"Mittwoch, 28.03.07"

Der Fall:
Ein Schlosser wird beschuldigt einen Händler von Energiepyramiden mit dem Auto angefahren zu haben. Der Mann hatte seiner Frau teure Esoterikware verkauft, die er nicht mehr zurückhaben wollte. Fühlte sich der Angeklagte um sein Geld betrogen und wollte sich rächen?

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Mit höheren Mächten befaßte sich Joachim Steurer eher selten. Er war zu sehr mit der Realität beschäftigt und unter höherer Macht verstand er eher sowas wie einen Platten am Auto oder wenn Kurany einen Elfer verschoss. Vielleicht gab es ja wirklich sowas wie Engel oder so, aber die würden bestimmt nicht die monatlichen Kosten übernehmen. Seine Frau Helene beschäftigte sich zu seinen Leidwesen viel zu sehr mit dem Thema Esoterik. Dauernd fiel sie auf einen anderen Scharlatan herein, der ihr lauter überteuertes Zeugs für Energie und Harmonie andrehte. Dann kam sie überglücklich nach Hause und erwartete von ihm, daß er sich mindestens genauso freute. Wenn sie soviel Geld für so einen Kitsch ausgab, war der Streit doch wohl vorprogammiert. Eigentlich sollte sie da doch schon merken, daß das mit der Harmonie nicht so hinhaute, wie sie sich das vorstellte. Einmal hatte Helene eine unglaublich häßliche Glaspyramide ins Haus geschleppt und ganz ernsthaft verkündet, daß dieses Teil die Energie sichtbar steigern würde, wenn man sich ernsthaft mit ihr befassen würde. Gut, er war insgeheim erleichtert gewesen, als er über sie stolperte und sie endlich kaputt war, aber das war doch kein Grund, daß Helene dann so einen Aufstand machte. Er konnte nur hoffen, daß sie nicht wieder etwas neues auftrieb. Da waren ihm seine Tauben doch viel lieber.

Joachim wäre weitaus weniger zuversichtlich gewesen, wenn er gewußt hätte, daß Helene sich gerade im regen Verkaufsgespräch in einen Esoterikladen befand. Ihr neuestes Interesse galt einer Energiepyramide, die garantiert die Energie und Harmonie seiner Benutzer sichtbar steigern würde. Natürlich waren 2.990 Euro sehr viel Geld, aber andererseits sah Joachim nicht immer öfter sehr ausgelaugt aus? Wenn sie den Kaufvertrag unterschrieb, würde sie das in erster Linie für ihren Mann und sich tun. Bestimmt würde der sich im ersten Moment furchtbar aufregen, aber wenn er sehen würde, wie gut er sich dank Energiepyramide fühlen würde, ja dann würde er dankbar sein und anerkennen, was sie für ihn tat. Norbert Behring, der Besitzer des Ladens, überredete sie schließlich zum Kauf. Sein Laden bot ein breitgefächteres Sortiment an Büchern über Esoterik, Kristallkugel, Wahrsagekarten und Traumfängern und er hatte ein großes Geschick mit Kunden umzugehen, die ihm sozusagen aus der Hand fraßen. Mit frischer Energie eilte Helene nach Hause. Sie konnte es kaum abwarten, die Energiepyramide Joachim zu zeigen.

Ihr Ehemann zeigte sich aber gar nicht von seiner harmonischen Seite, als er den Preis erfuhr. Genauer gesagt brüllte er sofort los wie ein verwundeter Löwe. Eine Stunde lang ließ er sich über den Preis aus, dann verlangte er sofort die Rückgabe dieses "Zeltes" und schrie noch lauter, weil Helene es im Garten aufstellte. Es verschandelte den Garten total. Er konnte sich jetzt schon das Gelächter der Nachbarn vorstellen. Wahrscheinlich würde dieses Ding bloß seine Tauben verschrecken. Helene versuchte vergeblich Joachim zu überreden sich unter die sogenannte Energiepyramide zu setzen und Kraft zu tanken. "Verdammt noch mal, für 15 Euro hätte ich alles aus einen Baumarkt gekauft und ich hätte Dir so ein Energiedingsbums selbst gebaut. Aber nee, das ist Dir ja von so nem Esoterikfuzzi lieber." Jetzt war Helene ernsthaft beleidigt. Aber Joachim verlangte die sofortige Rückgabe und den Rücktritt vom Kaufvertrag. Von Harmonie fehlte an diesem Tag wirklich jede Spur im Haus Steurer.

In Joachims Augen sah diese Energiepyramide eher aus wie ein mißratenes Campingzelt und die Nachbarn hatten schon hämisch gefragt, ob er neuerdings moderne Kunst in seinen Garten ausstellen würde. Außerdem konnten sie sich die 2.990 Euro wirklich nicht leisten. Er hatte Helene nichts davon erzählt, aber die Schmerzen in seinen rechten Unterarm wurden von Tag zu Tag immer schlimmer und der Arzt, den er aufsuchte, hatte ihn vorgewarnt, daß er seinen Beruf als Schlosser höchstwahrscheinlich nicht mehr lange ausführen würde können. Er wollte aber seine Frau nicht beunruhigen und er hatte auch die leise Befürchtung, das sie sich für seinen Arm ein neues esoterisches Wundermittel andrehen lassen würde. Also marschierte er geradewegs zu Behring und verlangte den Rücktritt vom Kaufvertrag und die Rückerstattung des vollen Kaufpreises. Er war sogar noch ziemlich höflich dabei gewesen. Aber Behring hatte ihm nur einen arroganten Blick zugeworfen und erwidert, daß die Pyramide ja draußen gewesen sei und außerdem schon gebraucht worden war und er sie nicht mehr zurücknehmen könne. Joachim hatte ihm sogar angeboten, das Teil abzuwaschen, aber das war Behring so ziemlich egal gewesen. Doch so leicht würde sich Joachim nicht geschlagen geben. Zu Hause dachte er nur noch darüber nach, wie er das Geld zurückkriegen konnte und grübelte über die Zukunft nach, was seine Laune auch nicht verbesserte.

