" Montag, 10.01.05 "
Der Fall:
Der Kreditvermittler Dieter soll seine Stieftochter
erstochen haben. Wollte er sie zum Schweigen bringen, weil
sie zu viel über seine krummen Geschäfte wusste? Oder hat
ein abgeblitzter Verehrer die GoGo-Tänzerin ermordet?
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Tatjana Bettner konnte einem schon Leid tun, bei dem,
was ihre Psyche so alles mitmachen musste. Gleichzeitig
konnte man sie eigentlich nur bewundern, für den Mut und
die Stärke, welche sie zu haben schien. Aber, vielleicht
war es weniger Mut und Stärke, sondern viel mehr Angst,
Frust und Wut, wodurch sie eine ungeahnte innere Kraft
entwickelte.
Es war erst 2 Jahre her, als ihre Mutter verstarb. Seit
diesem Tag lebte sie mit ihrem Stiefvater allein. Sie mochte
Dieter, ihren Stiefvater und sie kam gut mit ihm aus. Als
Kreditvermittler hatte Dieter ein gutes Einkommen, was
beiden ein relativ sorgenfreies Leben bescherte. Obwohl
Tatjana noch immer bei ihrem Stiefvater wohnte, war ihr
die eigene Unabhängigkeit enorm wichtig. Um eigenes Geld
zu verdienen, machte sie eines ihrer Hobbys, nämlich das
Tanzen, zum Beruf. Sie arbeitete als GoGo-Tänzerin im Nachtclub
Red Planet.
Wirklich begeistert war Dieter nicht gerade über die Berufswahl
seiner Stieftochter. Doch, er lies sie ihren Weg gehen.
Nicht ganz uneigennützig, wie sich im Nachhinein herausstellen
sollte.
Neben Dieter hatte Tatjana noch eine zweite Vaterfigur,
den Nachbarn Tom Kallup. Die beiden verband eine sehr gute
Freundschaft. Sara Kallup, die Ehefrau von Tom, hatte über
Jahre hinweg keinerlei Zweifel ein einer platonischen Freundschaft
der beiden, weshalb sie sich auch nie daran störte, dass
Tatjana bei den Kallups ein und aus ging, wie es ihr beliebte.
Allerdings wusste Sara lange Zeit nicht, dass Tom relativ
häufig den Nachtclub Red Planet aufsuchte. Als sie davon
Wind bekam, sagte sie nichts. Die Angst, sie könne zu vorwurfsvoll
und eifersüchtig wirken, lies sie nicht nur schweigen,
sie verdrängte dieses Wissen regelrecht.
Eigentlich, so schien es, hatte Tatjana ein ganz normales
Leben. Ihre Probleme und Sorgen waren die gleichen, wie
bei allen anderen auch.
Doch, eines Tages sollte sich diese Normalität in einen
Horrortrip für ihre Psyche wandeln.
Alles begann, als ihre Kollegin und Freundin übel zugerichtet
zur Arbeit erschien. Überall Hämatome und ein blaues und
dick geschwollenes Auge. Tatjana war geschockt. Wer konnte
einer jungen, liebenswerten und hübschen jungen Frau nur
so etwas antun? Sie wollte es wissen und fragte nach, doch
sie bekam nichts aus ihrer Freundin heraus. Ihre Freundin
war aber nicht die einzige Arbeitskollegin, die mit solchen
und ähnlichen Verletzungen am Arbeitsplatz erschien. Der
Chef war natürlich alles andere als erfreut. Die Mädels
sollten schließlich die männliche Kundschaft anheizen,
bzw. den Männern mittels der anzubietenden Dienste das
Geld aus der Tasche ziehen. Mit solch verunstalteten Visagen
war nicht viel Umsatz zu machen. Da Tatjana nicht wusste,
wer ihre Kolleginnen so zugerichtet hat und auch die Hintergründe
nicht kannte, wuchs ihre Angst. Vor allem auf dem Heimweg
hatte sie immer öfter ein sehr mulmiges Gefühl. Die doch
recht häufige Anwesenheit ihres Nachbarn, Tom Kallup, gab
ihr schon eine gewisse Sicherheit, zumal er sie so oft
es ihm möglich war, bis nach Hause geleitete.
