SHOWDOWN DER FERNSEHRICHTER
Rabatz
im Saal und kurze Prozesse - Gerichts-Shows sind der größte
Hit seit den Talks. Doch seit RTL neue Richter ins Rennen
schickte,
droht Übersättigung. Wie lange hält der Boom an?
Die Gerichts-Show sei "die
Fortsetzung der Talkshow mit juristischen Mitteln"
- so urteilte die "FAZ" vor einem Jahr über das
neue Format. Dessen Erfolg tat das natürlich keinen Abbruch:
Die den Talks tatsächlich verblüffend ähnlichen Shows -
Streitereien werden mehr oder minder lautstark vor Fernsehkameras
ausgetragen - verschafften dem Nachmittagspro-gramm von
RTL und Sat1 neue Rekordquoten. Die Vermehrung war nur
folgerichtig. Bei den beiden Privaten ringen jetzt fünf
Richter um Marktanteile.
Das Phänomen der Talks hat gezeigt, dass ein populäres
Konzept zehn Jahre beste-hen kann. Derzeit sind die TV-Juristen
so beliebt wie früher die Talk-Matadore: Von den Befragten
einer Forsa-Umfrage im Auftrag von TV TODAY gaben 37 Prozent
an, hin und wieder Gerichts-Shows einzuschalten. Doch nachdem
RTL mit "Das Strafgericht" und "Das Familiengericht"
die Sat1-Vormachtstellung erschüttert hat, sehen Branchen-insider
den Anfang vom Ende des Booms. Jens Schröder vom Branchendienst
"Kress-Report" prophezeit: "Es wird nicht
lange dauern, bis die eine oder andere Show verschwindet."
Den etablierten Sat1-Richtern Barbara Salesch und Alexander
Hold attestiert er dabei eine höhere Lebenserwartung als
den Nach-züglern von RTL.
Sogar Sat1-Senderchef Martin Hoffmann rechnet nur noch
mit "zwei weiteren erfolgreichen Jahren für die Gerichts-Shows".
Wer aber nimmt die Plätze der TV-Juristen ein, wenn sie
in Pension oder zurück ins richtige Justizleben geschickt
werden? Zur Beantwortung dieser Frage muss sich das Fernsehgericht
erst mal zur Beratung zurückziehen.....
TEXT: ERIC STAHL- Aus der
TV-Today Nr. 22/2002 |
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DAS FAMILIENGERICHT
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DER STILLE BEICHTVATER |
Frank Engeland ist der vorläufig
letzte Neuzugang in der Gerichts-Show-Arena. Seit dem 2.9.2002 tritt
er um 15 Uhr bei RTL gegen Barbara Salesch an. Mit durchschnitt-lich
1,51 Mio. Zuschauern kann er einen Marktanteil von 18,6 Prozent
vorweisen.
Das heißt: Gut jeder Fünfte, der um diese Zeit fernsieht,
guckt Engeland.
Der 41-jährige aus Dorsten verhandelt erfundene Scheidungen,
Unterhalts- und Missbrauchsfälle. Doch "Das Familiengericht"
streift auch Schlüpfriges wie den Fall einer Frau, die
zweimal pro Woche Sex von ihrem Ehemann einklagt. Engeland,
ehemals Richter am Landgericht
Köln, bleibt stehts ruhig
und gibt sich verständnisvoll, auch wenn's heiß hergeht.
Neuerung in der Inszenierung: Die Kamera beobachtet die
Parteien außerhalb des
Gerichtssaals, wenn sie
sich vor der Verhandlung mit ihren Anwälten beraten. |
RICHTERIN BARBARA
SALESCH
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DIE KÖNIGIN DES GERICHTSSAALS |
Barbara Salesch beherrscht - noch! - den Nachmittag:
Nach Marktanteilen liegt sie in der Publikumsgunst vorn
(20,1 Prozent bei im Schnitt 1,61 Mio. Zuschauern).
