"Samstag, 29.07.06"
Der Fall:
Die beiden 17-jährigen Jonas und Lydia
sollen nachts in das Haus ihres Mitschülers Kilian eingedrungen,
die Wände mit Schweineblut und die Kilian bewußtlos geschlagen
haben. Wollten die Schüler den Außenseiter Angst einjagen
oder steckt der benachbarte Schweinezüchter Buh dahinter?
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Schau sich einer die fette Kuh an. Kilians Stimme war über
den ganzen Schulhof zu hören und er meinte seine Schwester
Frederike damit. Ja, ja, ja, dachte sie aufgebracht, fette
Kuh, Elefant, Nilpferd nur immer weiter so. Gleich würde
sie zu ihm rübergehen und ihn mal ordentlich die Meinung
sagen. Dann würde sie solange gegen seine Schienbeine treten
bis er entweder freundlich zu ihr war oder wenigstens die
Klappe halten würde. Natürlich tat Frederike nichts dergleichen.
Es war einfach nicht ihre Sache sich groß zu wehren oder
laut zu werden. Meistens ließ sie sich alles gefallen.
Das machte sie zu einen leichten Opfer für Leute wie Kilian,
der glaubte er würde bald zu den coolen Leuten gehören,
wenn er nur lange genug auf seiner Schwester herumtrampelte.
"Ey Kilian" Jonas hatte die Szene betreten. Kilian
starrte den hoffnungsfroh an, "der Fetty da ist doch
Deine Schwester oder? "Voll daneben" befand Lydia
für jeden deutlich. Die beiden hingen wie üblich zusammen.
Alles lachte über Kilian und wie üblich wurde er zu den
Außenseitern zurückgestoßen. Kilian starrte wütend seine
Schwester an. Frederike zuckte die Achseln. Wann würde
Kilian es nur begreifen, daß es nicht ihre Schuld war,
daß niemand ihn akzeptierte?
Kilian sprach den Rest des Tages nicht mit ihr. Frederike
wußte, daß es nichts bringen würde mit ihrer Mutter über
diese Probleme zu reden. Die würde bloß sagen "Aber
Schatz, Jungs sind nun mal so in diesen Alter, er meint
das garantiert nicht böse...." und dann würde sie
mit einen taktvollen Blick auf sie sagen "Natürlich
bist Du nicht fett, das ist alles bloß Babyspeck."dann
würde sie das ganze Gespräch vergessen, so wie sie alles
Negative, was ihr nicht in den Kram paßte, verdrängte.
Vergebliche Liebesmüh. Wenn Frederike ernsthaft jemanden
zum reden brauchte, ging sie zu dem Schweinezüchter Buh,
der eigentlich Boris hieß. Die freundlichsten Menschen
hier hielten Buh für sonderbar, die weniger höflichen nannten
ihn schlicht und einfach strohdoof. Frederike wußte, das
er nicht dumm war. Er konnte prima zuhören und er liebte
seine Schweine über alles. Seine Schweine hatten gut lachen
bei Buh. Er sah in ihnen keine zukünftigen Koteletts und
Schweinebraten, sondern er hätschelte und pflegte sie wie
man es auch mit einen geliebten Hund oder einer Katze tun
würde. Er sah in allen und jeden etwas Gutes und dafür
mochte Frederike ihn sehr.
Irgendwann reichte Kilian es nicht mehr dumme Witze über
seine Schwester zu reißen. Um endlich im Mittelpunkt zu
stehen, erfand er das Gerücht "Buh und sie hätten
was miteinander" Lydia und Jonas lachten sich halbtot
darüber. Sie glaubten es von Anfang an nicht. Gott ist
der doof, befand Jonas und Lydia schüttete sich vor Lachen
aus. So richtig glaubte eigentlich keiner daran, aber interessant
klang es doch irgendwie und bald ging es über die gesamten
Schulflure. Besonders wie das Miteinander wohl zwischen
Frederike und Buh aussehen würde, darüber wurde heiß spekuliert.
Frederike hatte keine Ahnung, was ihr Bruder mal wieder
in die Welt losgelassen hatte. Sie wunderte sich nur, warum
sie so viele aus der Schule sie so seltsam hungrig-interessiert
ansahen. Frederike sah kontrollierend in den Spiegel, an
der Nase hatte sie nichts. Warum zur Hölle gafften sie
sie so an. Sollte sie etwa Kunststückchen machen? Langsam
begann es ihr wirklich schwer auf die Nerven zu gehen.
Natürlich erfährt der, über den man Lügen erzählt,traditionell
als Letzter, was hinter seinen Rücken zusammengesponnen
wird oder auch nie. Das war auch bei Frederike der Fall.
Und so fiel sie aus allen Wolken als ihre Eltern ihr ab
sofort jeden Kontakt mit Buh verboten. "Aber er ist
mein Freund" begehrte sie zum ersten Mal auf. Hinter
den Rücken ihrer Eltern, grinste sie Kilian fies an. Ihr
schwante, daß der hinter den seltsamen Verhalten ihrer
Eltern steckte und hinter den vielen komischen Blicken,
die man ihr in der Schule zuwarf. Was hatte er jetzt wieder
gemacht?
