Richtershow und Heimspiel

Die Veranstaltungshinweise sagten einen verheißungsvollen Abend voraus: Nacht der offenen Tür an der FH in Kempten. Dazu gab's als Highlight eine Richtershow mit Alexander Hold.
Na dann aber nix wie hin, Denn ich wollte meinen Gästen aus GB noch ein bisschen mehr als blankes Sightseeing bieten und so machten wir eine kleine, lohnende Stadtbesichtigung und dann auf zum Bildungsschuppen. Der Grund für dieses Event war das 25 jährige Bestehen der FH und als wir ankamen haben wir es gleich gesehen :in Kempten will man hoch hinaus! Jeder der wollte konnte sich an einem Gerüst mit verschiedenen Möglichkeiten zum Freeclimben und auch sonst recht imposante Klettertouren versuchen. Ich konnte noch einmal mit der Ausrede auf keinen Fall den Beginn der Show verpassen zu dürfen, mein Unvermögen tarnen.
So und dann konnte es fast losgehen, der Veranstaltungsort war mittlerweile herausgefunden und nach der Begrüßungsrede wurde dann die Mensa für das kommende Ereignis umgebaut. Ab und zu sah man Richter Hold mal vorbeikommen und den einen und anderen begrüßen. Er sah recht gut gelaunt aus und freute sich wohl auch auf die bevorstehende Verhandlung und darauf den Professoren mal richtig Druck machen zu können.
Der große Run auf unseren beliebten Richter trug dazu bei, dass die Hälfte der Bestuhlung wieder entfernt wurde, Podeste wurden herbeigeholt, damit der Richtertisch wie gewohnt höher stand als die anderen und auch um das Schöffengericht besser sehen zu können.
Nachdem die Zuschauer hereinkamen war ich doch froh noch einen Sitzplatz bekommen zu haben(der Tag war mittlerweile gut 14 Stunden alt und bei diesen Temperaturen wollte ich wirklich nicht noch eine Stunde stehen)Es ist so voll geworden, dass die Zeugen kaum durch den Mittelgang in den Gerichtssaal kommen konnten.
Richter Hold eröffnete die Verhandlung, die mit Professoren und Studenten bestens besetzt war.
Während der Staatsanwalt die Anklageschrift verlas, überzeugte die Schöffin mit einem gekonnten Stolperer von ihrem schauspielerischen Talent.(sie hatte wohl nicht mehr daran gedacht höher zu sitzen) Nach dem ersten Schreck wurde diese Showeinlage mit Applaus gewürdigt, den Alexander Hold mit der Aussage, er möchte hier keine weiteren Ovationen erleben, man sei schließlich nicht beim Fernsehen, noch unterstrich.
Zu verhandeln war der Tatbestand der Fahrerflucht, den eine Studentin mit ihrem schwarzen Golf 3 begangen haben soll. Sie hätte auf dem FH Parkplatz den Mercedes des Dozenten Prof.Krupp beschädigt. Sie hatte auch angeblich nicht gewartet und keinen Zettel mit ihrer Anschrift hinterlassen. Jedoch wurde sie vom Dozentenzimmer aus bei ihrem Fehlverhalten beobachtet.
Also wurde die Angeklagte gehört, nach der Klärung ihrer Personalien und der Feststellung ihres Wohnortes: gerade hier um die Ecke, brachte Alexander Hold den Einwand :"Das ist ja nun nicht gerade so um die Ecke, wenn Sie immer so mit Entfernungen umgehen schepperts bestimmt noch öfter bei Ihnen! Die Angeklagte gab anschließend zu Protokoll, sich an diesen schrecklichen Tag nur noch bedingt erinnern zu können, da sie zum 2.Mal die grässliche Statistikprüfung schreiben musste. Jeder der einmal mit diesem Fach in Berührung gekommen ist konnte verstehen wie es zu einem solchen Fehlverhalten kommen konnte. Allen anderen wurde während der Verhandlung immer wieder erläutert um welches Horrorfach es sich dabei handelt. Außer an das traumatische Prüfungserlebnis konnte sich die Angeklagte nur noch an die Tatsache erinnern im Wonnemar Erholung und Linderung für ihr Leiden gesucht zu haben.
Da hätte sie wohl auch ihr Fz mitgenommen, aber doch wohl nicht mit ins Wasser, gab der Richter zu bedenken.
