"Donnerstag, den 13.04.06"

Der Fall:

Christoph und Stefan sollen die 16-jährige Schülerin Nora mehrfach über die glühenden Kohlen geschubst haben. Ist Nora das Opfer eines schwelenden Bandenkrieges zwischen den Jugendlichen aus Berlin und der bayerischen Dorfjugend? Oder hat sich Nora die Verletzungen selbst zugefügt, weil sie ihre kosmischen Kräfte überschätzt hatte?

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Etwas genervt betrachtete Thorsten seine Freundin Nora, wie sie mühsam auspendelte, ob sie nun mit ins Ferienlager nach Bayern wollte oder nicht. Seine Freundin hatte nun mal diesen aufgeprägten Sinn zur Esoterik und haßte es außerdem Entscheidungen zu treffen. Jede banale Entscheidung wurde vom Pendel getroffen, außerdem glaubte sie von einen inneren Wesen beraten zu werden. Beide standen jedoch öfters auf Kriegsfuß und das hier würde wohl mal wieder länger dauern. Verstohlen drehte er die Augen gen Himmel als Noras Selbstgespräche immer heftiger wurde. "Nein, ich fahre nicht, ich fahre...." Irgendwie verstand er sie schon, seit ihre Eltern häufig im Clinch lagen, war das wohl die einzige Möglichkeit Aufmerksamkeit zu erlangen. Du liebe Güte heute würde der Kosmos wohl ewig mit einer gescheiten Antwort warten, wenn er wenigstens den Fernseher einschalten dürfte. Das würde Nora oder das innere Wesen aber stören. Ehrlich gesagt hielt er von ihren Fimmel gar nichts. Das würde er ihr aber lieber nicht auf die Nase binden. Er hatte den dumpfen Verdacht, daß sie dann glatt Schluß machen würde. Endlich strahlte Nora auf "Der Kosmos hat sich entschieden" Thorsten grinste matt "Toll und was will er von Dir" Sie lächelte ihn wieder so an, daß sein Herz höher schlug "Der Kosmos ist eindeutig dafür, daß ich fahre." Mühelos erwiderte Thorsten ihr Lächeln, vielleicht würde sie auch ihr dämliches Pendel zu Hause lassen, hoffte er.

Nora tat ihm diesen Gefallen natürlich nicht. Sie setzte keinen Fuß auf die Erde ohne ihr Pendel und setzte es bei jeder Gelegenheit ein, was ihr öfters den Spott ihrer Mitmenschen eintrug. Thorsten war das oft peinlich, aber wenn jemand seine Freundin aufzog, reagierte er ungehalten. Er liebte sie halt, mit oder ohne dieses blöde innere Wesen und wenn sie halt dauernd den Kosmos fragen befragen wollte, dann sollte sie das halt tun. Er wünschte nur, sie würde entschieden leiser dabei vorgehen und vor allen Dingen unauffälliger. Monika, die die Jugendlichen im Ferienlager betreute, hatte diese Engelsgeduld nicht. Für sie war klar, daß Nora sich einfach nur aufspielen und pernament in Mittelpunkt stehen wollte und daß ließ sie auch durchblicken. Nora hingegen dachte, daß diese Haltung eher daher entstand, daß Monika in ihren Vater verschossen war, der auf dem besten Wege dabei war sich mit ihrer Mutter zu versöhnen. Bald sollte Monika jedoch ganz andere Sorgen haben als sich über Nora aufzuregen.

