeriums der Justiz, in der genau festgelegt ist,
wer welche Amtstracht zu tragen hat. Dabei geht es immer
schön der Reihe nach: Bei Richtern und Staatsanwälten hat
die Robe einen Besatz aus Samt, bei Amtsanwälten muss dieser
Samt eine kleinere Abmessung haben. Urkundsbeamte müssen
sich mit Wolle zufrieden geben, Rechtsanwälte dürfen zur
Seide greifen. Alle Gerichtsmitglieder müssen außerdem
ein weißes Hemd und eine weiße Krawatte tragen, Frauen
eine weiße Bluse, eventuell mit Schleife. Rechtsanwälte
können auch Hemden von unauffälliger Farbe wählen. Staatsanwälte
haben das Recht auf einen Platz an der Fensterfront. Scheint
die Sonne, kann das ganz schön warm werden.
Die Robe des Leitenden Oberstaatsanwalts Klaus Puderbach
hängt übrigens seit 29 Jahren bei ihm im Schrank. "Die
habe ich damals für 60 Euro einem Kollegen abgekauft."
Vom 11.06.2003- Dagmar Seidel |