Während Kilian als Insider einer interessanten Geschichte
sowas wie Anerkennung bei wenigstens paar Schülern fand,
fühlte sich Frederike einsamer denn je. Sie hatte niemanden
auf dieser Schule mit dem sie sprechen konnte und zu Buh
durfte sie nicht mehr. Sie langweilte sich grenzenlos zu
Hause und bekam prompt zu hören "Nimm Dir ein Beispiel
an Deinen Bruder, der engagiert sich für die Schülerzeitung."
Die Maibachs platzten förmlich vor Stolz, als sie hörten,
daß Kilian sich aktiv bei der Schülerzeitung beteiligte.
Sie wären freilich eher vor Wut geplatzt, wenn sie gewußt
hätten, was ihr hoffnungsvoller Spößling so alles schrieb.
Er nutzte eine Kolumne um eine erneute Attacke auf seine
Schwester loszulassen. "Diät als letzte Chance"
hieß der Titel seines Artikels und bezog sich ganz offenkundig
auf Frederike. Falls es dann doch jemand nicht mitkriegen
solllte, baute Kilian sicherheitshalber noch den Satz ein
"damit ihr nicht endet wie Frederike." Frederike
bekam den Artikel erst in die Hände, als er auch schon
gedruckt in der Zeitung stand. Wieviele Schüler lasen diese
Zeitung. So mindestens etwa jeder zweite. Oder auch alle?
Frederike versteckte sich irgendwo ganz hinten auf der
Schultoilette, hoffte daß sie niemand hörte und brach in
fassungsloses Weinen aus. Das war zuviel und jetzt mußte
sie mit jemanden sprechen, der sie verstand. Sie würde
zu Buh gehen.
Buh war mit Gemeinheiten bestens vertraut. Er hatte sich
daran gewöhnt, daß lauter seltsame und peinliche Sachen
in sein Haus geliefert wurden, die er niemals bestellte
hatte. Da waren zum Beispiel diese ulkigen menschengroßen
Plastikpuppen gewesen, die wirklich häßlich gewesen waren.
Das konnte man alles zur Post bringen und es wieder zurückschicken.
Auch wenn man ihn nachts dauernd anrief, damit konnte er
auch leben. Nur einmal wurde er ernsthaft wütend, als man
seine Schweine auf die Autobahn getrieben hatte. Gottseidank
hatte ihm die Polizei geholfen alle wieder einzufangen.
Aber dies hier stank zum Himmel. Das war wirklich gemein
und Buh war richtig wütend auf Kilian, der so eine tolle
Schwester hatte und sie so schlecht behandelte. Fast wünschte
er ihm, das ihn auch mal jemand so weh tat. Aber das war
kein netter Gedanke und Buh verdrängte ihn schnell wieder.
Buhs Wunsch sollte sich am 09.12 erfüllen. Kilian war alleine
zu Hause. Seine Schwester war weiß Gott wo und er spielte
am Computer. Etwas schepperte im Haus. Scheppern? Wie konnte
etwas im Haus scheppern, wenn er doch allein war. War Frederike
schon zurück. Eigentlich wollte Kilian es gar nicht so
genau wissen, trotzdem ging er ins Wohnzimmer und blickte
auf das totale Chaos. Möbel lagen umgekippt, kaputte Gläser
überall, Kissen lagen zerfetzt am Boden. Jemand hatte auf
die Wand mit Blut geschrieben. "Fette Schweine, euch
schlachten wir auch noch ab." Nicht jemand erkannte
Kilian. Lydia und Jonas starrten ihn an und er starrte
zurück. Kilian begann beide anzubrüllen, daß sie verschwinden
sollten. Das wollten sie jedoch nicht, viel lieber wollten
sie weiter das Haus verwüsten. Erst als er mit der Polizei
drohte, wurde er wieder interessant für sie. Der erste
Faustschlag von Jonas kam überraschend. Der zweite tat
weh. Irgendwann kamen auch Tritte hinzu, aber da lag er
längst am Boden und krümmte sich vor Schmerz. Als Frederike
nach Hause kam, fand sie das Haus verwüstet und ihren Bruder
bewußtlos und blutend auf dem Boden. Frederike hatte keine
Ahnung was sie tun sollte und rief Buh zu Hilfe. Der rief
die Polizei. Während Kilian langsam aufwachte und die Polizei
ihm Fragen stellte, während der Arzt ihn versorgte, sah
Buh aus dem Fenster. Lydia und Jonas waren im Garten. Dann
hatten die beiden wohl auch eins seiner Schweine getötet,
um damit an die Wand zu schreiben und das Schlafzimmer
zu versauen.
Lydia und Jonas wurden beide angeklagt. Aber Buh sollte
noch einen Denkzettel erhalten. Am Tag des Prozeßes stand
an seiner Hauswand "Verpiß Dich Du Sau" geschrieben.
Buh ahnte schon womit es geschrieben worden war und eilte
in den Stall. Dort lag sein Mariechen, tot, neben ihr lag
noch der Elektroschocker und das blutige Messer. Der gute,
liebe Buh wurde so rasend wütend wie noch nie zuvor. Noch
blutbesudelt, steckte er den Elektroschocker ein und packte
das Messer und fuhr so wie er war zum Gericht. Dann stürmte
er auf Lydia und Jonas zu, die vor seiner Erscheinung sichtlich
zusammenzuckten. Wütend fuchtelte er mit dem Messer vor
ihren Nasen herum. "Was hat euch mein Mariechen getan?"
Er schrie und tobte und war erst durch den Gerichtswachtmeister
zu bändigen.
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