Die Jugendlichen, die sie begleitete und betreute, stammten alle aus sozialschwachen Familien, deren letzte Sorge es war, daß ihr Nachwuchs mit Markenkleidern ausgestattet wurde. Vielmehr ging es eher in diesen Familien darum am besten über die Runden zu kommen. Die Jugendlichen aus dem bayerischen Dorf kannten solche Sorgen nicht, ihre Eltern waren meist wohlhabend oder zumindest hatten sie keine Geldsorgen und bald flammte ein regelrechter Krieg zwischen beiden Gruppen auf. Die Dorfjugend wollte nicht, daß die anderen ihre Plätze wie z. B. den Volleyballplatz oder die Disco benutzten und protzten provokativ mit ihren Markenklamotten und ihren teuren Handys. Besonders Stefan tat sich darin hervor, der sowieso als eine Art Anführer angesehen wurde. Besonders hoben sie hervor, wieviel besser sie in der Pisa-Studie abgeschnitten hatten, anders als gewisse Idioten, die ziemlich daneben angezogen waren und zufällig aus Berlin kamen. Die Berliner liessen sich das natürlich nicht bieten und tauchten natürlich extra genau auf diesen Plätzen auf. Bald waren heftige Auseinandersetzungen an der Tagesordnung. Monika, die sehr dafür war alle vollzählig und möglichst heil wieder nach Berlin zu bringen, fühlte sich genötigt ein Machtwort zu sprechen.Aber sie tat es eher halbherzig. So richtig interessierte sie die Sache dann doch nicht, solange sie sich nicht die Schädel einschlugen. "Geht diesen verwöhnten Gören doch aus dem Weg und laßt euch auf keinen Streit ein" war ihr Rat, der aber nicht wirklich ankam.

Wenn Monika gewußt hätte zu was diese verwöhnten Gören in der Lage waren, hätten sich ihr die Haare gesträubt und die Leute aus ihren Lager hätten vielleicht ernsthafter darüber nachgedacht ihnen aus den Weg zu gehen, statt die offene Konfrontation zu suchen. Die Dorfjugend fand Gefallen am "Happy Slapping" wobei es darum geht, das härteste und brutalste Video auf dem Handy zu drehen. Die Darsteller wurden häufig nicht gefragt, ob sie daran teilnehmen wollten, nein man stürzte sich auf sie und zwang sie an der Teilnahme. Ungekrönter Champion in dieser Disziplin war Stefan, der einen unfreiwilligen Komparsen vor laufener Handykamera verdrosch. Christoph, der Stefan über alles bewunderte, ging ihm dabei eifrig zur Hand. Sein Ehrgeiz hätte vor allen Dingen seine Eltern erstaunt, die diese Seite an ihren Sohn gar nicht kannten. Begeistert sahen sie sich später ihre "Heldentaten" an, die Michael aufgenommen hatte. Das beste Video würde im Internet prämiert werden. Stolz sahen sie, wie ihr Opfer sich am Boden krümmte. Das war gut, aber würde sich noch lange nicht genug von den Videos der anderen abheben. Der letzte Kick fehlte noch, fand Stefan und Christoph war natürlich wie immer seiner Meinung.

Am 19.08 stand der Vollmond rund und leuchtend am Himmel. Nora war begeistert und wollte zum See "um dort beim Baden den Mond zu begrüßen und auf ihren Bauch scheinen zu lassen für neue kosmische Energie". Thorsten war allerdings weniger an kosmischer Energie interessiert als am heutigen Fussballspiel. Mochte der Kosmos noch so dagegen sein, Thorsten wollte lieber zum Ochsenwirt um dort das Spiel zu sehen.... ob Nora nicht auch... Nora wollte nicht. Die Stimme des inneren Wesen oder eher die Tatsache, daß sie ziemlich beleidigt war, verlangte von ihr, daß sie zum See ging. Die Stimme des inneren Wesen hatte auch nichts dagegen einzuwenden, daß sie dies mit Michael tat. Während sie im See nackt den Mond begrüßte, versteckte der ihre Kleider. Eigentlich hatte er vorgehabt Nora zu filmen wie sie nackt und ziemlich verzweifelt ihre Klamotten suchen würde , aber als er auf Stefan und Christoph traf und lachend von seiner Tat berichtete, blickte Stefan auf das noch schwelende Glutbett und seine Augen leuchteten auf. Das würde das Video des Jahrhunderts werden.

