"Montag, 10.10.05"
Der Fall:
Der heroinsüchtige Arno soll die Apothekerin Ines
während ihres nächtlichen Notdienstes überfallen und mit
einer tödlichen Dosis Methadon ermordet haben. Musste die
Frau sterben, weil sie ihn ohne Rezept kein Methadon aushändigen
wollte? Oder hat der Krimi-Autor, der die Apothekerin wochenlang
observierte eine Vision vom perfekten Mord in die Tat umgesetzt?
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Natürlich wußte Mareike Smolana, daß sie sich strafbar
machte, wenn sie Arno Methadon ohne Rezept aushändigte.
Arno hatte mal an einen Methadon-Programm teilgenommen,
und weil er einen Rückfall in die Sucht nach den anderen
durchmachte, hatte man ihn aus dem Programm rausgeworfen.
Aber Mareike fand diese Entscheidung hartherzig, es war
als wollte man einen Kranken die Medizin verweigern. Beklommen
sah sie zu wie der krank aussehende Mann allzu gierig nach
dem Methadon griff. Wenn ich ihn nichts geben würde, würde
er sofort wieder auf Heroin zurückgreifen, versuchte sie
ihr Handeln schön zu reden. Aber das Vorstrafenregister
von Arno das konnte auch der größte Diplomat nicht mehr
schön reden. Um an Heroin zu kommen, hatte der junge Mann
Diebstähle und Einbrüche begangen. Im letzten Prozeß hatte
man die Bewährungszeit bis zum 15.10.2006 gesetzt. Der
Richter hatte ihn mehr als eindringlich gemahnt, sich ja
straffrei zu halten. Mareike nahm das auch als weiteren
Grund Arno mit Methadon zu versorgen. Sie wollte sich nämlich
nicht ausmalen, was er dann wieder anstellen würde nur
um an Heroin zu kommen. Normalerweise wird Methadon nur
zu Bekämpfung der körperlichen Symptome eingesetzt, die
beim Entzug entstehen. Dummerweise war Arno nicht nur körperlich
sondern auch seelisch abhängig, eine Art von Sucht, die
viel schwerer zu bekämpfen ist. Das hätte man auch berücksichtigen
können, als es um den Rauswurf beim Programm ging, fand
sie. "Wann hast Du das letzte Mal gegessen?"
fragte sie mechanisch. Arno sah sie an, als hätte sie in
einer fremden Sprache gesprochen. Seine Gedanken kreisten
nur um das Päckchen in seiner Hand. Was hatte ihn zuletzt
noch mal aufgeregt, oh ja das als Ines mit ihm Schluß gemacht
hatte. Ines arbeitete auch in der gleichen Apotheke wie
seine Tante und trotz Ehering fand sie, daß der nächtliche
Notdienst nicht unbedingt bedeutete diesen allein und in
vollkommener Andacht zu verbringen. Arno war für ein paar
Nächte genau richtig gewesen, aber dann hatte sie Schluß
gemacht. Schließlich war sie ja verheiratet und Arno mit
seinen Drogenproblem wurde immer unberechenbarer. Unwichtig.
Alles was zählte war dieses kleine Päckchen in seiner Hand.
Ungeduldig sah er seine Tante an. Ob die etwa noch mehr
zu sagen hatte.... Sie hatte eigentlich schon, aber genauso
gut hätte sie der Kasse eine Predigt halten können. "Pass
gut auf Dich auf" murmelte sie....Eines Tages gerät
er noch wirklich in Schwierigkeiten. Ehrenamtliche Drogenberaterin
und ich kann meinen eigenen Neffen nicht helfen, dachte
sie.
Die Sache mit Arno war zwar zu Ende, aber Ines war weiterhin
nicht allein beim Notdienst. Ihr neuester Herrenbesuch,
wie Mareike es taktvoll und mißbilligend zugleich nannte,
war Kai-Uwe Tanner. Der war nach Armbruck gekommen, weil
seine Partnerin hier zu einen Drehteam gehörte. Genauer
gesagt, war sie die Hauptdarstellerin und während sie bis
spät in die Nacht drehte, suchte Kai-Uwe in Armbruck nach
der perfekten Kulisse für ein Krimi-Drehbuch, in dem es
um den perfekten Mord gehen sollte. Er war so hingerissen
von dem Thema perfekter Mord, daß die meisten Zeitgenossen
schon nervös auf ihn reagierten. Seine Partnerin Valencia
paßte eigentlich perfekt zu ihn, denn ihre Wutausbrüche
konnten ihren Mitmenschen auch den letzten Nerv rauben.