Als erste TV-Richterin ist die 52-jährige die Leitwölfin
des Genres. Doch ihre Krone wackelt, denn die RTL-Richter
jagen Sat1 immer mehr Zuschauer ab. Salesch ging erstmals
am 27.9.1999 bei Sat1 auf Sendung, damals noch um
18 Uhr. Für ihre TV-Karriere hatte sich die Richterin
am Hamburger Landgericht für zwei
Jahre beurlauben lassen, seit August 2001 ist sie für weitere
zwei Jahre freigestellt.
Ursprünglich verhandelte Salesch echte Streitfälle
mit realen Personen, doch seit dem "Maschendrahtzaun"-Trubel
um Stefan Raab und Regina Zindler stehen erfundene Fälle
auf der Tagesordnung. Angeklatgte und Zeugen werden von
dem rustikalen Staatsanwalt Bernd Römer in die Mangel
genommen, der Krawallfaktor der Show hält sich aber in
Grenzen. |
DAS STRAFGERICHT
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DER KÜHLE MORALIST |
Auch noch frisch im TV-Geschäft:
Ulrich Wetzel, im wahren Leben Richter am Amtsgericht
Frankfurt am Main, begrüßt um 14 Uhr bei RTL im Schnitt
1,34 Mio. Zuschauer, Marktanteil: 17,2 Prozent. Der 45-jährige
aus Ingolstadt ist seit dem 2.9.2002 auf Sendung.
Seine Sitzungen, in denen erfundene Strafsachen zur Verhandlung
kommen, führt er in kühlem, sachlich-autoritärem Stil.
Dabei geht's um Delikte wie Körperverletzung, Vergewaltigung
und Totschlag - recht derber Stoff für die frühe
Sendezeit. Das Pöbelniveau der Show kann es daher fast
schon mit dem von "Richter Alexander Hold" aufnehmen.
Bei besonders schweren Fällen sitzt Wetzel, der gern den
moralischen Zeigefinger erhebt, übrigens einem Schwurgericht
aus drei Richtern vor. |
DAS JUGENDGERICHT
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DIE MÜTTERLICHE AUTORITÄT |
Dr. Ruth Herz spricht werktäglich um 16 Uhr
bei RTL die Urteile über jugendliche Straftäter - unter
reger Anteilnahme von 1,65 Mio. Zuschauern (18,6 Prozent
Marktanteil). Der Anspruch der 57-jährigen Juristin,
die 25 Jahre lang als Jugendrichterin beim Amtsgericht
Köln tätig war, ist hoch: "Bei uns geht es nicht
um Bestrafung, sondern um Hintergründe von Tat und Täter.
Milde und ver-ständnisvoll lächelnd regiert Herz, selbst
zweifache Mutter, seit dem 3.9.2001 ihren Gerichtssaal,
in dem sie nur selten laute Worte gestattet. Die Täter
sind zwischen
14 und 21 Jahre alt, die Beisitzer der Jugendgerichtshilfe
geben den erfundenen Fällen von Drogendelikten bis zu Körperverletzung
und sexuellem Missbrauch einen authentischen Anstrich.
Herz erhielt übrigens als einzige der TV-Juristen das Bundesverdienstkreuz:
Sie wurde 1998 für ein Projekt mit Tätern und Verbrechensopfern
ausgezeichnet. |
RICHTER ALEXANDER
HOLD
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DER MANN FÜRS GROBE |
In seinem Saal wird gestänkert, was das Zeug hält. Wenn
Hold um 16 Uhr bei Sat1 in scharfem Befehlston Ruhe fordert,
halten auch rund 1,72 Mio. Zuschauer die Luft an - 19,3
Prozent Marktanteil. Die Fälle, die der 40-jährige
seit November 2001 verhandelt, sind ein gefundenes
Fressen für Voyeure wie Medienwächter. Berüchtigt ist die
erste Folge, in der eine Frau ihr Baby in einem Schließfach
ablegte, um ungestört auf den Strich gehen zu können.
Seitdem tummeln sich bei Hold, der zuletzt in Kempten als
Zivilrichter arbeitete, zwielichtige Typen: Zuhälter,
Vergewaltiger und Schönheitschirurgen, die blonden Pornostars
schon mal falsche Silikonimplantate einsetzen. Für derlei
(fiktive) Strafsachen ließ sich der smarte Allgäuer für
zwei Jahre von der Bayerischen Justiverwaltung freistellen. |
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