Als nächstes ließ man den Geschädigten hereinrufen, der mit seinem Dozentenwagen nicht auf einem gekennzeichneten Parkfeld sondern auf dem sonst von Studenten benutzten Grünstreifen, geparkt hatte. Dies sei aber nur passiert, da er an diesem Tag erst spät an der FH ankam und die Aufsicht über die Klausur hatte. Außerdem handelte er in Pflichtbewusstsein und nutze diesen "Parkplatz" damit die Studenten pünktlich mit der Prüfung beginnen konnten. Man wisse ja im allgemeinen über die extrem schlechte Parkplatzsituation an der FH bescheid und ferner sollte es jedem Führerscheininhaber möglich gewesen sein mit mehreren Rangiermanövern sein Fz neben seinem zu entfernen(ohne dabei seinem Mercedes auf diese Art und Weise näher kommen zu müssen)Richter Hold fragte noch der Neugierde halber ob der Professor wohl auch schon von den neuen Beschlüssen gezwungen aus dem Ruhestand zurück an die FH befohlen wurde, oder sonst noch irgendwie ein Zubrot brauche.
Nun wurden die Belastungszeugen gehört von denen der erste sich sofort an das "blöd geparkte Auto" vom Professor erinnern konnte und ebenfalls auffällig sei gewesen, dass er auf dem sonst nur von Studenten genutzten Parkgebiet abgestellt war. Er wollte die Angeklagte genau erkannt haben und hätte dies am liebsten auch beeidigt, denn schließlich wäre ja das fremde Kennzeichen schon ein Indiz gewesen und Farbe und Typ des Kfz s konnte er auch ohne Zweifel benennen. Er gab dann aber doch zu sich durch das Sonnenlicht, das sich auf der Windschutzscheibe spiegelte, nicht eindeutig gesehen zu haben ob es sich beim Fahrer tatsächlich um die Angeklagte handelte.
Der zweite Zeuge tat was Schülern und Studenten immer verboten ist: er schaute "nur so" aus dem Fenster- ließ seine Blicke schweifen und bemerkte den Zusammenprall erst als ihn der Kollege darauf aufmerksam machte. Auch zum Tatfahrzeug konnte er nur auf dringliche Ermahnung des Richters, er möchte doch bitte eine Eingrenzung zwischen Doppeldeckerbus und Smart treffen, eine vorsichtige Auskunft erteilen.
Die Zeugen aus der WG konnten auch nur sagen, dass von ihnen keiner mit dem Auto gefahren sei, jedoch die Angeklagte aufgrund ihrer Nervosität vielleicht doch lieber mit dem Fahrrad fahren wollte.
Eine Sachverständige wurde hinzugezogen und erläuterte anhand ihres Gutachtens ihre Erkenntnisse. Dias wurden zu Hilfe genommen und das Gelächter war groß, als das erste Dia auf dem der Schaden zu sehen war, gezeigt wurde. Selbst der Geschädigte konnte (wahrscheinlich immer noch unter Schock stehend) sein Auto nicht erkennen, denn auf die Frage des Herrn Vorsitzenden, ob dies ein Prototyp der neuen A-Klasse sei, antwortete der Professor es sei gar nicht sein Auto. Darauf sagte Richter Hold." Das ist ja nun ein bisschen schlecht, sagens halt, dass das Ihr Auto ist".
Die Diavorführung steigerte sich von Bild zu Bild zu einer noch größeren Katastrophe und das letzte Bild zeigte ein Chassis eines Trabbi.
Des weiteren nahm die Sachverständige Stellung zum Geräuschpegel des Aufpralls, den man selbst beim Musikhören(egal welcher Musikrichtung)bemerken musste. Jedoch sei die Kollision an sich durch den Anfahrtswinkel nicht unbedingt merklich gewesen sein muss.
Der letzte Zeuge der dann doch noch zur Klärung dienen konnte wurde direkt aus der Statistikprüfung geholt und beschwerte sich nicht wenig darüber. Schließlich sollte man sich im Klaren darüber sein, daß er sich nun zum wiederholten Male dieser Tortur unterziehen musste, und die Lage würde mit einem weiteren Versagen auch nicht einfacher.
Der Staatsanwalt hielt sein fernsehreifes Schlussplädoyer, das keine Zweifel offen ließ.
Der Herr Verteidiger gab zu bedenken, alleine die Länge des Plädoyers lasse schon tiefe Zweifel an der Schuld der Angeklagte zu, denn wer sich seiner Sache sicher sei, müsste nicht so lange darüber reden. Er selbst fasste sich nur unwesentlich kürzer und legte darauf Wert die soziale Einstellung seiner Mandantin zu verdeutlichen, denn schließlich stellte sie das Fz der gesamten WG zur Verfügung. Ferner sei es nicht zu vertreten ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen, da sie davon abhängig sei um ihre Eltern in Deggendorf besuchen zu können.
Die Stunde verging wie im Flug und trotz der Verurteilung der Angeklagten war es für alle Mitwirkenden und Zuschauer ein Riesenspaß. Es war mindestens so gut wie beim Fernsehen was man auch deutlich am Riesenapplaus feststellen konnte.

Eure DT


Juni2003 by DoubleTrouble



 

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