"Donnerstag, 29.09.05"

Der Fall:

Horst ist angeklagt, die Freundin seiner Frau Iris die Treppe eines Hochhauses herunter gestossen zu haben, weil sie Iris wieder einmal geraten hatte, ihn zu verlassen. Ist der gewalttätige Mann wirklich der Täter?

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Iris W. war nicht der Typ Frau der auffiel. Sie wirkte stets verschüchtert, schaute selten jemand ins Gesicht und war auch ansonsten sehr still. Meistens blickte sie auf den Boden, wenn sie jemand ansprach, was wirklich nicht oft geschah. Die meisten Leute sahen und vergassen sie auch rasch wieder. Iris schien sich vor allem und jedem zu fürchten, am allermeisten jedoch fürchtete sie ihren Mann Horst. Kurzum gesagt Iris trautes Heim war die reinste Hölle, da ihr liebender Ehegatte sie bei jeder Kleinigkeit grün und blau schlug. Von Natur aus hatte er ein übles Temperament, daß ihm schon zwei Vorstrafen wegen Körperverletzung eingetragen hatte. Auch an diesen Nachmittag war Horst übelster Laune, denn er hatte einen mächtigen Kater und höllische Kopfschmerzen, mal wieder. Das entging Iris nicht, und sie versuchte ihr bestes um ihn ja nicht zu reizen. Wie immer spürte sie das altbekannte Gefühl der Angst. "Was glotzte mich so an, doofe Kuh". Natürlich war Iris auch hinreichend mit Horst ausführlichen Wortschatz an Beschimpfungen vertraut. Schnell senkte sie den Blick und flüsterte irgendetwas kaum verständliches. "Was" Horst Stimme hatte schon einen beachtliche Lautstärke erreicht "Ich hab Dich was gefragt" auch dieser Satz war begleitet von ein oder zwei Kraftausdrücken. Mittlerweile war Iris außer sich vor Panik und sie würgte irgendetwas hervor.Bedrohlich baute er sich vor seiner Ehefrau auf und schubste sie ziemlich unsanft. "Hä, was ist, sag mal was..." Mittlerweile war es ihm eigentlich auch egal was sie zu sagen hatte. Aus dem Schubsen wurde ein brutaler Schlag mitten in Iris Gesicht und auch als seine Frau am Boden lag, ließ er nicht von ihr ab. Iris lag am Boden und ließ sich alles gefallen. Als er endlich genug hatte, trat er sie noch einmal kräftig in den Bauch. "Los beweg Dich und kümmer Dich gefälligst ums Essen, Du..." Leider war dies Iris normaler Alltag....

Als Monika an diesen Morgen Iris im Treppenhaus begegnete, erschrak sie zu Tode. Iris Gesicht war über und über mit blauen Flecken gezeichnet. Fassungslos starrte sie die Frau, die wie immer einen verschüchterten,verängstigen Eindruck machte. Iris wagte kurz einen Blick in Monikas Gesicht und die Botschaft war unmissverständlich "Sieh mich doch nicht so an" flehte ihr Blick. Aber Monika ließ es nicht auf sich beruhen "Iris" sagte sie leise, doch diese winkte ab. "Es war also wieder Horst, oder?" Monika war die einzige, der sich Iris anvertraute. Schließlich hob Iris doch ihren Blick und beide Frauen starrten sich eine Ewigkeit an. Dann senkte Iris wieder den Kopf "Es war meine Schuld" behauptete sie tapfer. Monika merkte, wie sie immer wütender wurde. Sie verbiß sich mühsam eine heftige Antwort, denn angebrüllt wurde diese arme Frau wirklich genug. Sie kannte Horst auch nur über ihren Ex-Mann, der mit ihm immer um die Häuser gezogen war. Eines Tages war der dann mit einer Sambatänzerin durchgebrannt, die er in einer der vielen Kneipen kennengelernt hatte. Das der Mann fort war, daß war noch nicht das schlimmste. Jetzt hatte sie ziemliche Geldprobleme und da sie so gut wie keine Sicherheit aufzuweisen hatte, lehnte jede Bank ihren Kreditantrag an. Jetzt stand sie mit 5000 Euro bei Mike Loder in der Kreide, der inoffiziell ihr die hohe Geldsumme verlieh, obwohl der arbeitslos war. Sie zog es vor, nicht allzu sehr über die Tatsache nachzugrübeln, woher das Geld stammte. Insgeheim gab sie doch ein bisschen Horst die Schuld dafür, daß sie jetzt in dieser Lage steckte. Aber all das war noch viel besser als so wie die arme Iris leben zu müssen. Monika schüttelte den Kopf "Wenn Du mal wieder Zeit hast, dann gib Bescheid, dann unterhalten wir uns mal in aller Ruhe".