Nora ahnte natürlich nichts von ihrer baldigen Hauptrolle. Ziemlich nass traf sie bei Stefan und Christoph ein und wollte wissen, wo Michael steckte. Sie konnte ja nicht ahnen, daß der mit einer Handykamera im Gebüsch auf die Dinge lauerte, die da kommen sollten. Irgendwie machte sich in Nora das Gefühl breit, sie sollte lieber ohne Klamotten davon gehen, zumindest solange sie es noch konnte, aber Stefan und Christoph hatten großes Interesse daran, daß sie blieb. Sie hielten sie an ihren Armen fest und grinsten sie gemein an "So eine wie Du, kann doch bestimmt über Kohlen laufen, oder?" johlte Stefan. Nicht, daß sie an einer Antwort interessiert waren, sie entschieden sich dafür es drauf ankommen zu lassen. Brutal schubsten sie Nora auf das Kohlenbett und immer hin und her, für jedes Mal sollte sie eins ihrer Kleidungsstücke zurück bekommen. Nora war nicht in der Lage auf Kohlen zu wandeln und das hätte sie ihnen auch vorher sagen können. Aber das kümmerte keinen mehr. Johlend und lachend wurde sie hin und her geschleudert, wurde auf die Kohlen geworfen, fiel immer öfters hin und kam immer mühseliger wieder auf. Langsam wurde es auch Michael mulmig, daß es so schlimm werden würde, hätte er nicht gedacht. Trotzdem hielt er auf Nora, deren Schmerzensschreie bald durch Mark und Bein gingen. Am Schluß lag Nora wimmernd am Boden, mit schweren Verbrennungen an Füßen, Beinen und Knien. Stefan nahm von ihren Kleidern das Bikinioberteil mit und schwenkte es triumphierend durch die Luft. Nora ließen sie liegen.

Die Gruppe zog auch an Thorsten vorbei, dem das Bikinioberteil merkwürdig bekannt vorkam. Aber bald wurden seine Gedanken durch eine wutschnaubende Monika abgelenkt. Es war ausgemacht, daß jeder um elf im Lager war. Jetzt war es halb zwölf und die meisten noch unterwegs. Ziemlich übel gelaunt war Monika durch den ganzen Ort gelaufen um auch die letzten aufzusammeln und scheuchte auch ihn zurück. Wo zur Hölle steckte Nora? Ziemlich entschlossen dem Mädchen die Leviten zu lesen, stapfte sie durch die Nacht und fiel fast über sie. Ziemlich geschockt betrachtete sie Nora, die vor Schmerz wimmernd am Boden lag und nicht aufstehen konnte. Sie hatte überall Brandblasen. Vorsichtig hob sie Nora auf und wollte sie zurücktragen, aber jede Berührung war unmöglich. So ziemlich am Ende mit den Nerven rief sie den Krankenwagen über ihr Handy. Genau das, was sie am wenigsten brauchen konnte. Noras Eltern flippten natürlich aus vor Wut und erstatteten sofort Anzeige, nachdem sie Monika gehörig die Meinung gesagt hatten.

Kurz vor der Verhandlung schnappte Michaels kleiner Bruder irgendwie das Wort Happy Slapping auf. Was war das nur? Er war nicht auf den Kopf gefallen und irgendwie fand er beim Lauschen heraus, das Häppi Slapping mit actionreichen Filmen zu tun hatte und daß sein Bruder das wohl machte, kurz bevor der ihn ertappte und ihn wie üblich aus dem Zimmer schmiß. Das weckte sein Interesse erst richtig. Michael sollte zum Prozeß seinen Bruder mitnehmen, was ihn echt sauer machte und Sebastian war auch nicht zufrieden. Es war schrecklich langweilig und Michael verbat ihm wie immer alles. Das letzte was er ihm Sinn hatte, war still und brav auf Michaels Wiederkehr zu warten. Außerdem wollte er auch unbedingt sein neugewonnenes Wissen mit jemanden teilen. Er grinste, nahm sein ferngesteuertes Auto, schrieb die Wörter Häppi Släpping auf einen Zettel, klemmte diesen auf das kleine Fahrzeug und ließ ihn in den Gerichtssaal rollen. Au weia, da kam jemand das würde Ärger geben. Schnell versteckte er sich unter der Bank. Aber der Gerichtsdiener Frank Seelhoff lächelte ihn nur an und meinte "ich glaube der Richter Hold möchte sich gern mit Dir unterhalten." Basti war selig, warum nicht? Bestimmt würde der ihm mehr Aufmerksamkeit schenken als sein doofer Bruder Michael.


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