"Donnerstag, 15.06.06"
Der Fall:
Die Eheleute Judith und Jonas Gest wurden
am deutschen Zoll mit 2,5 kg Heroin im Gepäck festgenommen.
Wollte das Pärchen mit dem Verkauf der Drogen die Schulden
für ihr Haus abzahlen, oder wurde ihnen der Stoff im Urlaub
untergejubelt?
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Der Traum vom eigenen Haus war für Judith und Jonas Gest
zum Alptraum geworden. Es sollte sich rausstellen, daß
sie sich bei der Finanzierung gnadenlos überschätzt hatten
und bald türmten sich die Rechnungen, die nicht bezahlt
werden konnten. Mochten sie noch so sparen und rechnen,
es reichte von hinten bis vorne nicht. Es gab keine Bank,
die ihnen noch einen Kredit gebilligt hätte. Darauf nahm
aber keiner Rücksicht und bald trudelten die ersten Mahnungen
ins Haus. So wie es jetzt aussah, konnte sogar der sonst
so optimistische Jonas nur einräumen, daß sie ihr Haus
verlieren würden. Es drohte die Zwangsversteigerung. So
war Judith mehr als froh, als ihr Mann nach einen Telefonat
mit seinen Bruder erklärte, daß der ihnen helfen würde.
Judith dachte dabei, daß Wolfgang ihnen vielleicht das
Geld leihen würde, damit sie ihre Schulden bezahlen konnten.
Wolfgang besaß eine Tauchschule in der Türkei. Warum der
das Geld dann nicht direkt überweisen konnten und sie erst
zu ihm reisen mußte, verstand sie nicht. Aber wenn einen
die einzige Lösung der Probleme ihnen direkt auf den Silbertablett
geboten wurde, dann würde sie nicht lange nachfragen. Sie
nahmen den nächsten Flug in die Türkei.
Aber Wolfgangs Problemlösung sollte ganz anders aussehen.
Der hatte gar nicht vor ihnen das Geld zu leihen. Jonas
und Wolfgangs grandioser Plan bestand darin, daß Wolfgang
seinen Bruder Kontakte zu einen Drogendealer verschaffen
sollte, der dem dann "günstig" Heroin verkaufen
sollte, das könnte Jonas dann in Deutschland teurer verkaufen.
Beide plauderten so lässig darüber, als sei es das normalste
auf der ganzen Welt mit Drogen zu handeln. Judith folgerte,
daß wahrscheinlich beide Männer komplett irre geworden
waren. Zur Vernunft bringen ließ sich auch keiner von denen.
Obendrein mußte sie noch erfahren, daß Jonas bei einen
Wucherer 50.000 Euro geliehen hatte, bei einen Zinssatz,
bei dem ihr schwarz vor Augen wurde. Anscheinend war Jonas
wild entschlossen ihnen finanziell den Todesstoss zu versetzen.
Das alles regte sie auf, daß sie einen schweren Asthmaanfall
bekam. Der redete wie mit einen trotzigen Kind auf sie
ein. Das Geld würden sie locker mit dem Verkauf wieder
reinbekommen, behauptete er. Überhaupt sei es keine Sache,
das Heroin nach Deutschland zu transportieren. Es könnte
ihnen gar nichts passieren. Judith hätte gerne eingewandt,
daß man eine lange Haftstrafe getrost unter "etwas
passieren" buchen konnte. Aber es hörte eh keiner
mehr zu. Außer ihr benahmen sich alle so, als sei die schöne
Märchenfee höchstpersönlich mit dem goldenen Scheckbuch
in der Hand erschienen.
Judith zwang sich einen klaren Kopf zu behalten. Während
Jonas das Heroin beschaffte, sollte sie nach den perfekten
Sündenböcken suchen. Nicht, daß sie sich um die Aufgabe
riß, aber anscheinend gab es kein Zurück mehr. Jonas Bruder
hatte sie auf Peter aufmerksam gemacht, von dem er wußte,
daß er sehr oft im Jahr in die Türkei fuhr. Dieses Mal
war er mit einer Sandy unterwegs, die angeblich seine Ehefrau
war. Wolfgang wußte aber zu berichten, daß Peter immer
mit einer anderen Frau unterwegs war. Als Jonas dann auch
noch mitbekam, daß beide unter einen falschen Namen im
Hotel abgestiegen waren, war die Rolle der Sündenböcke
besetzt. Judith sollte ins Gespräch mit den beiden kommen.
Die argwöhnte, daß Jonas gar nicht verstand, was er tat.
Nachts, wenn ihr Mann seelenruhig neben ihr schnarchte,
ging ihr durch den Kopf, was das Heroin wenn es erstmal
im Umlauf war, anrichten würde. Dann mußte sie an ihre
Tochter denken. Schnell verdrängte sie jeden weiteren Gedanken.
Sandy war in Wirklichkeit nicht Peters Frau sondern seine
Kellnerin. Sie hiess Sandra Sonne und sein richtiger Name
war Peter Haas. Sie hatten unter den Namen Holländer gebucht,
damit Peters Ehefrau keinen Wind von der Sache bekam, denn
die hätte ihnen keine ruhige Minute gegönnt. Sie waren
auch nicht aus lauter Verliebtheit zusammen in den Urlaub
gefahren. Sandy hatte ehrgeizige Pläne, sie wollte Karriere
als Sängerin machen und Peter hatte ihr versprochen Auftritte
zu verschaffen. Allerdings machte er das nicht aus reiner
Herzensgüte. Peter war gewohnt für alles was er gab, doppelt
zu nehmen. Wenn Sandy Auftritte haben wollte, mußte sie
mit ihm in den Urlaub fahren. Hier stellte sich dann heraus,
daß Peter etwas ganz anderes vorschwebte, wenn von Urlaub
"All inclusive" die Rede war. Bei einer Bustour
konnte Judith gerade noch verstehen, wie Peter Sandy anfauchte
"daß sie schon mehr tun müsse, wenn sie ihre Karriere
nicht vergessen wollte." Judith, die ganz in Nähe
saß, hatte ein offenes Ohr für Sandys Beschwerden über
Peter. Bald waren sie auch ganz vertraut miteinander.