Wenn Iris mit Monika zusammen war, hatte sie das Gefühl das ihre Freundin recht hatte, aber was konnte sie tun. Iris fühlte sich müde und ihr Kampf begrenzte sie darauf Horst alles Recht zu machen um so wenig Prügel wie möglich einzustecken. Sie bewunderte Monika grenzenlos, sie war so selbstsicher, so eigenständig. Einmal hatte sie beobachtet, wie diese ihren damaligen Mann angeschrien hatte, er solle den Mund halten. Und das auf offener Straße. Iris war schockiert und fasziniert zugleich gewesen. Sie wußte, der Versuch ihren Ehemann so anzuschreien etwa vor anderen, wäre ein glattes Selbstmordkommando. Einmal hatte sie Horst getrotzt, als sie mit ihren kleinen Yorkshire-Terrier zum Tierarzt gefahren war und Horst, der ein Abendessen erwartete, hatte nur eine leere Wohnung aufgefunden. Dieser kleine Hund war wie ein Kind für sie gewesen, das einzige Geschöpf von dem sie irgendeine Form von Zärtlichkeit zu erwarten hatte. Als sie mit dem Terrier nach Hause kam, erleichtert darüber, daß es dem Kleinen besser ging, hatte Horst das Tier nur hasserfüllt angestarrt, getreten, gepackt und über den Balkon geworfen. Natürlich war der kleine Hund sofort tot. Sie hatte heftig um ihren kleinen Hund getrauert und von Horst kam nur eine halbherzige Entschuldigung. Sie glaubte nicht, daß sie so stark wie Monika war und vor allem nicht so klug. Bescheinigte ihr das ihr Mann nicht immer wieder wie unglaublich dumm sie war? Iris glaubte es wirklich, daß es so war. Und ihr Mann war so gestreßt, er arbeitete so hart. Iris nahm jede Schuld auf sich und es blieb alles beim alten.

Eines Tages sollte das Drama dann doch zum Höhepunkt kommen. Monika arbeitete im Supermarkt als Verkäuferin und aus den Augenwinkeln konnte sie Iris sehen. Mit einer großen dunklen Sonnenbrille, die sie bestimmt nicht aus modischen Gründen trug. Verdammter Mistkerl, dachte sie. Sie konnte zwei Kundinnen über Iris klatschen hören, beide wohnten im gleichen Wohnblock, "eines Tages da hat er glatt ihren Hund gepackt und vom Balkon geworfen, das arme Vieh war auf der Stelle mausetot." Und da die Frauen ihren fassungslosen Blick sahen, zogen sie Monika gleich munter ein in den Klatsch "ja mausetot stellen Sie sich das mal vor. Dabei war der Kleine doch ihr ein und alles." Mehr denn je war Monika entschlossen Iris zu überreden ihren Mann zu verlassen.

So saßen beide Frauen in der Küche, während Iris ängstlich die Uhr im Auge behielt. "Um vier kommt mein Mann" sagte sie nervös. "Wir haben noch eine halbe Stunde, Iris...." Weitere Beschwörungen sollten Monika im Hals stecken bleiben, denn auf einmal stand Horst in der Tür. "Wie ein unbezwingbarer Berg, dachte Monika fassungslos. Brüllend wie ein Stier packte er Monika bei den Haaren und zerrte sie über den Hausflur. Iris, überzeugt, daß es Monika jetzt wie ihren Hund ergehen würde, folgte schreiend. Panisch schlug Monika um sich und schrie aus Leibeskräften, er solle seine dreckigen Pfoten wegnehmen. Horst, der niemals Widerstand duldete, schon gar nicht von einer Frau und vor seiner Frau, ohrfeigte sie hart und schmiß sie die zwanzig Stufen der Treppe runter. Seine Frau brüllte er an, sie solle ja ruhig sein, sonst ging es ihr genauso. Unten im Flur hörte Loder das ganze Geschrei. Verblüfft hörte er, daß dieses Mal Monika mit von der Partie war. Er konnte ihr Geschrei deutlich raushören. Plötzlich ging ihr Kreischen durch und durch und ein heftiges Poltern war zu hören. Hastig rannte er hoch und sah Monika am Absatz der Treppe liegen. Überzeugt davon, daß sie sich den Hals gebrochen hatte, trat er näher. Dann konnte er sie flüstern hören "Das war der Horst Warmkant" Aber anders als Iris zeigte sie ihn noch an dem Tag an.


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