Privat hatte Norbert Behring eigentlich schon genug Sorgen, als daß er sich noch um Joachim kümmern konnte, der einen ganz privaten Kreuzzug gegen ihn anzustreben schien. Seit seine Freundin Claudia nach seiner Scheidung zu ihm und seinen Sohn Stephen gezogen war, erkannte er seinen Sohn nicht mehr wieder. Zuerst hatte sich Stephen damit begnügt sich einfach nur unverschämt und übellaunig ihnen gegenüber zu zeigen. Ganz besonders Claudia litt unter der angespannten Situation. Stephen machte sich ganz offen über sie lustig, weil sie Angst im Dunkeln hatte, so daß Norbert extra für sie eine Fluchtlichtscheinwerferanlage im Garten für sie angebaut hatte. Aber dann reichte es ihm anscheinend nicht mehr aus frech und aufsässig zu sein. Er und seine tollen Freunde, von denen einer es schon geschafft hatte vorbestraft zu sein, brachen in ein Elektrogeschäft ein. Nachdem er bei seinen Sohn einen teuren DVD-Player entdeckt hatte, beschloss er ihm lieber ein paar Fragen mehr zu stellen. Die Antwort hatte er nicht hören wollen, aber dann sah er keinen anderen Ausweg mehr als seinen eigenen Sohn anzuzeigen mitsamt seinen Freunden. Stephen gab Claudia dafür die Schuld und zeigte sich von nun an nur noch unausstehlicher. Claudia drang immer mehr auf Norbert ein Stephen in ein Internat zu stecken.


Während Joachim weiterhin einen Kleinkrieg gegen Norbert führte und ihm bei jeder unpassenden Gelegenheit dazu aufforderte ihm sein Geld zurückzugeben und dabei immer ausfallender wurde, fand sich Stephen bald auf der Schule ganz alleine vor. Seine Freunde glaubten, daß er den Einbruch verraten hätte und daß einer von ihnen jetzt im Gefängnis hockte, machte die Sache nicht leichter. Sie drückten ihre Meinung über seinen "Verrat" aus, indem sie seine Reifen vom Fahrrad zerschlitzten und ihn ganz offen überall schnitten. Stephen wollte weiterhin zu seiner Clique gehören und schwor, daß sein Alter nochmal was ganz tierisch auf den Sack kriegen würde, auch wenn er gar keine Ahnung hatte wie er das bewerkstelligen sollte. Seine Freunde glaubten ihm übrigens auch kein Wort und drehten ihm weiter den Rücken zu. Da mochte sein Vater noch so sehr predigen, daß es viel besser war, jetzt mit ein paar Sozialstunden davon zu kommen, als als Erwachsener eine Haftstrafe zu kriegen, er fühlte sich als totaler Loser und die saudummen Sozialstunden mußte er auch noch abbrummen. Als er am 26.01 auch noch den Wisch von einem Internat fand, die seinen Vater ein Aufnahmegespräch anboten, stand er kurz davor durchzudrehen. Als sein Vater arglos nach dem Brötchenmesser fragte, rammte er es zornbebend in das Frühstücksbrettchen und warf ihm und Claudia einen Blick zu, der durch Mark und Bein ging. Claudia hoffte, daß Norbert den Termin mit dem Internat auch wahrnehmen würde. Norbert wußte nichts von dem Brief.

Am 26.01 entschloß sich Joachim, der endgültig die Nase voll hatte, Behrings privat aufzusuchen und ihm den ganzen Kram vor die Füße zu werfen. Er wollte dieses Zelt endgültig aus seinen Garten haben. Er klingelte Sturm bei Behrings, aber niemand öffnete ihm die Türe. Wahrscheinlich saß der in seinen schönen Haus und lachte sich schlichtweg halbtot über ihn. Dieser Gedanke brachte ihn derartig zum kochen, daß er die Zeltstange packte und sie durch ein Fenster rammte. Plötzlich hörte er ein Auto, das sich näherte. Ihm kam die Erkenntnis, daß ihm ein Schadensersatz noch viel mehr Geld kosten würde und er nahm sein Heil in der Flucht mitten durch den dornigen Hagebuttenstrauch. Norbert Behring, der die Garagentür öffnete, sah nicht wie sein Sohn in das Auto stieg und anfuhr, er hörte nur das Aufheulen des Motors. Eigentlich hatte Stephen doch gar nicht so doll Gas geben wollen, aber er hatte nur ein wenig Fahrpraxis. Darum traf das Auto seinen Vater viel härter, als er es eigentlich gewollt hatte. Norbert landete im Krankenhaus mit einen Bruch des rechten Unterschenkels und zahlreichen Prellungen und war felsenfest überzeugt, daß Joachim Steurer am Steuer des Wagens gesessen hätte.

Als Claudia vom Krankenhaus zurückkam, sah sie Stephen umringt von seinen Freunden. Sie starrten ihn richtig ehrfürchtig an, klopften ihm die Schulter und benahmen sich ganz so, als habe er eine unglaubliche Heldentat vollbracht. "Das haben wir Dir ganz ehrlich nicht zugetraut" sagten sie und Stephen antwortete "Ich habe doch versprochen, daß der Alte was auf den Sack kriegt." Claudia hatte eine Ahnung, was sie meinten. Anscheinend war Stephen noch viel gefährlicher, als sie gedacht hatte.


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