Judith unternahm viel mit den beiden. Wenn sie nach ihren
Ehemann gefragt wurde, entschuldigte sie Jonas damit, daß
der das Essen im Hotel einfach nicht vertragen konnte und
praktisch jeden Tag über der Toilette hing. Peter konnte
einmal einen Blick auf den angeblich so Kranken werfen,
als im Hotelzimmer der beiden vorbeisah. Für jemanden,
der so todkrank war, sah der aber ganz gut aus, wenn er
ihn auch komischerweise zu Tode erschrocken anstarrte.
Irgendwas hatte der ganz flott versteckt, aber warum sollte
er sich Scherereien machen? Peter hatte seine Erfahrungen
mit Kokain gemacht und vor allen Dingen mit den damit dazugehörigen
Gerichtsverhandlungen. Seine Frau, diese Buschtrommel,
hatte damals einfach nicht den Mund halten können. Also
sollte Jonas daß schön alleine ausbaden. Judith tat mittlerweile
so dicke mit Sandy, daß sie sie dazu drängte auf einen
Basar die gleichen Taschen zu kaufen. Die fand die Tasche
zwar richtig kitschig, aber sie wollte kein Spielverderber
sein. Im Hinterkopf hatte Judith den Gedanken, daß man
in einer der Taschen das Päckchen Heroin unterbringen könnte
und dann schließlich vertauschen konnte. Somit würde Sandy
die Drogen dann in der Tasche haben. Am Zielort konnte
man den "Irrtum" bemerken und wieder umtauschen.
Das die Taschen sich geringfügig unterscheideten, fiel
ihr nicht auf.
Als der Urlaub vorbei war, fuhr Wolfgang alle vier gemeinsam
zum Flughafen. Im Gegensatz zu der sonst so fröhlichen
Stimmung war die Luft zum Schneiden dick. Sandy, die bemerkt
hatte, daß Judith aus Versehen ihre Taschen vertauscht
hatte, wurde förmlich von giftigen Blicken durchbohrt.
Dann setzte das Ehepaar so grantige Gesichter auf, daß
niemand mehr wagte sie anzusprechen. Vielleicht, so ging
es Sandy durch den Kopf, weiß sie von der Sache zwischen
mir und Jonas. Aber danach fragen wollte sie lieber nicht.
Peter, der gar keine Idee hatte, was die schlechte Stimmung
verursacht haben könnte, zuckte nur mit den Achseln. Er
zerbrach sich bestimmt nicht den Kopf. Im Flugzeug steigerte
sich das Verhalten der beiden. Jetzt taten sie sogar so,
als würden sie sie gar nicht kennen. Aber wenn sie es so
haben wollten. Sie begannen sie ebenfalls zu ignorieren
und Sandy hing ihren ehrgeizigen Plänen nach. Schließlich
würde sie bald ihren großen Auftritt als Sängerin haben.
Judith hatte in Wahrheit keine Ahnung von dem Seitensprung.
Ihr war schlicht weg übel vor Angst. Am türkischen Flughafen
war wie ein Wunder noch alles gutgegangen. Wenn dies hier
erledigt war, wollte sie niemals, aber auch wirklich niemals
wieder mit sowas mehr zu tun haben. Für sie war das kein
Spaziergang und die Aufregung schnürte ihr wieder den Hals
zu. Alles was sie sehen konnte, war der Ausgang des Flughafens.
Wenn sie nur schon draußen wären. Auf einmal konnte sie
aufgeregtes Hundegebell hören. Die Zollpolizei war ihnen
gefolgt, sie wurden aufgefordert anzuhalten. Starr vor
Schreck starrte das Ehepaar den Schäferhund der Polizisten
an, der eifrig begann ihr Gepäck zu beschnüffeln. Bei Judiths
Tasche wurde er ganz aufgeregt und schlug an. Die starrte
auf den wedelnden Schwanz des Tieres und wurde ganz kreideweiß.
Alle begannen sich anzubrüllen. Jonas spielte die gerechte
Empörung und beschimpfte die Polizisten, die energisch
forderten sofort mitzukommen. Hochzufrieden mit sich und
der Welt legte der Schäferhund sich zwischen die streitenden
Männer und schaute dem Spektakel zu, während Judith es
vorzog die Augen zu schließen. Sandy und Peter gingen lachend
weiter und sahen noch nicht mal hinterher, als Judith und
Jonas abgeführt wurden.
Beide versteiften sich bei der Aussage beim Staatsanwalt,
daß die Drogen ihnen untergeschoben worden wären. Herr
Lucas, der solche Geschichten ungefähr schon hundert Mal
gehört hatte, fragte sich warum sich niemand mal eine neue
Ausrede einfallen ließ. Wenn Judith in ihrer Zelle war,
hatte sie alle Zeit der Welt nachzudenken. Man hatte sie
mit 2,5 kg Heroin erwischt. Wenn sie schuldig gesprochen
würden, konnte das nur eine lange Haftstrafe für sie beide
bedeuten. Sie konnten nur hoffen mit einen blauen Auge
davonzukommen.
cocosgirl
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