Tatjana war nicht die einzige, die sich um ihre Kolleginnen
und deren Verletzungen sorgte. Auch der neue Türsteher
des Nachbarclubs zeigte sich besorgt. Er ging immer wieder
auf die geschundenen Mädels zu und fragte sie sehr direkt
und dennoch behutsam, was passiert sei. Zunächst erhielt
er keine Antwort. Doch die immer wieder auftretenden Verletzungen
und nicht zu übersehenden Hämatome, wie auch die deutliche
Angst in den Gesichtern der Mädels sorgten dafür, dass
der Türsteher nicht locker lies. Da er zunächst keine Antworten
und Informationen erhielt, erhöhte er seine Aufmerksamkeit.
Allerdings musste er schnell feststellen, dass die Misshandlungen
nicht im Red Planet und auch nicht in der unmittelbaren
Umgebung stattfanden.
Als wieder eines der Mädels übel zugerichtet auf dem Weg
zum Red Planet am Türsteher des Nachbarclubs vorbei kam,
fragte er wieder nach. Diesmal blieb er hartnäckiger. Doch,
als das Mädel wieder einmal nichts sagen wollte, es war
bereits das zweite Mal, dass sie offensichtlich brutal
geschlagen wurde, offenbarte ihr der Türsteher ein Geheimnis.
Wieder schwieg das Mädel, aber diesmal aus Erstaunen. Zuvor,
und da war sie nicht die einzige, war sie schon sehr verwundert,
dass ausgerechnet ein Türsteher soviel Anteilnahme und
Mitgefühl zeigte, wie er es tat. Nachdem, was er ihr dann
aber anvertraute, wunderte sie sich nicht mehr, nicht wirklich.
Nun endlich begann sie ihm zu vertrauen. Sie erzählte von
ihren Schulden, welche sie den Wucherzinsen eines Kredites
zu verdanken hatte. Jenen Kredit bekam sie von Dieter Bettner,
Tatjanas Vater. Des Weiteren erzählte sie von einem brutalen
Schläger, der ihr weitere Prügel androhte, wen sie nicht
innerhalb einer bestimmten Zeit ihre Schulden zurückzahlen
würde.
Nach und nach konnte der Türsteher auch das Vertrauen der
anderen misshandelten Frauen gewinnen. Dieses Vertrauen
gab es nicht zuletzt durch jene Frau, der er sein kleines
Geheimnis anvertraute. Ohne dieses weiter zu verraten,
hatte sie ihren betroffenen Kolleginnen gut zugeredet,
mit ihm zu reden. Er selbst war es schließlich, der jeder
einzelnen von ihnen seine wahre Identität anvertraute.
Etwa im gleichen Zeitraum, bemerkte Tatjana abermals Hämatome
und andere Verletzungen an ihrer Freundin. Erneut fragte
sie nach. Diesmal lies sie ihre Kollegen keinen Schritt
weichen, bis sie endlich mit der Wahrheit herausrückte.
Als Tatjana hörte, worum es ging, wusste sie nicht, was
sie glauben sollte. Nein, sie wusste nicht einmal, ob sie
das wirklich hören wollte. Wie sollte sie reagieren? Es
klang alles so weit hergeholt und dennoch völlig glaubwürdig.
Sie wusste, dass sie ihrer Freundin glauben konnte, denn
diese hatte sie noch nie belogen. Dennoch hatte Tatjana
Zweifel. Daher ging sie noch einen Schritt weiter und befragte
auch andere Kolleginnen, die ebenfalls offensichtlich geprügelt
wurden. Die Informationen der anderen waren zunächst spärlich,
aber am Ende die gleichen, wie jene Version, die sie auch
schon von ihrer Freundin zu hören bekam.
Zweifel bleiben dennoch. Denn während sie nachforschte,
stellte sie fest, wie sich der Türsteher vom Nachbarclub
auffallend häufig und intensiv mit einigen ihrer Kolleginnen
unterhielt. Erst, nachdem ihre Freundin einmal, eher aus
versehen erzählte, dass er in Wirklichkeit Polizist sei,
begriff Tatjana allmählich, dass ihr die Kolleginnen die
Wahrheit erzählt haben.
