"Freitag, 02.02.07"

Der Fall:
Der Autohändler Udo Löw steht heute vor Gericht, weil er die Russin Ludmilla Parowski mit einen Besen durch den Garten gejagt und auf sie eingeschlagen haben soll. Der Angeklagte und das Opfer behaupten, daß alles nur ein Spiel gewesen sein soll. Die neugierige Nachbarin sieht das anders.

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Als Pastorenwitwe hatte Dorothea Wolle entschieden feste Vorstellungen, wie man ein Leben führen sollte. So war Dorothea dementsprechend geschockt, als sie mitbekam, was sich bei ihren Nachbarn alles so abspielte. Jeden Tag kamen Männer ins Haus, die offiziell bei Herrn Löw Autos kauften. Aber zum Autokauf gehörte es wohl nicht, daß der Kunde sich dann anschließend nackt im Pool mit der angeblichen Haushaltshilfe räkelte, oder? So weltfremd war Dorothea auch wieder nicht, als daß sie nicht bemerkt hätte, daß diese Männer in Wirklichkeit Freier waren. Aber mit diesen Leuten reden konnte man nun wirklich nicht. Eins war sicher, die beiden waren höchstens bei der Taufe mit Weihwasser in Berührung bekommen. Die beiden machten sich höchstens über sie lustig, wenn sie mit frommen Sprüchen kam. Natürlich hatte Dorothea Wolle Sodom und Gomorrha nicht mit eigenen Augen gesehen, aber genau wie bei den Löws mußte es da auch zugegangen sein. Mindestens.

Dorothea hatte auch vollkommen recht, die Männer waren wirklich Freier. Alle paar Monate reiste Udo nach Russland und nebenbei brachte er ein "neues russisches Perlchen" mit, wie er seine Mädchen gerne nannte. Natürlich war bei den Gesprächen nie die Rede davon, daß sie anschließend in Deutschland ihre Körper verkaufen mußten. Udo behauptete jedes Mal, er könne den Mädchen eine Karriere als Model verschaffen. Dabei trat er so selbstsicher auf, als sei der Vertrag mit Karl Lagerfeld so gut wie unterschrieben. Und wenn nicht direkt eine Modelkarriere möglich war, auch nicht schlimm, dann konnten sie solange im Haushalt helfen. Udo malte die Zukunft der Mädchen jedesmal in den prächtigsten Farben aus. Dabei verschwieg er großzügig, daß er die Mädchen, wenn er sie erstmal satt hatte, an den nächsten Zuhälter verscherbelte und die "große Modelkarriere" dann im Bordell ihr jähes Ende finden würde. Aber bis dahin mußten sie mit seinen Geschäftspartnern schlafen. Die Mädchen erfuhren das erst in Deutschland, nachdem er ihnen den Pass abgenommen hatte.

Falls es Dorothea Wolle durch ein Wunder zu dieser Moskauer Disco geführt hätte, anstatt zu ihren üblichen Kirchenbasaren, sie hätte Ludmilla Parowski genau aufgeklärt, daß Udo weder der heilige Samariter war und sie bestimmt nicht aus einen Anfall an Nächstenliebe mit nach Deutschland nehmen wollte. Aber Ludmilla hatte natürlich keine Gelegenheit mit Frau Wolle zu sprechen, noch lag es Udo daran Ludmilla über ihren wahren Verwendungszweck aufzuklären. Auch bei Ludmilla zog das Märchen über "die große Modelkarriere". Man konnte es Ludmilla nicht zum Vorwurf machen, daß sie Udo das alles abkaufte, wo der doch ein so ehrliches Gesicht dabei machte. Und welche Zukunft hatte Ludmilla schon hier in Moskau? Ihre Familie war arm und sie hatte noch neun Geschwister. Mit dem vielen Geld, was sie verdienen würde als Model, konnte sie auch ihrer Familie helfen. Selbstredend meinte Udo mit dem vielen Geld, eher das Geld, was er mit ihr verdienen würde, aber darüber fiel erstmal kein Wort.

