Allgäuer Zeitung vom 14.06.2002
TV-Richter Hold lässt den "Karl aus der Kiste"
Ehemalige Kollegen zu Besuch bei Dreharbeiten in
München Von Volker Geyer Kempten/München Drehpause bei
SAT 1 in München/Unterföhring.
Fernseh-Richter Alexander Hold sitzt auf der Treppe
vor dem Studio und schreibt Autogramme. "Für Gabi,
bitte für Julia für Oma", diktieren ihm die Fans ihre
Wünsche. Die jungen Damen und gestandenen Herren, die den
Kemptener umringen, sind allerdings keine gewöhnlichen
Autogrammjäger. Sie kennen den hochgewachsenen Mann in
der schwarzen Robe nicht nur aus dem Fernsehen, sondern
vor allem aus dem wahren Leben. 40 Mitarbeiter der Kemptener
Justiz von der Reinemachefrau bis hin zum ehemaligen Landgerichts-Präsidenten
haben sich auf den Weg nach München gemacht, um ihrem ehemaligen
Kollegen einen Besuch abzustatten. Gleichzeitig dürfen
sie bei den Aufzeichnungen zur Serie "Richter Alexander
Hold" das Publikum im Gerichtssaal spielen. Gegen
13.30 Uhr begrüßt Hold die Allgäuer. Knapp zwei Monate
nach seinem schweren Autounfall (wir berichteten) geht
er immer noch an Krücken. Dennoch erklärt er nach einer
Führung durchs Studio locker und gut gelaunt, was gleich
auf seine Gäste zukommt: Vier Sendungen sollen bis zum
Abend aufgezeichnet werden. Alle Fälle wurden bereits vor
echten Gerichten verhandelt. "Fürs Fernsehen werden
die aber entsprechend aufbereitet", verrät der 40-Jährige.
Da gebe es kein Geständnis nach zwei Minuten ("Das
wäre zu langweilig"). Außerdem bauen die TV-Macher
oft einen Überraschungszeugen ein den so genannten "Karl
aus der Kiste" der den Verlauf der Verhandlung komplett
auf den Kopf stellt. Echte Juristen vor der Kamera Neben
Hold spielen zwei weitere Volljuristen mit: In die Rollen
von Verteidiger und Staatsanwalt schlüpfen Anwälte. Die
Angeklagten und Zeugen sind Laiendarsteller. Ein strenges
Drehbuch gibt es nicht. "Die Zeugen plappern drauflos
und das Gericht reagiert darauf", erklärt der Kemptener.
Mit diesem Dreh will die Produktion möglichst viel Realität
erzeugen. Und die Rechnung geht auf. "Der Alexander
wirkt ganz natürlich", sind sich die Justizangestellten
Lisa Hummel und Karin Zwick einig: "so wie früher
bei uns im Gerichtssaal." Freilich geht's vor den
Kameras und den vielen Scheinwerfern nicht ganz so zu,
wie vor Justitias Schranken. "Es wirkt ein bisschen
wie in Amerika", so die angereisten Richter, wenn
sich Staatsanwalt und Verteidiger heftige Wortgefechte
liefern und Hold immer wieder beschwichtigend eingreift.
"Um das Spiel interessant zu gestalten, muss es eben
immer hin und her gehen", klärt der TV-Mann aus dem
Allgäu seine Ex-Kollegen nach dem ersten Fall auf, der
nach etwa eineinhalb Stunden im Kasten ist. Endgültig abgeschaltet
werden die Kameras an diesem Tag gegen 21 Uhr. Rund 25
Fälle zeichnet das gut 60-köpfige Hold-Team in einer Woche
auf. "Das wär' nix für mich", ist von einigen
Zuschauer zu hören, die nach sieben Stunden Dreharbeiten
etwas müde aber zufrieden das Studio verlassen. "Das
war ein Super-Tag", loben sie den Organisator der
Reise, Richter Alfred Reichert. Und dieser ist sich sicher:
"Dafür hat es sich allemal gelohnt, einen Tag Urlaub
zu nehmen und auf eigene Kosten nach München zu fahren."
Gerne wiederkommen würde Bewährungshelferin Edi Schacher.
Dann möchte sie aber nicht im Zuschauerraum Platz nehmen,
sondern als Darstellerin auf dem Zeugenstuhl: "Die
Bewerbungsadresse hab' ich schon in der Tasche." |