Vor allen Dingen, wenn sie Grund zur Eifersucht hatte,
daß konnte sie zur Furie werden lassen. Sie wurde schon
argwöhnisch, daß es Kai-Uwe schon seit längeren immer zu
dieser Notklappe hinzog, nachts. Sein Krimi-Drehbuch handelte
von einen Mord, der in einer Apotheke stattfand, argumentierte
er dagegen, was sprach dagegen, daß er dafür an einer entsprechenden
Kulisse recherchierte.Valencia nicht ganz überzeugt von
dem Engagement ihres Mannes rauschte prompt in die Apotheke,
fest entschlossen Ines in die Schranken zu verweisen. "Finger
weg von meinen Freund, Flittchen" schrie sie und ihr
Finger tanzte bedrohlich vor Ines Augapfel. Ines hielt
es unter ihrer Würde zu antworten, was Valencia erst richtig
wild machte. "Wenn Du nicht die Finger von ihm läßt,
wirst Du mit dem Bauch nach oben die Isar entlangtreiben"
kreischte sie und fegte hinaus, eine verdatterte Ines stehen
lassend. Kai-Uwe kam weiter hin und bald sollte auch die
Nacht mit ihm Ines Tagebuch füllen, was sie sinnigerweise
gut vor ihren Ehemann Tobias versteckte.
Am 23.06 teilte der unbefangene Kai ihr mit, daß er wieder
recherchierte für sein Krimi-Drehbuch. "Sooo"
sagte Valencia "Du bist schon wieder da" Ihr
Blick brachte ein paar Komparsen, die neugierig stehen
geblieben waren sofort dazu das Weite zu suchen. Kai-Uwe
entging der Ton nicht. Glücklicherweise hatte er einen
Aufhänger mit dem er Valencia ablenken konnte. "Ja,
stell Dir vor hier flippt jemand total aus....." Wortreich
erzählt er die kleine Szene nach, die in der Tat noch mal
wichtig werden sollte. Dieser Jemand war niemand anders
als Arno, der vor der Nachtklappe stand und Methadon haben
wollte. Ines sah den jungen Mann mitleidslos an und knallte
die Klappe wieder zu, denn Arno hatte eben kein Rezept.
Arno, der sich fühlte als würden tausend Ameisen unter
seiner Haut stecken, schrie Mordio und Zeterio "Du
miese Schlampe... das wirst Du noch mal bereuen" brüllte
er. Es war bereits halb elf und mit seinen Anruf schreckte
er seine Tante aus dem wohligen Dämmerschlaf. Sie lauschte
fassungslos den mit wenig blumenreichen Ausdrücken geschmückten
Anruf, in dem Arno seine Tante aufforderte, Ines anzuweisen
ihm das Methadon zu geben. Ich kann doch nicht von einer
Mitarbeiterin verlangen, daß sie straffällig wird - genau
wie ich, überlegte sie und sagte jedoch rasch "Halte
durch mein Junge, morgen komme ich in die Apotheke und
ich werde Dir etwas geben. Halte doch durch". Wenig
getröstet legte Arno auf.
Mitternacht war bereits durch, als erneut jemand an die
Notklappe klopfte. Ines öffnete die Klappe und erstarrte
als sie dort Valencia sah, die sie durch die Klappe mit
einen Messer bedrohte. Sie konnte nicht ahnen, daß das
Messer stumpf war und nur für Dreharbeiten gebraucht wurde.
Valencia nötigte sie die Tür zu öffnen, hielt ihr das Messer
schmerzhaft an den Hals und forderte Methadon und Spritzen.
Danach fesselte sie Ines. Grimmig dachte sie an die von
Kai-Uwe beschriebene Szene, die genauso ablief. Nicht ganz.
Der Mörder erklärte darin seinen Opfer, daß er nichts persönlich
gegen sie hätte. Aber dies hier meine Liebe, das hier ist
persönlich gemeint, dachte sie. Ruhig und ohne zu Zittern
zog sie eine Spritze mit Methadon auf und trat auf Ines
zu. Ines, die als Apothekerin genau wußte, daß dies ihr
Todesurteil war, wehrte sich verzweifelt. Die Nadel stach
genau in die Vene ein und die Schauspielerin verließ den
Ort. Wie lustig, dachte sie, ihre Augen haben sich genauso
geweitet wie bei dem Opfer im Krimi-Drehbuch. Schade daß
ich Kai-Uwe niemals sagen kann, wie realistisch diesmal
sein Drehbuch war.
Wieder sollte Arnos Tante einen beunruhigenden Anruf von
ihren Neffen enthalten. "Alles in Ordnung. Tante,
hast Du Tag der offenen Tür" fragte er und Mareike
konnte direkt hören, daß er schon Methadon erhalten hatte.
"Was meinst Du damit" fragte sie und versuchte
ruhig zu bleiben. Aus Arnos wirren Erklärungen konnte sie
entnehmen, daß die Tür offen stand und er sich bereits
bedient hatte. Bei dieser Erklärung konnte sie unmöglich
ruhig bleiben. Unmittelbar danach fuhr sie zur Apotheke.
Die Tür stand auf. Wo war denn bloß Ines? Sich nach allen
Seiten umschauend, entdeckte sie Ines am Boden. Gefesselt.
Ohne Puls. Ihr Hals war entstellt durch eine häßliche Schürfwunde
und unverkennbar konnte man an der Vene ein Einstichloch
von einer Spritze sehen. Es überlief sie eiskalt, und sie
mußte sich fragen, ob vielleicht ihr Neffe in Frage kam.
cocosgirl
|