Ludmilla hatte sich in Deutschland kaum eingelebt, da sollte sie mit der harten Realität konfrontiert werden. Udo teilte ihr ohne große Umschweife mit, daß sie ihn einfach zuviele Kosten verursachen würde. Da er sie noch nicht als Model vermitteln konnte, mußte sie eben auf andere Art ihr Geld verdienen. Jetzt sollte Ludmilla erfahren, daß Udo unter Haushaltshilfe verstand, daß sie mit wildfremden Männern schlafen sollte. Ludmilla konnte sich das nicht vorstellen, Sex war für sie eine sehr persönliche Sache, und für sie kam nur ein Mann in Frage in den sie auch ehrlich verliebt war. Aber Udo war gar nicht daran interessiert, ob sie es freiwillig machte oder nicht. Hatte man sie bisher noch mit Höflichkeit behandelt, machten die Löws ihr jetzt in aller Deutlichkeit klar, daß sie gar keine andere Wahl hatte. Ohne Geld und ohne Pass machten sie Ludmilla glaubhaft klar, würde sie ihre Heimat nie wiedersehen. Und wie ihre Vorgängerinnen auch, tat Ludmilla was man von ihr verlangte.

Bis zu diesen Punkt war Ludmillas Leben bestimmt kein Zuckerschlecken gewesen. Aber Ludmilla hatte nie gewußt, daß ihr Leben eines Tages fast nur noch aus Ekel und Abscheu bestehen sollte. Am 22.07.02 hatte Udo wieder einen Saunaabend mit einen Geschäftspartner von Statten geplant. Dabei sollten auch "frivole Spielchen" und "Ringelpitz mit Anfassen" stattfinden, wie Udo das nannte. Für Ludmilla bedeutete das, das sie mit von Statten schlafen sollte. Ludmilla warf einen Blick auf von Statten und der war so widerlich, daß sogar die bisher lammfromme Ludmilla sich weigerte mit ihm zu schlafen. Es folgte ein Riesentheater. Udo beschimpfte sie und bedrohte sie, aber nichts stimmte Ludmilla um. Von Statten beobachtete das ganze nackt vom Sofa aus. Er war sicher, daß Udo Ludmilla schon umstimmen würde. Schließlich packte Udo einen Besen und prügelte damit auf Ludmilla ein. Splitternackt und panisch rannte Ludmilla in den Garten, den nackten Udo mit seinen Besen immer hinter ihr her. Aber diesmal sollte Udos neugierige Nachbarin Frau Wolle ihr zur Hilfe eilen.

Frau Wolle sah das ganze Drama und war sicher, daß ihr Mann es garantiert als seine Christenpflicht gesehen hätte, Ludmilla beizustehen. Nun, der Herr hatte ihren Mann zu sich gerufen, also befand Dorothea war es jetzt ihre Aufgabe Ludmilla zu retten. Die gute Pastorenwitwe kratzte ihren ganzen Mut zusammen, packte eine Decke und stellte sich zwischen Udo und Ludmilla, der so gezwungen war mit dem Prügeln aufzuhören. Dann wickelte sie zitternde Ludmilla in die Decke und nahm sie mit ins Haus. Sie konnte ja nicht ahnen, daß Udo Ludmilla gedroht hatte sie umzubringen, wenn sie den Mund zu weit aufriß. Also ging Ludmilla brav wieder mit Udo mit, als der ein paar Minuten später bei Frau Wolle vor dem Haus stand, zurück bei den Löws zwang er sie mit von Statten zu schlafen, der immer noch nackt auf dem Sofa lag. Das hätte niemals ein Ende gefunden, wenn die brave Pastorenwitwe Udo Löw nicht bei der Polizei angezeigt hätte.

Vor Gericht behauptete Löw, Ludmilla sei bloß eine Haushaltshilfe und die Jagd mit dem Besen würde nur zu den üblichen frivolen Spielchen gehören. Das Spiel mit dem Besen nannte er im übrigen "Räuber und Gendarm". Das war eine sehr phantasievolle Auslegung des Ganzen. Natascha Löw wollte Ludmilla schon gar nicht ihre Aussage machen lassen, sie sollte an diesem Tag an einen Zuhälter aus Düsseldorf verkauft werden. Der würde diesem störrischem Biest schon Manieren einprügeln, dachte sie. Der entsetzten Ludmilla ging auf, daß der Zuhälter vermutlich sogar noch schlimmer als Udo war und wie ihr Leben dann aussehen würde, das konnte sie sich ja an fünf Fingern ausrechnen. So war sie doch heilfroh, daß sie es mit Not und Mühe durchsetzte vor Gericht aussagen zu können. Selbst hier ließ Natascha Löw sie nicht in Ruhe. Sie saß ihr hartnäckig im Nacken und flößte ihr genaustens ein, was sie zu sagen hatte. Ludmilla dachte an den Zuhälter in der "Goldenen Eiche" und das Leben das ihr blühte und sie dachte an daheim. Es war Zeit die Wahrheit zu sagen. Dankbar hörte sie, wie Staatsanwältin Dissmann ihr Hilfe zusicherte.


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