Wie so oft war es Tom Kallup, der ihr zuhörte und ihr beim
Verarbeiten der Situation half. Nachdem sie ihm alles erzählt
hatte, nah er sie in den Arm. Soweit nicht ungewöhnlich,
denn dies tat er öfters. Nur, diesmal beließ er es nicht
bei einer Umarmung, er ging weiter. Zu weit. Doch zunächst
lies sie es zu. Es tat ihr gut und sie genoss es. Nach
einigen Sekunden, die sie wie lange Minuten empfand, stieß
sie ihn von sich und eilte aus seiner Wohnung.
In den nächsten Tagen ging sie ihm aus dem Weg, bis sich
beide zufällig im Treppenhaus trafen. Nach einem kurzen
Gespräch, in dem er sich für sein Verhalten entschuldigte,
wich die Angespanntheit bei beiden.
Inzwischen war das Verfahren gegen ihren Stiefvater schon
wieder eingestellt worden. Die Zeugen, also ihre Kolleginnen
hatte alle nach und nach ihre aussagen zurückgezogen.
Tatjana fehlte dafür jedes Verständnis. Sie entwickelte
immer mehr Hass und Ekel gegenüber ihrem Stiefvater. Ihr
einziger Lebensinhalt schien darin zu bestehen, ihren Stiefvater
hinter Gitter zu bringen.
Ein paar Tage nach dem zufälligen Zusammentreffen im Treppenhaus
mit Tom Kallup, war er mal wieder im Red Planet. Diesmal
lies ihn Tatjana nicht links liegen, sondern setzte sich,
wie man es auch eigentlich gewohnt war, zu ihm an den Tisch,
um sich mit ihm zu unterhalten. In dieser Unterhaltung
teilte sie ihm mit, dass sie sich ein Diktiergerät gekauft
hatte und noch am gleichen Abend ihren Stiefvater zur Rede
stellen wollte.
In einer kurzen Pause ging sie vor die Tür, um Dieter telefonisch
zum Club zu bestellen, was sie auch äußerst energisch tat.
Den Polizisten, der noch immer seine Tarnung als Türsteher
aufrecht hielt, bemerkte sie nicht und somit auch nicht,
dass er das Telefonat mitbekam.
Später am Abend erschien dann tatsächlich ihr Stiefvater.
Die beiden stritten sich, was der Polizist mitbekam. Dann
entfernten sich die beiden. Wenige Minuten später verließ
auch Tom Kallup den Club.
Heute wurde Tatjanas Mörder zu einer lebenslangen Haftstrafe
verurteilt. Während der Verhandlung war es Sara Kallup,
die ihren Mann Tom schwer belastete. In der Mordnacht kam
Tom mit einem blutverschmierten T-Shirt nach Haus. Zunächst
glaubte sie seiner Erklärung, er habe sich geprügelt. Doch
am Morgen des Verhandlungstages erfuhr sie von einer weiteren
Toten, die ebenfalls im Red Planet gearbeitet hatte. Sie
wurde in der Nacht getötet und Tom war wieder nicht zur
Tatzeit zu Hause. Das einst blutverschmierte T-Shirt wurde
zur DNA-Analyse gebracht. Obwohl Sara jenes T-Shirt gründlich
gewaschen hatte, konnte die DNA noch festgestellt werden.
Nachdem die Verhandlung zwischenzeitlich unterbrochen und
auf den nächsten Tag verlegt wurde, bekam dann das Gericht
das Ergebnis am zweiten Verhandlungstag mitgeteilt. Es
war nicht Tatjanas Blut.
Dafür verdichteten sich die Indizien und Beweise gegen
den Angeklagten, der bis zuletzt die Tat leugnete. Obwohl
er in U-Haft saß, als Tatjanas Kollegin ums Leben kam,
war er auch hier nicht ganz unschuldig. Es war einer seiner
Schuldeneintreiber, den man genauer als Schläger bezeichnen
sollte. Um den Kreditrückzahlungsforderungen Nachdruck
zu verleihen, wurde sie wieder einmal geschlagen. Diesmal
waren die Schläge aber so heftig, dass sie tödlich endeten.
Trotz allem hatte Tatjana das geschafft, was sie zu Lebzeiten
nicht mehr beenden konnte. Ihr Stiefvater wanderte in den
Knast.
Wuschel |